Seit 2017 ist in Deutschland das Medizinalhanfgesetz in Kraft, das Patienten unter bestimmten Bedingungen den Zugang zu Cannabismedizin gewährte. Doch bis zur Teillegalisierung in diesem Jahr, war es oft schwierig den richtigen Arzt zu finden und die wichtigen Bedingungen zu erfüllen, die den Einsatz von Cannabis ermöglichten. Auch stellten sich die Krankenkassen oft quer und übernahmen die Kosten für die Naturmedizin nicht immer.
Mit dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes hat sich die Situation aber ein wenig geändert, da nicht länger ein Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept) benötigt wird und Ärzte Cannabis leichter verschreiben können. Da es aber für reguläre Konsumenten trotz Teillegalisierung bislang noch keine offizielle Option gibt, legal Cannabis erwerben zu können, boomt auch der Medizinalhanfmarkt, weil es immer einfacher geworden ist, sich als Patient registrieren zu lassen.
Laut dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert werden daher seit dem 1. April in Deutschland nun mehr als 80.000 Menschen medizinisch mit Cannabis versorgt.
Gestiegene Patientenzahl – gestiegene Importe
Bislang wird hierzulande bisher nicht genügend Cannabis zu medizinischen Zwecken unter entsprechender Genehmigung produziert, sodass eine Steigerung der Importmengen wahrgenommen werden kann, der auch die angestiegene Anzahl aufseiten der Patienten widerspiegele. Um dieser Situation zukünftig gerecht zu werden, rechnet der Bundesdrogenbeauftragte damit, dass die Produktion in Inland zunehmen wird.
„Um eine ausreichende Produktion und Versorgung der Patient:innen damit zu gewährleisten, müssen auch die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen passen“, schrieb Blienert nach einem Besuch beim sächsischen Cannabisproduzenten Demecan auf X. Derzeit kämen die meisten Importe aus Kanada und Portugal und wichtig sei, dass für erfolgreiche Therapien auf hochwertige Extrakte und Blüten gesetzt würde. Die gestiegenen Patientenzahlen wären auch eine Entwicklung nach dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes und Änderungen des Betäubungsmittelgesetzes, weil auf allen Seiten mehr Akzeptanz vorhanden sei.
Als positiv zu werten ist es unter diesen Umständen daher wohl auch, dass Produzenten wie Demecan im Inland seit der Gesetzesänderung nun nicht länger begrenzten Produktionsauflagen unterliegen, sondern nun unbegrenzt Cannabis anbauen dürfen. Wie apotheke-adhoc meldet, bestätigte auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) auf Anfrage, dass die Patientenzahlen im Land steigen würden. Alleine zwischen dem ersten und zweiten Quartal dieses Jahres stiegen daher auch die Importmengen von 8,1 auf 11,7 Tonnen, was einen Anstieg von rund 40 Prozent bedeutet.
Online-Rezepte ebenfalls ein Grund
Die erhöhte Nachfrage nach Cannabis als Medizin und die gestiegene Anzahl Patienten hat auch im Internet für Veränderungen gesorgt. Immer mehr Online-Plattformen, die nach kurzen Ärztegesprächen flott Rezepte für Cannabismedizin ausstellen, erleichtern Menschen die Suche nach legal erhältlichem Cannabis. Diese Anbieter sind häufig auf Cannabis spezialisiert und werben für ihre Dienste aktiv. Die dort praktizierenden Ärzte, wie auch die Plattformen selbst, agierten dabei häufig aus dem Ausland und böten den Nutzern einen günstigen Zugang zu garantierter Qualitätsware, die mit den Kosten auf dem unkontrollierten Schwarzmarkt mithalten könnten. Nur eine Gebühr wird fällig, damit ein Privatrezept ausgestellt wird.
Die Expertengruppe „Medizinisches Cannabis“ der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG) sieht diese Art von Anbietern „aus dem Boden sprießen“, bemängelt dabei aber auch, dass es den Medizinern dort wohl kaum möglich wäre, ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Besonders Blüten mit hohen THC-Gehalten würden somit ein Risiko darstellen und dürften die Fallzahlen von psychotischen Ereignissen erhöhen. Was selbst für Gewohnheitskonsumenten eine Gefahr seien könnte.
Die Expertenfachgruppe der DpHG hält es zudem nicht für richtig, wenn Verordnungen auf Privatrezept von Konsumenten dazu genutzt würden, um sich mit Cannabis zu Genusszwecken zu versorgen. Es würde der Eindruck entstehen, dass bei den Anbietern eine Gewinnorientierung vor dem Wohle der Patienten stünde. Daher fordern die Fachleute auch, dass vor dem Ausstellen eines Rezeptes ein persönliches Arztgespräch stattfinden müsse.
Bundesgesundheitsministerium beobachtet die Situation
Betont wird dazu von einer Sprecherin des BMG, dass Cannabis bei medizinischem Einsatz als Arzneimittel ausschließlich bei einem vorliegenden medizinischem Grund verschrieben werden dürfe. Man wolle die Entwicklungen bezüglich der Online-Verordnungen aus diesem Grund auch „weiterhin aufmerksam beobachten“. Verständnis dafür, dass auch Genusskonsumenten auf die Angebote aus Apotheken ausweichen und den Schwarzmarkt hinter sich lassen wollen, haben Cannabispatienten wie Andreas Pfeifer vom Cannabis Social Club Deutschland zwar, doch sorgt er sich um die gesicherte Versorgung mit seiner Medizin.
Vieles sei aufgrund der gestiegenen Verschreibungen für ihn nicht mehr lieferbar und er hofft, dass die Situation wieder verbessert werden kann, wenn Konsumenten über Anbauvereinigungen einen alternativen Zugang zum Genussmittel Cannabis erhalten. Derzeit müsse er oft auf neue Präparate umsteigen, von denen er die Wirkung oder Nebenwirkungen erst kennenzulernen habe. Empfohlen wird von ihm, falls man wirklich krank sei, unbedingt einen Arzt vor Ort aufzusuchen, da nur hier die genaue Medikation und die jeweiligen Präparate ausführlicher besprochen werden können. Genusskonsumenten sollten in einem Cannabis-Club lieber Mitglied werden, damit für alle Patienten die benötigte Medizin ausreichend vorhanden ist.
Bundesopiumstelle erkennt ein Schema
Im Ärzteblatt meldete sich auch der Leiter der Bundesopiumstelle über den Verdacht zu Wort, dass viele neue „Cannabispatienten“ die Plattformen dazu nutzten, um auf legalem Weg an ihr Genussmittel zu gelangen. Peter Cremer-Schaeffer erklärt, dass nach einer Auswertung von über 7.000 Cannabisrezepten herausgefunden werden konnte, dass überwiegend eher junge Männer sich auf diesem Weg versorgten, wobei mehr als zwei Drittel der Rezepte privat übernommen wurden. Man müsse schließlich auch tatsächlich schwere Erkrankungen nachweisen können, damit die Kosten von den Krankenkassen über ein Kassenrezept erstattet werden. Daher sei der Gedanke nicht abwegig, dass über die Plattformen eine Versorgung mit Cannabisblüten erfolge, die vom „Gesetzgeber so nicht bezweckt“ worden sei.
Möchte man sich daher als Mensch – aus welchen Gründen auch immer – vernünftig mit Cannabis versorgen, ist neben den genannten Optionen auch immer noch ermöglicht, einfach zu Hause selbst bis zu drei Pflanzen anzubauen. Solange die Anbauvereinigungen nicht in genügendem Maße oder in der Nähe ihre Türen für die Mitglieder öffnen, ist dieses Hobby ein gerechter, schöner wie auch leicht zu erlernender Zeitvertreib bis zur vollständigen Legalisierung. Siehe unseren Einstiegs-Guide!