Seit 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland verschreibungsfähig erhältlich. Auch wenn sich nicht immer sofort der richtige Arzt auffinden ließ, stieg die Zahl der Patienten rasant an. Geschätzt werden aktuell 100.000 Nutzer, die auf die natürliche Medizin zurückgreifen. Engpässe bei der Versorgung waren in den ersten Jahren nach der Freigabe häufig zu vermelden. Dass die geplante Legalisierung für den Genusskonsum einen schlechten Einfluss auf den Medizinalhanfmarkt haben könnte, davon spricht der Bedrocan-Chef Tjalling Erkelens, der eine entstehende Knappheit der Arznei prognostiziert.
Recreational vs. Medical
Erkelens verweist in einem Artikel des Handelsblatts auf die negativen Entwicklungen auf die Patientenversorgung in Ländern wie Kanada, wo nach der Öffnung des Genussmarktes die Umsätze mit Medizinalhanf nach und nach zurückgingen. Der Genusssektor florierte dagegen und wuchs laut Daten von Statistics Canada stark an. Patienten würden daher vernachlässigt, weil sich mit Cannabis für den Freizeitgebrauch auf einfachere Weise mehr Geld verdienen lasse. Viele Versorger hätten sich vom medizinischen Cannabis abgewandt, was zu Versorgungsengpässen auf dem Markt geführt habe. Auf dem Genussmarkt würde aber nicht die Qualität und Sicherheit geboten, die für den medizinischen Einsatz aus Sicht des Bedrocan-Chefs nötig sei.
Dazu hätten die Patienten keinen regelmäßigen Kontakt mehr zu ihrem Arzt oder ihrer Apotheke, sodass die medizinische Betreuung vernachlässigt würde. So könnten falsche Dosierungen, die Unerfahrenheit mit dem natürlichen Heilmittel und die nicht angemessenen Qualitäten gefährlich für die Nutzer werden.
Standardisierte Produkte
Bei Cannabis aus der Apotheke könne das Produkt auf genau eine Ursprungspflanze zurückgeführt werden, so Erkelens. Bedrocan vermische keine Sorten. So könnten Ärzte und Patienten die therapeutische Wirkung genau einschätzen. Die Dosierung und die Wirkung des Produkts könne ebenfalls genauer überwacht werden. Wichtig ist ein standardisiertes Produkt dazu auch für die Wissenschaft.
Um die Erforschung von Cannabis als Medizin in wissenschaftlichen Studien oder aber eine fachgerechte Herstellung von Medikamenten mit Cannabinoiden zu ermöglichen, greifen Forscher und Pharmaunternehmen auf die stets gleichbleibenden grünen Waren zurück. Selbst wenn die Legalisierung von Cannabis einen lukrativeren Sektor in Deutschland eröffnen wird, so will die Firma ihrem Geschäftsmodell treu bleiben. „Für uns ist Cannabis kein Lifestyleprodukt. Es ist ein Arzneimittel, das effizient, sicher und für alle erschwinglich sein sollte“, sagt Tjalling Erkelens.
Der Genussmarkt und der Medizinalhanfsektor sollten somit dann wohl aber doch profitabel genug nebeneinander koexistieren können, sodass die „Warnung vor den negativen Folgen nach der Legalisierung“ vielleicht doch ein wenig übertrieben klingt. Mehr Gras – weniger Leid.