Spätestens seit der Wahl der Rot-Gelb-Grünen-Ampelkoalition hofften Cannabiskonsumenten erstmals in Deutschland auf einen schnellen Paradigmenwechsel bezüglich des Umgangs mit dem viel genutzten, jedoch leider illegal eingestuften Genussmittels. Es war im Koalitionsvertrag abgemacht, die Prohibition zu beenden und einen Markt unter sinnvollen Regeln zu erschließen, der bislang in der Hand illegal agierenden Produzenten und Händlern lag.
Da dort weder auf Jugendschutz noch auf Qualität und Sauberkeit geachtet wird, wäre eine vollständige Legalisierung von Cannabis für die Genusszwecke Erwachsener ein deutlicher Vorteil zum Schwarzmarkthandel gewesen. Aufgrund geltender EU-Gesetze und Abmachungen im Schengenraum, wurde dann aber zurückgerudert und nur ein mit EU-Recht vereinbarer Gesetzesentwurf produziert, der einzig den Eigenanbau, den Konsum und den Aufbau von Anbauvereinigungen vorsieht. Seitdem wartet die Community weiterhin auf die sogenannte „Legalisierung Light“, die immer noch einen großen Fortschritt im Vergleich zur aktuellen Situation darstellen würde.
Selbst nach dem Fertigstellen des Cannabis-Gesetzes sind immer wieder Stimmen – sogar aus den eigenen Reihen – laut geworden, die sich gegen das Vorhaben wenden und sich wünschen, die Umsetzungen verhindern zu können. Da nun auch im letzten Dezember nicht im Bundestag über das CanG abgestimmt wurde, häuften sich jetzt mehrfach die Bedenken, dass das einstige Wahlversprechen vollständig gebrochen werden könnte. Doch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist weiterhin zuversichtlich, dass die „Legalisierung Light“ bald kommt – und zwar zum 1. April.
19. – 23. Februar im Bundestag
Es würden vielversprechende Gespräche laufen, sagte Karl Lauterbach der „Welt am Sonntag“ und führte dabei aus, dass er sich sicher sei, dass das Cannabis-Gesetz in der Woche vom 19. – 23. Februar im Bundestag verabschiedet werden würde. Dann könnte es bereits ab dem 1. April 2024 gelten, so der Gesundheitsminister. Es gäbe eine gedrehte Studienlage in den vergangenen Jahren, sodass man darüber Bescheid wisse, weshalb der illegale Handel ausgetrocknet gehöre: höhere toxische Konzentrationen in den dort gehandelten Produkten sowie gefährlichere Beimischungen gefährdeten die Konsumenten.
Eine kontrollierte Abgabe von Cannabis wäre daher aus seiner Sicht der richtige Weg, wobei stets darauf zu achten sei, dass man diese Herangehensweise mit einem starken Kinder- und Jugendschutz kombiniere. Auf Instagram eines Hip-Hop-Kanals bekräftigte er: „Cannabis wird bald erscheinen, in großer Auflage.“ So sieht das auch der drogenpolitischer Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion Dirk Heidenblut, der sich ebenfalls von einem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April überzeugt zeigt – „entgegen aller medialen Berichte“!
Kritische Stimmen bleiben laut
Wie es zu erwarten war, bleiben besonders die kritischen Stimmen aus dem konservativ regierten Bayern laut, doch auch bei der SPD melden sich Innenpolitiker und äußern Bedenken über die geplanten Mindestabstände zu Schulen, Kindertagesstätten und anderen Orten, wo sich Heranwachsende aufhalten können. Da die Reform in der Cannabispolitik aus seiner Sicht am ursprünglichen Ziel vorbeigehen würde, fordert beispielsweise auch der kriminalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sebastian Fiedler, einen Stopp der derzeitigen Legalisierungspläne. Er kritisierte den vorliegenden Gesetzesentwurf aber auch, da er den einstigen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag widersprechen würde.
Dabei störe ihn dazu, dass mit der Erlaubnis zum Eigenanbau ein unkontrollierter Cannabismarkt in den privaten Raum rücken würde, was dann zu negativen Auswirkungen auf den Kinder- und Jugendschutz und zu mehr Problemen im öffentlichen Raum führen könnte. Doch auf X, wo sich Fiedler etwas ausführlicher zu der Thematik äußerte, wurden von Nutzern mittels kollektiver Faktenprüfung einige Falschbehauptungen aufgedeckt oder gewisse Kontexte von der dort aktiven Community hinzugefügt. In Bayern hingegen geht man streng gegen das geplante Gesetz vor und veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der die Gesundheits- und Präventionsministerin Judith Gerlach die Bundesregierung erneut dazu aufforderte, das Legalisierungsvorhaben jetzt komplett zu stoppen.
Befürworter bleiben am Ball
Neben den kritischen Stimmen gibt es aber auch weiterhin die Befürworter in der Ampel, die sich sicher sind, mit dem CanG für Verbesserungen sorgen zu können. Daher üben diese Kräfte auch Druck auf die SPD aus, nicht länger die Blockadehaltung zu vertreten. Kristine Lütke, die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion sagte im Tagesspiegel kritisch, dass die internen Unstimmigkeiten der SPD sich nun seit Wochen hinziehen würden, was zu einer gänzlich unnötigen Verzögerung des Prozesses geführt habe. Sie fordere daher eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes und betonte, dass das bereits abgestimmte Gesetz ein „gutes Paket“ darstellen würde.
Schon Anfang Januar sprachen sich auch die Grünen für eine zeitnahe Abstimmung aus. Karl Lauterbach betonte schließlich ebenfalls schon, dass die Verbotszonen von einhundert Metern betreffend Schulen und anderen Jugendeinrichtungen einen verantwortungsbewussten Umgang sicherstellen können. Würden Kontrollen und Durchsetzungen anhand eines pragmatischen Ansatzes verfolgt werden, wären Entlastungen bei der Justiz mit Sicherheit spürbar. Aus Sicht der Sprecherin des Bundesministeriums für Gesundheit stehe der Gesetzentwurf und es wäre jetzt die Angelegenheit des Parlaments, die letzten Änderungen vorzunehmen und die 2. und 3. Lesung anzusetzen. Bedenken, dass die Legalisierung von Cannabis gestoppt werden könnte, werden von Sabine Grünberg somit hier nicht geteilt.
Für eine weitere Überarbeitung des CanG hat sich dafür aber auch Kathrin Wahlmann von der SPD, die neue Vorsitzende der Justizministerkonferenz, gegenüber LTO ausgesprochen. Da man sich seitens des Bundesministeriums für Inneres aber bereits dafür eingesetzt habe, dass den Sicherheitsaspekten und dem Jugendschutz Rechnung getragen wird, könnten frei werdende Kapazitäten bei Polizei und Justiz zugunsten der Kriminalitätsbekämpfung eingesetzt werden. Dr. Mehmet Ata vom BMI erläuterte diesbezüglich, dass man halt dafür Sorge tragen müsse, durch die Teillegalisierung von Cannabis keine vermeidbaren Einfallstore für die organisierte Kriminalität zu öffnen.
In einer am 24.01.2024 veröffentlichten Pressemitteilung des Deutschen Hanfverbands erhebt man nun aufgrund der Verzögerungen aber auch schon schwere Vorwürfe gegen die SPD. Tausende unnötige Strafverfahren und Vertrauensverlust für demokratische Strukturen seien die Folgen der internen Querelen in der Partei. DHV-Sprecher Georg Wurth sagt bezüglich der Entwicklungen, dass das jetzt vorliegende CanG am meisten dem Programm der SPD ähneln würde. Es wäre federführend von einem SPD-Minister erarbeitet worden. Falls es jetzt also ausgerechnet durch die SPD-Fraktion noch weiter verschoben, neu diskutiert oder sogar ganz infrage gestellt würde, wäre das Vertrauen von Millionen Bürgern in demokratische Strukturen und Parteien erschüttert, so Wurth. Es bleibt somit stark zu hoffen, dass sich Gesundheitsminister Lauterbach nicht in seiner Überzeugung irrt und das Legalisierungsgesetz zum 1. April 2024 in Kraft treten kann.