Mit den auf den kleinsten Nenner reduzierten Legalisierungsplänen der Ampelkoalition haben viele Start-ups und Geldgeber einen ziemlich heftigen Rückschlag erlitten. Anstatt wie erhofft Coffeeshops eröffnen oder in das große Anbaugeschäft einsteigen zu können, wird schließlich bloß die Eigenproduktion für Privatpersonen und nicht gewinnorientierte Abgabe in Cannabis Social Clubs gestattet werden. Während zwar einige Firmen sich selbst auf dieses Szenario eingestellt haben, schauen viele Unternehmer in die Röhre und wissen nicht wirklich, wie man unter diesen Umständen tatsächlich Geld verdienen kann.
Doch in anderen Gefilden wird die Herangehensweise Deutschlands sowie anderen Teilen Europas nicht ganz so kritisch betrachtet, da auch gewisse Vorteile erkannt werden. Manche Investoren aus dem Ausland, die bereits Erfahrungen mit einer zu schnellen Freigabe von Cannabis gesammelt haben, denken sogar, dass die geplante „Legalisierung Light“ dienlich sein wird, um schwerwiegende Fehler zu vermeiden. Deswegen sind einige der Meinung, dass die langsam voranschreitende Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken erwachsener Menschen als vorteilhaft zu betrachten sei.
Besser für den Medizinalhanfsektor
Die weichgespülten Grundlagen der Cannabislegalisierung in Deutschland werden unter anderem von amerikanischen Unternehmern als positiv betrachtet, da gewisse Fehler, die in den USA gemacht wurden, sich hierzulande nicht wiederholen werden. Oliver Lamb, Mitbegründer von Óskare Capital, spricht auf techcrunch.com davon, dass sich die Verlangsamung der Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch positiv auf den medizinischen und pharmazeutischen Markt auswirken könnte. Das hybride Experiment zwischen Freizeit- und Medizinalgebrauch sei in Nordamerika bereits durchgeführt worden, und es wären schmerzhafte Lektionen gelernt worden, die man nur leichtsinnig ignorieren könne, sagte er gegenüber dem Portal.
Die unscharfe Abgrenzung zwischen dem medizinischen und dem Freizeitbereich hätte sich zweifellos nachteilig auf die gezielte Entwicklung von Medikamenten ausgewirkt, so Lamb. So wie andere Investoren auch, ist er beunruhigt über die Fehler, die in den USA gemacht wurden. Matt Hawkins, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter von Entourage Effect Capital, spricht davon, dass es von entscheidender Bedeutung wäre, Lehren aus den Erfahrungen zu ziehen, die andere bereits gemacht hätten. In New York hätte man erlebt, wie schwierig es sei, da nur eine Handvoll Apotheken in Betrieb wären und die Strafverfolgung insgesamt nur nachlässig gehandhabt würde. Dies hätte zu einem offenen und boomenden illegalen Markt geführt, erklärt Hawkins.
Europa leidet unter Deutschlands Entscheidung
Einige Fonds sind jedoch besorgt, dass der gesamte zugängliche Markt für legales Cannabis auf dem Kontinent durch die Entscheidung Deutschlands begrenzt worden ist. Die Zurückhaltung Deutschlands habe einige Investoren zögerlicher werden lassen, Kapital in Europa einzusetzen. Matt Hawkins sagt, dass der Prozess in Deutschland gezeigt habe, dass der gesamte Kontinent in den kommenden Jahren Schwierigkeiten haben werde, einen kommerziellen Markt für den Gebrauch durch Erwachsene zu schaffen. Das theoretische Potenzial der gehandelten Produkte würde durch die starken Einschränkungen des Genussmittelmarktes einfach nur sichtlich begrenzt.
Und auch wie andere private Unternehmen, die Risikokapital aufnehmen wollen, sind selbst Cannabis-Startups nicht gegen die von den Investoren geforderte globale Neubewertung immun. Emily Paxhia, die Mitbegründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von Poseidon Investment Management, meint auch aus diesem Grund, dass europäische Cannabisunternehmen daher noch immer überbewertet wären. Poseidons Motto wäre daher, dass für Gründer von Cannabis-bezogenen Start-ups, die darauf hoffen, die Flaute zu überstehen, ein Ratschlag gelte, der auch für andere Unternehmen immer Sinn ergeben würde: „überleben und vorankommen“.
Für Cannabisunternehmen, die bereits wüssten, dass sie nicht überleben werden, würde die Suche nach einem Käufer eine realistische Option darstellen, da in den kommenden Monaten eine Konsolidierung des Marktes erwartet werden könne. Doch Oliver Lamb von Óskare Capital warnt auch hier ein wenig vor Investitionen oder Fusionen und Übernahmen, da man sich aktuell aufgrund der Lage in einem äußert harten Käufermarkt befinden würde.
Es bleibt daher wohl also erst einmal abzuwarten, wie sich das Geschäftsfeld nach dem Durchwinken des selbst von Koalitionspartnern kritisierten Cannabisgesetzes tatsächlich langfristig entwickeln wird.