Vor einigen Wochen haben wir in einem Beitrag darüber berichtet, dass infolge der CanG Reform in Deutschland der Absatz an Cannabismedikamenten in die Höhe schnellt und die Zahl der Patienten, die Cannabis auf Rezept erhalten, stetig zunimmt.
Die Bedingungen für die Verordnungen sind nun weniger streng, sodass auch immer mehr Ärzte dazu bereit sind, Cannabis zu verschreiben. Das ist grundsätzlich sehr positiv, solange der Dienst am Patienten dabei im Vordergrund steht und nicht einfach nur das profitable Geschäftsmodell.
Telemedizin ist eine große Hilfe für viele Patienten
Da manche Patienten mit Bewegungseinschränkungen, oder auch speziell Menschen mit Wohnsitz in ländlichen Regionen, nur schwer Zugang zu einem Arzt erhalten können, der Cannabis als Medizin verschreibt, ist das Konzept der Telemedizin Plattformen für diese sehr hilfreich. So können sie einfach von zu Hause aus ihr Medikament bestellen und bekommen es wenig später an die Haustür geliefert.
Leider sind nicht alle Anbieter solcher Online-Dienstleistungen seriös. Manche sind weder an der erfolgreichen Behandlung ihrer Patienten interessiert, noch an deren Krankheitssituation an sich. Es winkt das schnelle Geld mit legalem Cannabis aus der Apotheke, ob es dem Patienten jetzt tatsächlich hilft oder nicht, die Frage stellt sich an keiner Stelle der Behandlung. Die Landesärztekammern reagieren mit alarmierter Besorgnis ob der Leichtigkeit, mit der heute eine Cannabisverordnung für jedermann zugänglich ist.
Die Vorteile der ärztlichen Begleitung bei einer Cannabistherapie
Wenn telemedizinische Dienstleister ohne ausführliche Anamnese und Anspruch an den medizinischen Nutzen massenweise Rezepte für Medizinalcannabis ausstellen, so nützt dies viel weniger den Patienten als den Unternehmen selbst. Es stellt sich hier dennoch die grundsätzliche Frage über Nutzen und Schaden dieser Vorgehensweise, ganz unabhängig davon, was man persönlich davon halten mag.
Unbestritten ist eine Behandlung mit medizinischem Cannabis ohne tatsächliche Begleitung durch einen fachkundigen Mediziner nicht im Sinne des Erfinders. Der Patient profitiert mit Sicherheit von der Expertise des Arztes, insofern er nicht selbst bereits über mehr Erfahrung in der Selbstbehandlung verfügt. Dennoch verbringen viele Jahre damit, das richtige Medikament und die richtige Dosierung für sich zu finden.
Die regelmäßige Rücksprache mit dem behandelnden Arzt kann für die Sortenfindung sehr hilfreich sein, und gerade bei jüngeren oder unerfahrenen Patienten ist die Begleitung der Behandlung wichtig. Dass aber kranke Menschen innerhalb einer schon länger andauernden Cannabistherapie ihr Rezept auch ohne Kontakt zum Arzt bekommen können, sollte kein Problem sein. Doch eigentlich geht es gar nicht um diese Patienten.
Nicht alle Cannabispatienten sind krank
Seit der Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel durch das CanG am 01.04.2024 steigt die Anzahl der Cannabisverordnungen unverhältnismäßig stark an. Das deutet stark darauf hin, dass eine große Zahl von Rezepten an Menschen ohne Erkrankung ausgestellt wird, die über das Rezept entweder den sicheren Zugang zu legalem Cannabis suchen, oder die dadurch Konflikten mit Cannabis im Straßenverkehr aus dem Weg gehen wollen. Jeder der beiden Wünsche ist verständlich und nachvollziehbar, und sich einen Zugang zu sauberem Cannabis zu verschaffen, ist auch eine Maßnahme im Sinne des Gesundheitsschutzes.
Die Absicht, durch ein Cannabis Rezept Problemen mit der Fahrerlaubnis aus dem Weg zu gehen, ist vielleicht doch bedenklich. Zum einen kann die vermeintliche Sicherheit dazu verleiten, sich noch berauscht hinter das Lenkrad zu setzen, zum anderen existiert die gefühlte Sicherheit gar nicht. Die Fahrerlaubnisbehörden können auch einen Patienten noch in die Mangel nehmen und ihm teure Gutachten oder MPU-Maßnahmen abverlangen.
Im größeren Kontext schadet das ganze den echten Patienten, die lange Mühen für eine Cannabisverordnung auf sich nehmen mussten und die nur mit einem Führerschein ihrer Arbeit nachgehen können. Nach sechs Jahren, in denen sich in manchen Behörden eine gewisse Akzeptanz gegenüber Patienten entwickelt hat, auch im Zusammenhang mit dem Führen von Fahrzeugen, könnte nun eine zu große Zahl von Pseudo-Cannabispatienten im Straßenverkehr der Glaubwürdigkeit des Patientenstatus schaden.
Der Fehler liegt im System
Die CanG Reform hat große Schwächen, ohne Frage. Sie vergisst die Gelegenheitskonsumenten, für die weder ein regelmäßiger Mitgliedsbeitrag in einem Anbau Club noch der Eigenanbau zu Hause infrage kommt. Diese Gruppe von Konsumenten ist geradezu prädestiniert, sich lieber gelegentlich ein Rezept ausstellen zu lassen. Solange die Grenzwerte von THC im Straßenverkehr nicht realitätsnah geregelt sind, bleibt die medizinische Verordnung auch für alle Konsumenten mit Führerschein attraktiv, um das Risiko von Konflikten mit der Polizei zumindest etwas zu minimieren.
Auch der Preis für das saubere Medizinalcannabis lockt viele Menschen an, wer kann es ihnen verdenken? Am Ende bedarf es weniger der Kritik an den Geschäftspraktiken der Unternehmen, die sich auf die Verschreibung von Cannabis als Medizin spezialisiert haben, sondern an massiver Nacharbeit am CanG. Erst faire Fahrerlaubnis-Bedingungen für Patienten und auch für Konsumenten, und ein leichter Zugang zu qualitätsgeprüftem Cannabis für jeden Erwachsenen, wird hier Abhilfe schaffen.