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So förderlich Cannabidiol (CBD) auch für die Gesundheit sein mag – unumstritten ist das Cannabinoid, das gern als sekundärer Wirkstoff der Cannabispflanze bezeichnet wird, nicht. Seit einigen Jahren sind hanfbasierte Lebensmittel und insbesondere Nahrungsergänzungsmittel, die CBD beinhalten, extrem stark gefragt und sind zum Gegenstand eines regelrechten Booms geworden.
Leider sind wohl nicht alle mit dem Erfolg der Nutzhanfprodukte einverstanden. Gerade innerhalb der Europäischen Union ist man sich nicht einig, wie Cannabidiol und hanfbasierte Lebensmittel einzuordnen sind. Diese Unsicherheit führte schon zu einigen juristischen Auseinandersetzungen. Vor allem aber schadet sie dem Verbraucher und der CBD-Branche, die über ein immenses Potenzial verfügt.
Die Verordnung EU 2015/2283 und Cannabidiol
Im Mai des Jahres 1997 hatte sich die Europäische Union auf eine Verordnung verständigt, deren Ziel es sein sollte, den Verbraucher vor synthetischen und potenziell gefährlichen Nahrungsmitteln oder Zutaten zu schützen. Die Rede ist von der sogenannten Novel Food Verordnung (EG) Nr. 258/97, die heutige Verordnung EU 2015/2283. Ihrer Definition entsprechend sind Novel Foods, also neuartige Lebensmittel, diejenigen Nahrungsmittel oder Zutaten, die vor Inkrafttreten der Verordnung am 15.05.1997 innerhalb der EU nicht in nennenswertem Umfang zum Verzehr in den Handel gebracht wurden. Über die Frage, ob CBD-Produkte und Hanflebensmittel dieser Novel Food Verordnung zugerechnet werden können, wird seit geraumer Zeit heiß diskutiert.
Im sogenannten Novel Food Katalog werden in der aktuellen Fassung Lebensmittel, die lediglich Hanfsamen beinhalten als traditionelle und nicht zulassungspflichtige Nahrungsmittel anerkannt. Cannabidiolhaltige Extrakte und Nahrungsergänzungsmittel allerdings sind hier unter den Novel Foods geführt und bedürften demnach der Zulassung. Diese neuste Fassung des rechtlich unverbindlichen und nur zur Orientierung dienenden Novel Food-Katalogs hat allerdings erst seit Anfang 2019 Bestand. Auf Basis früherer Novel Food Katalog Einträge und Entscheidungen in Brüssel von 1998 hat die Hanfindustrie in den letzten zwanzig Jahren große Investitionen in die Herstellung von Hanf-Lebensmitteln und CBD-Produkten getätigt. Diese waren gemäß der früheren Regelungen kein Novel Food und somit nicht zulassungspflichtig, wenn der CBD-Gehalt der natürlichen CBD-Konzentration innerhalb der jeweils als Rohstoff zugrunde liegenden Hanfpflanze entsprach.
Hanf-Rezepte gab es schon 1995 von den Grünen
Es gibt einige Belege, anhand derer klar ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei hanfbasierten Nahrungsmitteln um Novel Food handelt. Ein Beispiel dafür liefert eine Broschüre, die die Partei Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 1995, also zwei Jahre vor der Verordnung, veröffentlicht hatten. Darin sind drei Rezepte aus Hanfzutaten dargestellt. Eines davon ist ein beim französischen Schriftsteller Baudelaire beliebtes Orangenkonfekt. Die anderen beiden Rezepte sind zugegebenermaßen nicht aus EU-Ländern, sondern beschreiben Majoun aus Marokko und Bhang aus Indien. Dennoch zeigt ihr Vorhandensein in der Broschüre von 1995, dass solche Rezepturen bereits vor der Novel Food Verordnung dem deutschen Bürger geläufig waren.
BVL hatte Cannabidiol pauschal als Novel Food klassifiziert
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hatte auf dessen Internetpräsenz eine Stellungnahme veröffentlicht, der zufolge Cannabidiol in Lebensmitteln grundsätzlich in keinem Fall ohne eine vorherige Zulassung als Arzneimittel oder eben als Novel Food verkehrsfähig wäre. Die European Industrial Hemp Association (EIHA) hat dieser pauschalen Darstellung des BVL widersprochen und umfassende, historische Belege zusammengetragen, die die Behauptung, CBD-haltige Lebensmittel oder Lebensmittelzutaten seien in jedem Fall als Novel Food zulassungspflichtig, widerlegen. Die EIHA hatte für die Argumentation um das Novel Food Thema eine Zusammenstellung von Beweisen angefertigt, die den traditionellen Gebrauch und Verzehr von hanfbasierten Lebensmitteln und auch des darin enthaltenem Cannabidiol belegt. Einerseits finden sich dort Hinweise darauf, welchen natürlichen CBD-Gehalt die in Europa verarbeiteten und konsumierten Hanfsorten hatten, andererseits sind aber auch einige Beispiele von CBD-haltigen Produkten aufgelistet, die bereits vor der Novel Food Verordnung in heutigen EU-Staaten geläufig waren.
Beweise für traditionellen Umgang mit Hanf in der EU
Das Dokument, mit dem die EIHA ihre Position bezüglich Hanf, Cannabidiol und der Novel Food Verordnung darlegt, ist klar strukturiert und beinhaltet zahlreiche Beweise, die die Haltung untermauern. Nach einer Einführung in die Thematik und der beteiligten Akteure werden etliche Belege für den traditionellen Konsum von cannabinoidreichen Hanfprodukten in Europa angeführt. Italien und Deutschland sind im Übrigen besonders häufig unter den Beispielen zu finden. In Bologna gibt es an den Decken des Porticos (Arkadengänge) Schriftzüge, die die wichtigen Rohstoffe und Erzeugnisse der damaligen Zeit (1220 n.Chr.) benennen. Zwischen Brot und Wein ist hier auch Cannabis genannt, welches gemäß der Inschrift „Canabis Protectio“, „Cannabis ist Schutz“, bedeutet.
In weiteren Beispielen aus Irland, dem Vatikan, Litauen, Deutschland oder Schweden sind hanfbasierte Rezepte zu finden, die vor Jahrhunderten niedergeschrieben worden sind. Und auch zur Extraktion von Hanf sind Zeitzeugnisse vergangener Jahrhunderte unter den Beispielen. Die Beweislast ist geradezu erdrückend und scheint dabei nur einen Ausschnitt der reichen kulturellen Verbindung zu repräsentieren, die die EU-Mitgliedsstaaten mit Hanf verbindet. Cannabidiol als natürlicher Inhaltsstoff war selbstverständlich immer ein Teil davon.
Marktanalyse von 1997 zu hanfbasierten Lebensmitteln
Obwohl das von der EIHA aufgesetzte Schriftstück mehr als ausreichend Evidenz liefert, dass weder Hanf noch das darin natürlich vorkommenden CBD Novel Food sind, verweist der Verband zusätzlich noch auf eine Marktanalyse aus dem Jahr 1997, die erfahren sollte, in welchem Ausmaß damals, kurz nach Inkrafttreten der Novel Food Verordnung, Hanfrohstoffe in der EU als Lebensmittel vermarktet worden sind. Diese von der EU-Kommission veranlasste Analyse befragte hierzu 40 Unternehmen aus England, Österreich, Deutschland und den Niederlanden über die verwendeten Mengen an Hanfrohstoffen.
Zwar hatten nicht alle bei der Befragung teilgenommen, doch die 23 antwortenden Unternehmen hatten schon zu diesem Zeitpunkt mit enormen Mengen Hanf im Bereich Lebensmittel gearbeitet, 55 Tonnen Hanffertigprodukte, über 1150000 Liter an Getränken mit Hanfblüten oder Blättern und zwei Tonnen Snacks mit Hanfblüten wurden demnach hergestellt und vermarktet. Bei diesen großen Dimensionen ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass viele Unternehmen nicht an der Analyse teilgenommen hatten und die tatsächliche Menge vermutlich um ein Vielfaches höher liegen wird.
Ebenfalls muss man bedenken, dass der Nutzhanfanbau erst kurz zuvor wieder erlaubt worden war. Die Lebensmittelhersteller hatten sich also rasant wieder dem Hanf als Rohstoff für Nahrungsmittel angenommen. Dementsprechend hatte hierauf die EU-Kommission Anfang des Jahres 1998 nach Rücksprache mit ihrem ständigen Lebensmittelausschuss festgestellt und anfragenden Unternehmen schriftlich bestätigt, dass Lebensmittel, die Teile der Hanfpflanze (u. a. Hanfblüten) enthalten, nicht unter die Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und Rates über neuartige Lebensmittel fallen.
BMEL und Bundesregierung widersprechen EIHA nicht
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) scheint nach Kenntnisname dieser Sachlage und der hierzu gelieferten Dokumente die Auffassung der EIHA, dass CBD, sofern es in seiner naturbelassenen Konzentration in einem Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Extrakt vorliegt, kein Novel Food ist, zu teilen. Auf eine Anfrage der FDP Bundestagsfraktion hatte die Bundesregierung am 25.07.2019 erklärt, dass ältere Stellungnahmen der Europäischen Kommission, in denen bestätigt wurde, dass Lebensmittel, die Hanf beinhalten, nicht zwingend neuartige Lebensmittel sind. In der Korrespondenz mit dem EIHA Rechtsanwalt Hermes Piper weist die Behörde lediglich darauf hin, dass CBD-Isolate oder mit CBD angereicherte Lebensmittel nicht ohne Zulassung verkehrsfähig seien. Dies betrifft also nur Produkte, die mit CBD in Form einer isolierten Substanz versetzt worden sind.
Da das BMEL die dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorgesetzte Stelle ist, hätte die Korrespondenz mit dem Ministerium ausreichend Anlass geboten, die fehlerhafte Stellungnahme auf der Website des BVL anzupassen. Um einen konstruktiven Dialog mit den Behörden zu pflegen, hatte die EIHA angeboten, dass man sich zur Klärung der Thematik an einen Tisch setzen könne. Bislang hat das BVL sich weder auf dieses Angebot eingelassen, noch eine Änderung der falschen Darstellung veranlasst. Hierauf hatte nunmehr die EIHA die Ergebnisse des Informationsaustausches zwischen ihr und dem BVL sowie auch dem BMEL im Rahmen einer Pressemitteilung am 3.03.2020 veröffentlicht und diese nun im Verhältnis zum BVL sachlich differenzierende Haltung und Antwort des BMEL als einen Erfolg gewürdigt.
Erfolgsmeldung der EIHA soll Unsicherheiten beseitigen
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft (BVCW), vertreten durch den Geschäftsführer Jürgen Neumeyer, hakte aufgrund der Pressemitteilung vom 4. März dieses Jahres, die bekannt gab, dass (Vollspektrum-basierte) CBD-Produkte eigentlich nicht der Novel Food Verordnung zuzurechnen sind, beim BVL nach. Das Bundesamt war am 14.02.2020 durch die EIHA auch über die Korrespondenz mit dem BMEL in Kenntnis gesetzt worden. Bei dieser Gelegenheit wurden sowohl die Fakten und die Beweislage erneut dargelegt und wiederholt das persönliche Gespräch angeboten.
Außerdem wurde abermals auf die fehlerhafte Stellungnahme hingewiesen und erklärt, dass entsprechend geltenden Rechts das Bundesamt in der Pflicht sei, Beweise für diese Position zu liefern. Dennoch hatte man sich auf das falsche Verständnis der Beweislast seitens des BVL eingelassen und ebendiese Beweise erbracht. Das BVL äußert sich daraufhin uneinsichtig und besteht nach wie vor darauf, dass sämtliche Produkte, die CBD beinhalten, Novel Food und somit zulassungspflichtig seien.
Reaktion des BVL – realitätsfern und uneinsichtig
Beim Lesen der Stellungnahme des BVL an den BVCW bezüglich der Pressemitteilung der EIHA bekommt man den Eindruck, dass die Verfasserin, Dr. Evelyn Breitweg-Lehmann, nichts mitbekommen hatte von der Korrespondenz zwischen den an der Diskussion beteiligten Akteuren. Der Inhalt der Pressemitteilung überrascht das BVL und sei nicht nachvollziehbar, so heißt es in dem Antwortschreiben. Es seien keine Beweise erbracht worden, dass cannabinoidhaltige Lebensmittel vor Inkrafttreten der Novel Food Verordnung innerhalb der Europäischen Union in nennenswertem Umfang verzehrt wurden.
Dr. Breitweg-Lehmann hat dieses Schreiben offensichtlich aufgesetzt in Unkenntnis der Broschüren, der gelieferten Beweise und der Schreiben des BMEL. Außerdem war sie sich wohl auch sichtlich nicht des geltenden Rechts bewusst. Ihr war scheinbar nicht klar, dass die Beweislast bei ihr, und dem BVL liegt. Das Bundesamt hätte Beweise dafür liefern müssen, dass cannabinoidhaltige Lebensmittel in Europa keine Tradition haben, nicht umgekehrt. Die vorliegenden Beweise leugnend, scheint das BVL nun auf Stur zu schalten, das Gesprächsangebot wird keiner Antwort gewürdigt.
Wird BVL die Stellungnahme anpassen?
Eigentlich kann man den Sachverhalt angesichts der erbrachten Belege und der Reaktionen der verschiedenen Instanzen, inklusive dem des BVL vorgesetzten Ministeriums und der Bundesregierung als geklärt betrachten. Trotzdem muss das BVL, notfalls auch zwangsweise, dazu veranlasst werden, seine irrige und fehlerhafte Stellungnahme abzuändern. Diese sorgt natürlich auch weiterhin für Verwirrung bei den Verbrauchern, der Industrie und den Exekutivbehörden, die auf Basis der BVL-Auffassung immer noch zu Maßnahmen gegen die Hanf- und CBD-Branche veranlasst werden. Etwas Gesprächsbereitschaft und bessere Rücksprache mit dem BMEL würde dem Bundesamt jetzt gut zu Gesicht stehen. Einerseits sollte dies im Interesse aller Beteiligten sein, andererseits kann das Beschreiten des Rechtswegs in dieser Angelegenheit kaum der Weisheit letzter Schluss sein.