Das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (CanG)“ wird mit aller Voraussicht zum 1.04.2023 Realität. Künftig müssen circa 4,5 Millionen Menschen in Deutschland nicht mehr die Strafverfolgung für eine Übertretung geltenden Rechts fürchten, das keine Opfer verursacht. Schon lange ist seitens Befürwortern einer Legalisierung von Cannabis das Argument ausgesprochen worden, dass die bisherige Drogenpolitik gescheitert ist und die Konsumentenzahlen nicht verringern konnte.
Da die Ampel-Koalition dies mittlerweile auch verstanden hat, wird ein Paradigmenwechsel vollzogen, der neben dem Wiedererlangen von Freiheiten auch den Gesundheitsschutz der Cannabisnutzer zum Ziel hat. Ebenfalls hofft man, dass durch die Erlaubnis zum Eigenanbau und der Versorgung durch Anbauvereinigungen wie Cannabis Social Clubs, dafür sorgen wird, den Schwarzmarkthandel etwas eindämmen zu können.
Doch die Gegner des Vorhabens – bekennende Prohibitionisten – wettern schon seit Bekanntwerden des Legalisierungsgedanken, dass sich die Situation in Bezug zu Cannabis nochmals verschlechtern werde. Kinder würden trotz besserer Aufklärungskampagnen nicht geschützt, ein Anstieg von Psychosen wären in der Bevölkerung zu erwarten und illegale Verkäufer erhielten aufgrund gewisser strafrechtlich nicht länger verfolgter Besitzmengen einen Freifahrtschein zum Handel treiben.
Die viel kritisierende und aktuell in der Opposition befindliche CDU geht daher schon so weit anzukündigen, das Legalisierungsgesetz im Falle einer baldigen Regierungsbeteiligung sofort wieder zurücknehmen zu wollen. Doch neben den lauten Kritikern aus Politik, Justiz, Medizin und Erziehung, gibt es auch genug gebildete Menschen, die verstanden haben, dass die geplante Veränderung gerechtfertigt ist. Deshalb befasste sich am 17. Februar auch die Frankfurter Goethe-Universität auf einem Symposion mit dem Gesetz und den erwartbaren Folgen aus kriminalwissenschaftlicher Sicht. Zuvor wurden die Veranstalter Prof. Matthias Jahn von der Goethe-Universität und Prof. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu von der Universität des Saarlandes auf ihre Sichtweise der Dinge befragt.
Durchwinken des CanG wird erwartet
Die beiden Professoren sind in jedem Fall überzeugt, dass das CanG nun wie von den Koalitionspartnern versprochen durch den Bundestag kommen müsste und auch anschließend den Bundesrat passieren wird. Einzig ein Hinauszögern des Inkrafttretens wäre vorstellbar, wenn der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen würde. Bereits vor einem Jahr habe man das Symposion mit dem Thema angefangen zu planen, das aber auch weitere „suchtpolitische Baustellen“ behandeln solle.
Bezüglich der Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten erkennt Professor Jahn direkt, dass es in der unserer Zeit, „in der Viele bei vielen gesellschaftlichen Phänomenen sofort nach dem Strafrecht rufen“, als wichtiges Signal zu verstehen wäre. Das Strafrecht sei ein scharfes Schwert, und wer es führe, wäre nicht immer ein weißer Ritter, „der alle Knoten“ durchschlage.
Auf die Frage, welche Schwachstellen das Gesetz beinhalten würde, antwortet Professor Oğlakcıoğlu, dass es ein Kompromiss darstellen würde, da völker- und europarechtliche Regeln beachtet worden seien, die eine Lizenzvergabe zum einst geplanten kommerziellen Anbau und Verkauf von Cannabis nicht mehr vorsähen. Da nun der Eigenanbau oder der Anbau in Vereinigungen stattfinden müsse, wäre dieses Feld jetzt Laien überlassen und qualitative Kontrollen des Produkts fänden nicht statt. Dies sei „aus dem Blickwinkel des Verbraucherschutzes nicht optimal“.
Dazu gäbe es weiterhin sehr viele Strafvorschriften, die zu Ermittlungen gegen Konsumierende geradezu einladen würden, so Oğlakcıoğlu. Dennoch erkenne er das CanG als einen Fortschritt, da diese Schwachstellen im Gesetz „kein Festhalten am Status quo“ rechtfertigen würden. Laut dem auch wie sein Kollege im Nebenamt am Oberlandesgericht als Richter beschäftigen Prof. Jahn würde dies auch aus Sicht der Justiz und ihrer Überlastungssituation eine Gültigkeit besitzen.
Die Vorteile des Paradigmenwechsels
Tatsächlich prognostizieren, ob das CanG dafür Sorge tragen kann, den Konsum von Cannabis bei Heranwachsenden zu verringern, möchte Prof. Oğlakcıoğlu nicht wagen. Doch es wäre aus seiner Sicht eher angebracht zu fragen, inwieweit der rigide Umgang und die Prohibition diese Bevölkerungsschicht bislang geschützt hätte. Und hier könne man erkennen, dass dies nie der Fall gewesen ist. Alleine die große Menge an Konsumenten in Deutschland würden aufzeigen, dass die Androhungen von Bestrafung keine Auswirkungen auf das Verhalten der Cannabisnutzer gehabt hätte. Die Zahlen stiegen in der Vergangenheit ja schließlich trotzdem stetig an.
Auch Prof. Jahn geht nicht davon aus, dass mit der Entkriminalisierung schädlicher Gebrauch ganz verhindert werden könne, aber der Paradigmenwechsel wäre „ein wichtiger Schritt in Richtung einer evidenzbasierten Drogenpolitik“. So wäre es möglich, die Gefahren des Konsums in den Blick zu nehmen, anstatt „das Problem durch strafrechtliche Verfolgung noch zu vergrößern“. Das wäre auch immer einer der Leitgedanken der Frankfurter Drogenpolitik gewesen, so Jahn. Wie sehr das Gesetz die Arbeit der Justiz erleichtern werde, läge laut Oğlakcıoğlu in erster Linie an der künftigen Verfolgungspraxis. Den Staatsanwaltschaften würde ein Einschätzungsspielraum oder auch Verfolgungsermessen eingeräumt. Bei der organisierten Kriminalität, die wohl mit Cannabis handeln würde, könne man „eine etwaige Mehrbelastung“ nicht dem neuen Gesetz zuschreiben, so Oğlakcıoğlu.
Laut Prof. Jahn wäre es hingegen nicht unwahrscheinlich, dass die Justizverwaltungen, die Staatsanwaltschaften und Gerichte das Recht je nach Gebiet unterschiedlich streng anwenden könnten. Was Medizinalhanf betrifft, könne eine Erleichterung erwartet werden. Da Medizinalcannabis dank des CanG aus den Anlagen zum Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werde, könne es künftig mit einem einfachen Rezept in der Apotheke erhältlich sein, bemerken die von der Frankfurter Universität befragten Professoren. Es müsse somit dann in der Verordnung Fertigarzneimitteln wie Ibuprofen gleichgestellt werden.