Vor Kurzem hat die EU-Kommission beschlossen, vorläufig nicht die bisher gestellten Anträge zu bearbeiten, die für die Zulassung von diversen CBD-Produkten als Novel Food gestellt wurden. Die Kommission begründet dies damit, dass überprüft werden soll, ob Cannabidiol nicht vollständig unter das Arzneimittel- bzw. Betäubungsmittelgesetz fallen soll. Etwa 50 Unternehmen hatten bereits Anträge für die Zulassung ihrer Produkte als neuartige Lebensmittel gestellt. Diese Antragsverfahren der CBD-Industrie sind nun komplett angehalten worden. Als Nächstes will man von den Antragstellern ein Feedback zum Vorschlag der, der im Falle der Umsetzung die CBD-Industrie nahezu vollständig verschwinden lassen würde.
Der restriktive Schritt der EU-Kommission wird unter anderem auf den Einfluss der Lobby der Pharmaunternehmen zurückgeführt. Diese will gerne den Handel mit cannabidiolhaltigen Produkten für sich beanspruchen. Das könnte also bedeuten, dass CBD künftig nur noch über eine ärztliche Verschreibung zu haben wäre. Deswegen stößt das Vorhaben der Kommission also auch bei den Apothekern und ihren Verbänden auf breite Zustimmung. CBD könnte also nicht nur wesentlich schwieriger zu erhalten sein, sondern es könnte auch noch viel teurer werden, denn die Hersteller müssten dann über ein Apothekenlager verfügen und auch über die speziellen Sicherungssysteme für Arzneimittel. Für den normalen Verbraucher wäre CBD in dem Fall unerschwinglich, da die Preise dann um ein Vielfaches höher würden.
Die Praxis eines restriktiveren Kurses hat in Deutschland bereits begonnen, indem Nordrhein-Westfalen CBD als Lebensmittel verboten hat und der Handel mit CBD-Produkten als Lebensmittel als strafbar gilt. Dies geschieht in einem Zeitraum, in dem eigentlich die ganze Welt den gesetzlichen Rahmen für CBD und Nutzhanf lockert und den Menschen den Zugang zu den gesundheitsfördernden Nahrungsergänzungsmitteln erleichtert. Auch die WHO hatte angeregt, Cannabidiol aus den UN-Konventionen zu entfernen, die den Umgang damit beschränken, da sich die Substanz als hervorragend verträglich und unbedenklich erwiesen hat.
Inwieweit die Meldungen über das Vorhaben der EU-Kommission nun Substanz haben oder auf Gerüchten basieren, ist schwer mit gesicherten Quellen zu belegen. Dennoch steht fest, dass manche Behörden bereits einen harten Kurs gegen Hanfprodukte und Cannabidiol fahren möchten. Dies zeigt sich unter anderem in Razzien in Shops, die Nutzhanferzeugnisse anbieten. Während große Einzelhandelsketten, die etwa Hanftees verkaufen, bis dato noch nicht behelligt wurden, hat man es anscheinend gezielt auf die kleinen Geschäfte abgesehen, die sich als Fachgeschäft für Hanfprodukte etablieren möchten. Da Deutschland im Vergleich zu Nachbarländern Österreich und Schweiz noch einen verstärkten Kampf gegen den Umgang mit Nutzhanfblüten kämpft, wäre es jedenfalls kaum verwunderlich, dass eine von Deutschland geführte Kommission der EU sehr gerne den Novel Food Anträgen Steine in den Weg legen möchte.
Selbstverständlich setzt sich auch der für die Hanfindustrie zuständige Verband, die European Industrial Hemp Association (EIHA), mit den vermeintlichen Vorhaben der EU-Kommission auseinander, da diese ja unmittelbar auch die Interessen der hiesigen Nutzhanfbranche betreffen. Mit dem Präsidenten der Organisation, Daniel Kruse, haben wir uns daher über die Entwicklungen unterhalten.
Hanf Magazin: Was hältst Du von den Meldungen? Ist da was dran?
Daniel Kruse: In Vorbereitung für eine gemeinsame Position der Europäischen Union für eine Abstimmung über die Reklassifizierung von Cannabis überlegt die EU-Kommission, alle Hanfextrakte in Übereinstimmung mit der Single Convention von 1961 generell als Betäubungsmittel einzustufen, sodass sie den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht mehr zugänglich und auch ein Novel Food Antrag ausgeschlossen wäre. In der Tat haben ca. 50 Unternehmen entsprechende Schreiben der Kommission erhalten, mehrere sind uns von unseren Mitgliedern vorgelegt worden. Dabei beruft sich die Kommission ausdrücklich auf die Anlage eins der Single Convention, wo Cannabis-Extrakte aufgeführt sind. Diese Entwicklung war nicht vorauszusehen und hat die gesamte Branche überrascht.
Die EU-Datenbank für kosmetische Inhaltsstoffe hatte die Verwendung von Cannabisextrakten in Kosmetika unter Berufung auf das Einheitsübereinkommen der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 bis zum vergangenen Jahr eingeschränkt. Grundlage hierfür war die europäische Kosmetikrichtlinie, die in Art. 14 direkt auf den Anhang 1 Single Convention verweist und die Verwendung dort aufgeführte Stoffe in Kosmetik untersagt. Im Anhang I der Single Convention werden Cannabis und Cannabisharz, aber auch Cannabisextrakte (Extracts of Cannabis) als Droge gelistet. Im Oktober wurde von der Europäischen Kommission im Anschluss an die Lobbyarbeit der EIHA, Cannabisblätterextrakt unter einem separaten INCI-Titel ohne jegliche Einschränkungen in die CosIng-Datenbank aufgenommen.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 b) der Single Convention sind die Blätter, wenn sie nicht mit der Blüte einhergehen, nämlich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Ebenso ist Cannabis für industrielle Zwecke in Art. 28 Abs. 2 der Single Convention ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Diese Argumentation der EIHA in einem entsprechenden Positionspapier konnte die Europäische Kommission im letzten Jahr noch überzeugen, sodass zumindest erst einmal Hanfextrakte aus Blättern bzw. korrekt nach INCI „Cannabis Sativa Leaf Extract“ in der Verwendung von Kosmetik zulässig wurde.
EIHA wird mit allen Mitteln in Brüssel gegen diese „vorläufige Meinung“ der Europäischen Kommission argumentieren und alles in unserer Macht Stehende tun, um sämtliche „Stakeholder“ zu überzeugen, dass die europäische Hanf-Lebensmittelindustrie nicht nur auf Samen beschränkt sein darf. Das würde das Ende der europäischen Hanfindustrie, insbesondere gegen den internationalen Wettbewerb bedeuten. Wir sind auch guter Dinge, dass das ganze letztlich nur ein Sturm im Wasserglas war und die eindeutigen Ausnahmetatbestände der Single Convention angewendet werden.
Hanf Magazin: Wie wahrscheinlich ist es, dass so etwas umgesetzt werden kann angesichts einer bestehenden blühenden CBD-Industrie?
Daniel Kruse: Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof hat im aktuell laufenden Fall Kanavape, der gerade vor dem Gerichtshof anhängig ist, ausdrücklich auch auf Art. 28 Abs. 2 der Single Convention hingewiesen und ausgeführt, dass der Anbau von Hanf nicht der internationalen Kontrolle unterliegt, solange er für industrielle Zwecke bestimmt ist.
In der Regel folgt der Europäische Gerichtshof den Schlussanträgen des Generalanwalts. Die Argumentation des Generalanwalts ist überzeugend im Hinblick auf das Einheitsübereinkommen und auch die Position der europäischen Hanfindustrie, die sich ebenfalls dafür ausspricht, Hanf für industrielle Zwecke, d. h. auch für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie generell vom Anwendungsbereich des Einheitsübereinkommens auszunehmen. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, mit der ab September 2020 zu rechnen ist, wäre eine verbindliche Auslegung der europäischen Gesetzgebung. Nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die EU-Institutionen, die selbst nicht an diesem Verfahren beteiligt waren, wären dann an diesen „Präzedenzfall“ gebunden.
Hanf Magazin: Denkst Du, dass es vielleicht einige EU-Staaten geben wird, die sich gegen eine solche Entwicklung positionieren werden?
Daniel Kruse: Die EU-Kommission besteht aus 27 Mitgliedern, und jedes Land stellt einen eigenen Kommissar. Diese Entscheidung kann mit einfacher Mehrheit getroffen werden, wobei manche Länder einen stärkeren Einfluss ausüben als andere. Unser Büro in Brüssel wird jede relevante Generaldirektion persönlich anschreiben, auf dieses Problem aufmerksam machen und unsere Argumente vorbringen. Selbst die Generaldirektion „Fischerei“ wäre hiervon betroffen, da Hanfsamen auch im großen Stil in der Fischfütterung eingesetzt werden. Wenn aber Hanfblätter nicht wirtschaftlich genutzt werden können, dann werden die europäischen Hanfsamen, insbesondere für den Futtermittelbereich, preislich nicht mehr konkurrenzfähig sein. Wir gehen davon aus, dass wir mit unseren guten Argumenten positiven Einfluss auf diese vorläufige Meinung der EU-Kommission nehmen werden.
Hanf Magazin: Was kann dagegen unternommen werden, seitens der Branche, seitens Aktivisten und Interessengruppen, seitens EIHA und BvCW?
Daniel Kruse: Wir regen an, sich einzumischen. Das kann jede und jeder Einzelne tun, indem er seine zuständigen Bundestags- oder Landtagsabgeordneten anschreibt oder Petitionen unterschreibt, wie gerade auf change.org. Betroffenen Unternehmen raten wir, behördliche Entscheidungen wie Vertriebsverbote nicht einfach hinzunehmen, sondern sich auch gerichtlich zur Wehr zu setzen. Unser Verband hilft jedem Unternehmen mit unseren Positions- und Strategiepapieren, die wir für unsere Mitglieder erarbeiten und zur Verfügung stellen.
An den Bemühungen der EU-Kommission, der Hanfindustrie weitere Beschränkungen aufzuerlegen, ist also wirklich etwas dran. Doch die letzten Worte sind hier noch lange nicht gesprochen. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Probleme, die Europa durch die Covid-19 Pandemie hinnehmen muss, wäre es geradezu absurd, eine aufstrebende Branche mit bürokratischen Mitteln in die Knie zu zwingen und ihr die internationale Konkurrenzfähigkeit zu nehmen. Gespannt werden wir in den kommenden Wochen mitverfolgen und darüber berichten, wie sich dies alles weiterentwickeln wird.