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Mit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes im April vergangenen Jahres veränderte sich auch der Umgang bezüglich Cannabis in der Medizin. Da nicht länger ein Betäubungsmittelrezept (BtM-Rezept) von Ärzten ausgestellt werden muss und der Patient nicht zwangsläufig mit gewöhnlichen Medikamenten therapiert worden ist, bekommt man Cannabis aus der Apotheke wesentlich einfacher als noch zuvor.
Auch haben sich Anbieter von Tele-Medizin im Internet mit Portalen ausgebreitet, über die man recht unkompliziert Privatrezepte für Hanfmedizin bei verschiedensten Krankheiten oder Beschwerden erhalten kann. Apotheken beklagten daher schon in der Vergangenheit, dass möglicherweise Missbrauch mit Medizinalhanf seitens Genusskonsumenten betrieben werden könnte.
Dass der Verbrauch von Cannabis für medizinische Zwecke in jedem Fall um ein Vielfaches gestiegen ist, darüber gab jetzt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Auskunft. Im Vergleich zum ersten Quartal hat sich die importierte Menge Cannabis im vierten Quartal 2024 sogar fast vervierfacht.
Sprunghaft Zugenommen
Als Grund für die als „exorbitant“ bezeichnete Zunahme der Cannabisimporte im Jahr 2024 werden seitens Experten die gelockerten Bestimmungen zur Verschreibung genannt. Während im ersten Quartal noch 8,1 Tonnen über Kanada, Portugal, Dänemark, Nordmazedonien und Spanien nach Deutschland kamen, waren es im zweiten Quartal bereits 11,6 Tonnen. Im dritten Quartal betrug die Importmenge dann bereits 20,7 Tonnen. Nahezu eine Vervierfachung wurde 2024 im vierten Quartal im Vergleich zum ersten Quartal des Jahres mit 31,7 Tonnen erreicht.
Mehr als 72 Tonnen getrocknete Cannabisblüten wurden somit 2024 für medizinische und wissenschaftliche Zwecke nach Deutschland importiert, während im Land selbst nur 2,6 Tonnen unter Lizenz hergestellt worden sind. Ein Vergabeverfahren regelt die genaue Produktionsmenge, die auf vier Jahre festgelegt worden ist. Der größte Exporteur von Medizinalhanf ist dabei Kanada mit 33 Tonnen. Portugal verkaufte 17 Tonnen und Dänemark circa 7,4 Tonnen. Nordmazedonien brachte 2,7 Tonnen auf die Wage, Spanien 2,2. Auch wenn Experten die gelockerten Bestimmungen als Grund für die starke Zunahme nennen, wird dies nicht vom BfArM bestätigt.
Online-Anbieter machen es leicht
Der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Markus Beier ist überzeugt davon, dass die vereinfachten Verschreibungen von Online-Anbietern ihren Teil dazu beigetragen haben, dass so viel mehr Cannabis in Deutschland über Apotheken vertrieben wird. Bei der starken Zunahme der Importmenge wäre davon auszugehen, dass der Großteil davon nicht von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu medizinischen Zwecken im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherungen verschrieben worden sei.
Online-Anbieter, die teilweise aggressiv mit der einfachen Verschreibung von Medizinalcannabis auf Privatrezepten als privat ärztliche Leistung im Internet werben würden, machten den Unterschied aus, so Beier. Aus seiner fachlichen Sicht käme jedoch eigentlich nur ein relativ enger Kreis für die Behandlung mit Cannabis infrage. Zu diesen zählten unter anderem Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose oder bei der Palliativversorgung. Dennoch sieht Baier einen Vorteil in der Entbürokratisierung, der es für eine klar umrissene Gruppe, für die eine medizinische Indikation besteht, leichter macht, über niedergelassene Ärztinnen und Ärzte an Cannabismedizin zu gelangen.
Dass der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei Verschreibung durch Ärztinnen und Ärzte bestimmter Fachrichtungen gestrichen worden wäre, sei sinnvoll gewesen. Zuvor wurde eine Behandlung mit der natürlichen Medizin bei betroffenen Patientinnen und Patienten, bei denen wirklich eine medizinische Indikation vorlag, schließlich erschwert .
Henrik Herrmann, der Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, fordert hingegen aktuell von der Politik, dass Cannabis nicht online bestellt werden dürfe und vor der Verschreibung unbedingt ein persönlicher Patienten-Arzt-Kontakt hergestellt werden müsse. Cannabis dürfe zudem nicht beworben und müsse seiner Meinung nach nur aus einer sicheren Quelle an die Nutzer weitergegeben werden.