Wie wichtig Hefe in unserem Alltag ist, darüber sind sich heute viele Menschen gar nicht mehr bewusst. Unser Brot holen wir vom Bäcker und Bier oder Wein stellen wir auch nicht mehr selbst her. Tatsächlich benötigen all diese Sachen, und noch viele mehr, Hefe in ihrer Herstellung.
Der Hefepilz hat die Eigenschaft in den Zubereitungs- oder in Reifeprozessen chemische Reaktionen auszulösen, die die Mischung von Zutaten in ein neues Produkt transformiert. Der Bäcker nimmt die Hefe, damit sein Brot im Ofen aufgeht und luftig wird. Bei Bier und Wein wandelt die Hefe den Zucker in Alkohol um. Jetzt sind findige Forscher einer neuen, faszinierenden Nutzungsmöglichkeit für Hefe auf der Spur. Sie wollen aus den Pilz-Organismen Cannabinoide gewinnen.
Hefe-Mikroben sollen Cannabinoide erzeugen
Durch gezielte Reaktionen wollen die Wissenschaftler Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) aus Hefe gewinnen. Indem man Bierhefe mit den Genen von Cannabispflanzen impft, soll man sie in kleine Fabriken für die Cannabinoide verwandeln können. Je nachdem, mit welchen Enzymen man arbeitet, produzieren die Hefen entweder THC oder CBD. Im Prinzip müssen die Hefen mit Genen von Hanfpflanzen bearbeitet worden sein, die dazu in der Lage sind, die Ursprungssubstanz aller Cannabinoide herzustellen, CBGA.
Enzyme entscheiden über THCA oder CBDA
CBGA ist eine Säure, die Cannabis hervorbringt. Diese ist der Ausgangsstoff, aus dem sich alle Cannabinoide entwickeln. Möchte man mit der Hefe THC herstellen, wird zunächst ebenfalls CBGA erzeugt. Ein spezielles Enzym wandelt das CBGA in THCA um, welches dann durch Decarboxylierung zu THC wird. Diese Prozesse laufen also analog zu den natürlichen Vorgängen in der Cannabispflanze ab.
Bei Verwendung eines anderen Enzyms produziert die Hefe CBDA, welches beispielsweise durch Erhitzen zu CBD wird. In Cannabisblüten sind die Cannabinoide ebenfalls in Form ihrer Säure vorhanden, also CBDA und THCA. Erst das Erhitzen beim Rauchen oder im Vaporizer entfernen das Säure-Molekül und machen die Substanzen für unseren Körper verfügbar.
Warum Cannabinoide aus Hefe herstellen?
Warum die Wissenschaft und auch viele Cannabis-Unternehmen an solchen Methoden zur Herstellung von Cannabinoiden interessiert sind, ist durch den Aufwand begründet. Die Arbeit mit der echten Cannabispflanze ist schwieriger und mühsamer. Zuerst einmal benötigt das Züchten des Materials viel Zeit, Wasser und Energie (hauptsächlich die Indoor-Zucht). Dann ist die Extraktion bestimmter Cannabinoide aus der Blume ebenfalls nicht unproblematisch. Sie benötigt komplexe Apparaturen und strenge Kontrollen.
Die Chancen, dass bei Extraktionsverfahren Verunreinigungen im Extrakt verbleiben, ist hoch. Außerdem ist das Arbeiten mit Cannabis für Wissenschaft und Industrie je nach Standort auch mit erheblichen bürokratischen Hürden verbunden, vor allem, wenn man die Pflanzen selbst anbauen muss. All diese Dinge fallen weg, wenn man Cannabinoide mit Hefe herstellt. Man hätte also eine Möglichkeit ganz direkt, ohne den Umweg über die Pflanze, Cannabinoide herzustellen.
Gerade Unternehmen, die Getränke oder Lebensmittel damit herstellen möchten, würden solch schnelle und einfache Verfahren begrüßen. Es würde wohl auch die Preise für deren Produkte dauerhaft senken. Da man aber die Gene der Pflanzen für die Methode doch benötigt, wird sie niemals ohne die echte Cannabispflanze auskommen.