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Eigentlich grenzt es schon beinahe an ein Wunder, dass das Geschäft mit Produkten, die den Cannabis-Wirkstoff Cannabidiol, kurz CBD, beinhalten, in den vergangenen Jahren so gut gedeihen konnte, denn die Hanfpflanze ist immer noch sehr restriktiven Gesetzen unterworfen. Die wenigen Möglichkeiten, legal mit Hanf zu arbeiten, sind „überschaubar“. Schnell stößt man an Grenzen, rechtliche Graubereiche und überschreitet die Schwelle der Legalität.
Ein Beispiel dafür ist die Novel Food Verordnung. Die gegenwärtigen Debatten beziehen sich hier auf legalen Nutzhanf, dennoch dürfen daraus gewonnene Erzeugnisse nicht einfach frei vermarktet und gehandelt werden. Die Industrie versammelt sich hinter der European Industrial Hemp Association (EIHA) und dem Branchenverband der Cannabiswirtschaft (BVCW), um faire Bedingungen und ein progressiveres Regelwerk zu fordern. Insbesondere die EIHA bemüht sich einerseits um eine Beweisführung, die naturbelassene Hanfextrakte aus dem Novel Food Katalog entfernen soll, und andererseits um die Durchführung von Zulassungsverfahren für mit CBD-Isolaten angereicherten Produkten.
In jüngster Vergangenheit gab es Meldungen, die ankündigten, dass ein Pharma-Großhändler Verkäufer von CBD-Produkten den Behörden meldete und einen Vertriebsstopp forderte. Bei dem Großhändler handelte es sich um die Cannamedical GmbH, ein deutsches Vertriebsunternehmen für medizinisches Cannabis. Seit den Medienberichten werden die Geschehnisse kontrovers diskutiert und die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Problematisch ist an dieser Stelle, dass viele Menschen, die sich an öffentlichen Debatten beteiligen, nicht im Besitz umfassender Informationen sind. Damit das nicht so bleibt, war es auch uns ein Anliegen, die Geschichte aus der Perspektive des Unternehmens Cannamedical zu betrachten. Dafür hatten wir uns mit dem CEO, David Henn, in Verbindung gesetzt, der uns bereitwillig Auskunft zur Situation und dem Standpunkt seines Unternehmens gab.
Hanf Magazin: Cannamedical Pharma hat CBD Hersteller und Vertriebe angeschrieben und darauf hingewiesen, dass Extrakte aus Cannabis und daraus gewonnene, cannabinoidhaltige Produkte, als Novel Food eine Zulassung benötigen. Ohne diese seien sie nicht verkehrsfähig, dürfen also nicht in den Handel gebracht werden. Warum diese Initiative?
David Henn: Wir beobachten eine stetig wachsende Zahl an Wettbewerbsverstößen, unzulässigen Werbebotschaften, fehlerhafter Etikettierung, Gefährdung des Patientenwohls durch Überschreitung von Grenzwerten und Verunreinigungen im CBD Segment. Wir wollen verhindern, dass CBD durch nicht korrekt zugelassene Produkte negativ in der Presse auftaucht und somit der gesamte Markt geschädigt wird.
Hanf Magazin: Es heißt, die Unternehmen, die solche Produkte ohne eine Zulassung vertreiben, verschaffen sich einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil. Kannst Du erklären, inwiefern bzw. warum das so ist?
David Henn: Es ist wenig bekannt, dass Cannamedical bis zum Erscheinen der neuen Novel Food Klassifizierung im Februar 02/2019 selbst CBD Öle als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben hat. Anders als andere Marktteilnehmer haben wir diese Regeln akzeptiert und Lagerbestand im mittleren fünfstelligen Bereich vernichtet und abgeschrieben – obwohl diese Produkte in einem deutschen akkreditierten Labor vor der Vermarktung umfassend und kostenintensiv qualitätskontrolliert wurden. Nur weil alle etwas tun, ohne dass bisher Behörden einschreiten, macht es das deshalb nicht legal. Eindeutig ist, dass ausschließlich verschreibungspflichtige, GMP-zertifizierte CBD-Lösungen in pharmazeutischer Qualität in Deutschland erlaubt sind.
Diese stehen somit im Bereich der CBD-Lösungen aktuell als einzige zugelassene Therapielösung für Patienten mit unterschiedlichen Indikationen zur Verfügung. Dass eine wachsende Zahl an Händlern ihre Produkte mit einem Augenzwinkern als Kosmetik und Aromatherapie vertreibt, täuscht nicht über die mangelnde Verkehrsfähigkeit hinweg und bewerten wir eher als stillen Rückzug in eine vermeintliche Grauzone – die keine ist. CBD Produkte in pharmazeutischer Qualität in Deutschland auf den Markt zu bringen ist erheblich kostenintensiver und somit verschaffen sich Firmen, die versuchen dies zu umgehen, einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil.
Hanf Magazin: Parallel zu den Anschreiben, in denen die Unternehmen unter Fristsetzung dazu aufgefordert werden, den Vertrieb o. g. Produkte einzustellen, sind die Firmen den zuständigen Behörden gemeldet worden. Wäre es nicht möglich gewesen, den Behörden eine Meldung erst dann zu machen, wenn der Vertrieb der CBD-Produkte innerhalb der gesetzten Fristen nicht eingestellt wird?
David Henn: Es wäre ebenfalls möglich gewesen, gegen Händler eine Unterlassungsverfügung zu erwirken. Es ist aber nie in unserem Interesse gewesen, schwächere Markteilnehmer in existenzbedrohende Situationen zu bringen. Zusammenfassend haben wir eine überwiegend positive und konstruktive Rückmeldung von Unternehmen erhalten, denen die mangelnde Verkehrsfähigkeit ihrer CBD-Produkte und Kosmetik vor unserem Hinweis gar nicht klar war. Einige dieser Unternehmen haben sich sogar zusammengeschlossen, um eine Novel Food Applikation inklusive toxikologischem Gutachten zu erstellen – was wir im Sinne der Patientensicherheit sehr begrüßen.
Hanf Magazin: Die Abmahnungen, die wohl nicht rechtsverbindlich sein sollen, sollen in Zusammenhang stehen mit dem CBD-Rezeptur-Kit, das Cannamedical als Rezepturarzneimittel in den Apotheken hat. Ist das richtig?
David Henn: Wir haben keine Abmahnungen verschickt, wir haben lediglich die anderen Marktteilnehmer zur rechtlichen Situation aufgeklärt. Wie schon erläutert, sehen wir einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil im Vertreiben von CBD-Produkten, die nicht die komplexen pharmazeutischen Regeln beachten, die Cannamedical und auch andere Marktteilnehmer jedoch sehr wohl beachten.
Hanf Magazin: In Bezug auf die Einordnung als Novel Food gibt es ja unterschiedliche Ansätze. Die EIHA beispielsweise vertritt hier eine Position, die auch viele Unternehmer teilen. Der zufolge sollten Extrakte und daraus hergestellte Produkte nicht Novel Food sein, wenn sie die natürlichen Konzentrationen und Zusammensetzungen an Cannabinoiden und anderen Inhaltsstoffen enthalten. Wie stehst Du dazu bzw. Cannamedical?
David Henn: Ich kenne die Argumente und Aussagen des EIHA und schließe mich der Perspektive nicht an. Klar ist, im Januar 2019 erfolgte durch die EU-Kommission die Aufnahme von Cannabinoiden in den sogenannten Novel Food-Katalog. Lebensmittel, die Extrakte der Pflanze Cannabis sativa L. (damit unter anderem auch Cannabidiol) enthalten, fallen laut EU-Kommission unter die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 über neuartige Lebensmittel – die sogenannte Novel Food-Verordnung (NFV) und sind demnach zulassungspflichtig. Die NFV regelt die Zulassung von Lebensmitteln und Lebensmittelzutaten, die vor dem 15. Mai 1997 in der Europäischen Union noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden.
Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags veröffentlichte im Juli 2019 dazu eine Ausarbeitung über die Verkehrsfähigkeit von cannabidiolhaltigen Lebensmitteln, in der es heißt: „Mit der Einordnung von CBD als neuartiges Lebensmittel bedarf dieses vor dem Hintergrund der Gewährleistung eines hohen Niveaus beim Schutz der Gesundheit des Menschen und eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts gemäß Art. 6 NFV einer europarechtlichen Zulassung, bevor es in den Verkehr gebracht werden darf.“
In Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zuständige Stelle für die Klärung der Frage, ob ein Erzeugnis in den Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung fällt oder nicht. Nach aktuellem Stand sind demnach CBD-haltige Erzeugnisse, Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel (wie CBD-Öle, CBD-Pastillen etc.) zulassungspflichtig und dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.
Eine Debatte, ob Cannabis bereits vor 1997 als Lebensmittel im Umlauf war, lenkt dabei von der eigentlichen Problematik der mangelnden Produktsicherheit und Überschreitung von Grenzwerten ab. Wären diese Verstöße nicht wiederholt festgestellt worden, wäre die EU-Kommission gar nicht erst eingeschritten. Obendrein missversteht die EIHA auch die alte Fassung des Novel Food Eintrags und speziell die Formulierung „mit CBD angereicherte Hanfextrakte“ – wie auch wieder kürzlich gezeigt nach der Veröffentlichung des Amtsblattes 48 der Stadt Köln. Ein Hanfextrakt, das aus einer Blüte, Blättern oder Stängeln gewonnen wird, ist immer angereichert, denn nach der Extraktion ist der Prozentsatz an CBD in dem Extrakt höher, sprich „angereichert“, als ursprünglich in der Blüte oder anderen Bestandteilen der Pflanze.
Hanf Magazin: Man sagt, mit den Anschreiben an die Unternehmen und den Meldungen bei den Behörden hat Cannamedical sich nicht gerade beliebt gemacht. Wie gehst Du, bzw. wie geht Cannamedical damit um?
David Henn: Cannamedical ist nicht das einzige und auch nicht das erste Unternehmen, das auf die fehlende Verkehrsfähigkeit von CBD nach der Novel Food Regulierung aufmerksam macht. Das Bundesinstitut für Risikobewertungen hat bereits im November 2018 darauf hingewiesen, dass Tetrahydrocannabinolgehalte in vielen hanfhaltigen Lebensmitteln die zulässigen Grenzwerte überschreiten.
Es wurden zwischen 2018 und 2019 Proben von 49 Herstellern im amtlichen Labor analysiert, mit dem klaren Ergebnis, dass 11 Proben als gesundheitsschädlich und weitere 17 Proben als für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet beurteilt wurden. Zusammenfassend war somit mehr als jede 2. Probe als nicht sicher zu beurteilen.
Wir erleben im Alltag genau das Gegenteil und haben viel Zuspruch von Patienten bekommen, haben aber auch Kontroversen erwartet. Unsere Argumente beschreiben rational, warum wir zum Wohl der Patienten handeln, die eine zuverlässige und risikofreie Therapie brauchen. Grauzonen oder Tricks wie die Deklaration als Aromatherapie anzuwenden, um Produkte auf den Markt zu bringen, ist hier der falsche Weg und wird nicht zur fairen Behandlung dieser einzigartigen Pflanze beitragen.