Am 16.08.2023 hat das Bundeskabinett den Weg für den Entwurf des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ frei gemacht, sodass das kurz genannte CannaG in naher Zukunft zur Abstimmung in den Bundesrat und Bundestag gelangen wird. Wenig hat sich an den zuvor bekannten Kriterien geändert, die den Umgang mit Cannabis in Zukunft bestimmen sollen, sodass es von den verschiedensten Seiten unterschiedliche Resonanzen gibt.
Während es den Legalisierungsbefürwortern, der Industrie und mancher politischen Fraktion nicht weit genug geht, ist es für Kritiker des Vorhabens ein Schritt in die vollkommen falsche Richtung. Wie immer werden auf dieser Seite die Gefahren in den Vordergrund gerückt, die mit der Freigabe von Marihuana zu Genusszwecken erwachsener Bundesbürger und Bewohnern des Landes einhergehen könnten und besonders die Gesundheit der Jugend gefährden würden.
Aus Sicht aufgeschlossener denkenden Personen sieht man dagegen die vielen Hürden und möglichen Probleme, die aufgrund der vielen Richtlinien zu einer Problematik bei der fachgerechten Umsetzung der Teillegalisierung führen könnten. So schallen nun direkt nach dem wichtigen Erfolg für über vier Millionen gewöhnlicher Cannabiskonsumenten, die zukünftig nicht länger eine Strafverfolgung befürchten müssen, die Stimmen aus allen Ecken, die den Entwurf des CannaG teils scharf kritisieren.
Der neue Weg in der Cannabispolitik geht viel zu weit
Der schon lange gegen die Legalisierung von Cannabis wetternde Gesundheitsminister von Bayern, der einmalige Klaus Holetschek, wurde nach dem Beschluss im Kabinett natürlich sofort wieder mit alten Phrasen laut. Für ihn ist das Vorhaben, Cannabis in einer Menge von bis zu 25 Gramm für den Eigenbedarf von Erwachsenen zu legalisieren, ein Beweis einer existierenden „Kiffer-Ideologie der Ampelkoalition“ und eine Entscheidung, die dem „gesunden Menschenverstand“ widerspreche. Es wäre ein „aberwitziger Legalisierungskurs“, den die Ampel ohne Stopp weiterverfolgen würde, obwohl es seitens Polizei, Justiz und auch Medizinern diesbezüglich nur breite Kritik gegeben hätte.
Es sei „unverantwortlich“, was die Regierung hier täte, so Holetschek auf dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Für ihn wäre es unverständlich, wie der Bundesgesundheitsminister „wider besseres Wissen und entgegen aller Vernunft und entgegen den Ratschlägen vieler Experten“ für ein Konzept einstehen könne, das eine „große Gefahr für die Gesundheit gerade junger Menschen“ bedeuten würde. Auch Alexander Dobrindt, der ehemalige Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, der mit einer gehörigen Portion von Skandalen in Verbindung steht, sieht den „Kompass“ in der Koalition aus SPD, Grünen und FDP völlig verloren.
Der weiterhin als CSU-Landesgruppenchef agierende Politiker – den man in gewissen Maße auch mit der gescheiterten Pkw-Maut in Verbindung bringt und dem Prüfer des Bundesrechnungshofes betreffend gewisser Abteilungen den Mangel an strukturierten Vorgehensweisen vorwerfen – schimpft über die Pläne im Allgemeinen. Nie zuvor habe sich eine Bundesregierung in eine so sensiblen Frage derartig dreist über die Warnungen nahezu aller Experten aus Medizin, Polizei und Justiz hinweggesetzt, so Dobrindt, ohne auch nur im Geringsten auf die Tatsachen der gescheiterten Cannabispolitik einzugehen.
Wie bei der Union üblich wird einfach nur der Holzhammer mit alten Argumenten gefüttert und alternative Lösungsansätze bleiben aufgrund des fehlenden Vorhandenseins unausgesprochen. Die AfD macht es sich aber noch etwas bequemer und wiederholt die mittlerweile widerlegte These, dass das auch medizinisch einsetzbare Cannabis eine Einstiegsdroge wäre und gerade Jugendliche nun die „fatalen Folgen“ der Legalisierung mit ihrer Gesundheit bezahlen würden.
Der neue Weg in der Cannabispolitik geht nicht weit genug
Aufseiten der Befürworter des dringend nötigen Umschwungs in der Cannabispolitik sowie der Industrie und den Interessenvertretungen, wie dem Deutschen Hanfverband, sieht man die Entwicklung zwar mit Wohlwollen, jedoch wünscht man sich noch weitere Veränderungen, die die gesamte Situation verbessern könnten. Begrüßt wird das CannaG beispielsweise vom Branchenverband der Cannabiswirtschaft (BvCW) in einem Newsletter, der extra wegen der Kabinettsentscheidung verschickt worden ist. Darin heißt es, dass es ein „klarer Fortschritt“ wäre, wenn Cannabis jetzt aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden würde.
Anbauvereinigungen, die sogenannten Cannabis Social Clubs (CSCs), und die Entkriminalisierung von Konsumenten zählten ebenfalls zu den begrüßenswerten Fortschritten. Doch man hofft seitens des BvCW auf weitere Nachbesserungen verschiedener Aspekte während des parlamentarischen Verfahrens. So wird das zweifelhaft betrachtete Missbrauchspotenzial von Nutzhanf angesprochen, das in Zukunft keine Geltung mehr haben sollte. Dieses als „Rauschklausel“ bezeichnete Kriterium führte schließlich in der Vergangenheit schon zu schwer nachvollziehbaren Beschlagnahmungen von Nutzhanffeldern und strafrechtlichen Verfolgungen vieler Gewerbetreibender. Daher wäre es aus Sicht des BvCW auch sinnvoll, ein eigenständiges Nutzhanf-Gesetz (NutzhanfG) einzuführen.
Ebenfalls müsste bezüglich des Einsatzes von Medizinalhanf nachgebessert werden. Die Vereinfachung des innerdeutschen Anbaus, die Stärkung der Therapiefreiheit von Ärztinnen und Ärzten, die Förderung der Forschung sowie die Verbesserung der Erstattungen stehen beim BvCW ebenfalls im Vordergrund. Um den Schwarzmarkt jedoch tatsächlich durch die Gesetzesänderung verdrängen zu können, müsste dazu schnellstmöglich die zweite Säule der Legalisierung in Angriff genommen werden. Modellprojekte mit einer „professionellen Bereitstellung hochqualitativer Genusscannabisprodukte durch die Wirtschaft“ wären dafür zwingend nötig.
Erfreulich sei es aber gewesen, dass man dazu hätte beitragen können, dass ein bislang vorgesehenes Extraktionsverbot von CBD wieder gestrichen wurde. Insgesamt sei der vorliegende Gesetzentwurf die wichtigste Reform seit Einführung der regulären Verschreibungsfähigkeit von Medizinalcannabis im Jahr 2017, berichtet der Branchenverband der Cannabiswirtschaft in seiner Mail.
Der Deutsche Hanfverband freut und ärgert sich zugleich
So wie es der BvCW sieht, sieht es auch der Deutsche Hanfverband (DHV). Natürlich ist es ganz im Interesse der Konsumentenvertretung, dass endlich eine Entkriminalisierung stattfindet und künftig keine Strafverfahren mehr wegen eines Joints eingeleitet werden müssen. Doch, dass man mit den schwierig zu betreibenden CSCs und einzig über begrenzten Eigenanbau den Schwarzmarkt zurückdrängen kann, wird auch beim DHV bezweifelt. Daher fordert man dort auch weiterzudenken, als es aktuell getan wird.
Nur mit einer flächendeckenden Einführung von Cannabis-Fachgeschäften für Erwachsene könne der Handel im illegal agierenden Milieu letztlich wirklich eingedämmt werden. Ebenso wäre es nicht weit genug gedacht, dass der Konsum in den künftig für die Versorgung verantwortlichen Social Clubs nicht erlaubt sein soll. Hier wären die Regeln auch insgesamt zu streng. Abstandsregeln der Vereine, Abstandsregeln beim Konsum und kleine Überschreitungen des künftig gesetzlich Erlaubten mit hohen Geldstrafen oder gar Gefängnis zu ahnden, sei nicht einem fairen Maß entsprechend, so der DHV. Die derzeit bekannten Grenzen, betreffend der erlaubten Mengen, würden ohnehin eher willkürlich erscheinen.
Doch man wäre zuversichtlich, dass diese und viele weitere Probleme im Detail nun im parlamentarischen Verfahren angegangen werden können. So sagte DHV-Sprecher Georg Wurth, dass der 16.08.2022 vor allem deshalb ein guter Tag sei, weil jetzt das Parlament die Hoheit über die weiteren Beschlüsse habe und nicht mehr Karl Lauterbach am langen Hebel säße. Als Meilenstein auf dem Weg zur Reform der Cannabispolitik in Deutschland würde der Beschluss des CannaGs vom Bundeskabinett jedoch trotzdem bereits gewertet.
Patienten nicht Teil des Fortschritts
Wie auch bereits vom BvCW angesprochen wurde, löst das CannaG nicht die bestehenden Probleme aufseiten der dringend ihre natürlich Medizin benötigenden Cannabispatienten. Das sieht auch das größte Cannabis-Netzwerk Grünhorn als führende Gesundheitsmarke in diesem Sektor so. In einer Stellungnahme zu den Entwicklungen im Bundeskabinett führt das Unternehmen dies folgend aus: Der Patient würde im „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ leider komplett übersehen und stände damit weiterhin den derzeitigen Hürden bei seiner Behandlung gegenüber.
Trotz der kommenden Legalisierung würden aktuell noch über 40 Prozent der Patientenanträge bezüglich der Kostenübernahme von den Krankenkassen und vom Medizinischen Dienst abgelehnt, so Grünhorn. Auch dies hätte bedeutende Folgen für den Missbrauch auf dem Schwarzmarkt, wird angemerkt. Zwar sei die Legalisierung aus Sicht des Gründers des Grünhorn-Netzwerkes, Herrn Stefan Fritsch, der richtige Weg, um auch Vorurteile der Cannabistherapie abzubauen, doch fehlte die Berücksichtigung der Patienten im bisherigen Cannabis-Gesetzesentwurf. Ärzte und Krankenkassen müssten besser aufgeklärt werden, und hier sei ebenfalls die Politik gefordert. Neben den geplanten Aufklärungskampagnen bräuchte man Studien für die „Generierung von Evidenz“, so Fritsch. Er sieht es so, dass die Zahl derer, die sich am unregulierten Schwarzmarkt bedienen müssten, sofort geringer würde, wenn mehr Patientinnen und Patienten ein Rezept erhielten und dann auch einreichen dürften.
Die Linke grätscht irgendwo dazwischen
Selbst wenn der CannaG-Entwurf endlich einmal wieder von einer halbwegs gelungen Kooperation der drei Ampel-Parteien zeugt und die Drogenpolitik im Land definitiv verändern wird, erkennt die Partei die Linke nach eigenen Worten hier bloß einen typischen „Ampel-Murks“. In einer Mail der Pressestelle wird davon gesprochen, dass der Umgang mit Cannabis nun verkompliziert werden würde, anstatt – wie versprochen – legalisiert. Die Begrenzungen den Anbau betreffend würden willkürlich erscheinen und nur den Personen Sicherheit schenken, die sich an die Drei-Pflanzen-Regel halten würden. Hätte man vier Pflanzen zu Hause, gäbe es gleich Ärger mit der Polizei.
Nicht ganz unrichtig wird bemerkt, dass die Regeln für die CSCs unverhältnismäßig streng ausfallen und wohl viele Interessierte von den bürokratischen Hürden abgeschreckt werden könnten oder direkt daran scheitern werden. Insgesamt sei die Reform „unausgegoren und voller Widersprüche“. Karl Lauterbach würde schließlich keine Balance zwischen der kontrollierten Freigabe, der wichtigen Präventionsarbeit und der Bekämpfung des Schwarzmarktes finden können. Klar wäre für die Linksfraktion, dass Gesundheit- und Jugendschutz die Priorität darstellen müssten, weshalb die Cannabisfreigabe ab 18 Jahren stattzufinden habe – wie es das CannaG auch eigentlich vorsieht. Strafen solle es für Personen geben, die das berauschend wirkende Genussmittel auch an Minderjährige verkaufen würden. Minderjährige sollten aber bei Besitz nicht bestraft werden. Der Eigenanbau müsse „ohne Probleme“ erlaubt sein sowie auch der gemeinschaftlich organisierte Anbau in CSCs. Also wieder ähnlich, wie es der Gesetzentwurf vorsieht.
Gewünscht wird von der Linken dazu, dass der Handel auch online in einem „zweistufigen Verfahren“ ermöglicht werden müsse, und ein realistischer Grenzwert den Führerschein betreffend Einzug erhält. Man fordert daher, den Grenzwert für den Straßenverkehr zwischen 3 und 10 Nanogramm pro Milliliter Blut anzusetzen. Auch wieder etwas, was der aktuelle Verkehrsminister bereits kurz nach dem Beschluss im Kabinett gegenüber der Presse äußerte. Eine Anpassung des THC-Grenzwertes soll mit wissenschaftlichen Grundlagen für Cannabiskonsumenten stattfinden, sodass auch diese kritische Forderung der Linkspartei ein wenig zu verpuffen scheint.
Im großen Ganzen dürfte das leider bisher nicht vollständig abgeschlossene Projekt Cannabislegalisierung trotz einiger Unstimmigkeiten und möglicherweise auch willkürlich erscheinender Reglementierungen einer ganzen Menge kiffender Personen in Deutschland einen gewaltigen Schritt weiterhelfen. Auch wenn es die Kritiker des Vorhabens nach Dekaden des Scheiterns immer noch einmal mehr mit der Prohibitionsmethode versuchen und nicht aus ihren Fehlern lernen wollen, wird das gescheiterte Verbotsmodell grundlegend zu einem Besseren modernisiert.
Auch wenn das „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ bisher nicht alle Probleme löst und erst einen Beginn der Veränderung darstellt, so muss sich jeder Cannabisfreund darüber freuen können, dass nun endlich die ersten Früchte des jahrelangen Aktivismus peu à peu geerntet werden können. Dass es weiterhin unzufriedene Gesichter gibt, denen es entweder zu langsam oder auch viel zu schnell in die richtige oder falsche Richtung geht, gehört bei einer derartigen Entwicklung wohl einfach dazu. Oder wie der einstige Ministerpräsident von Frankreich, Aristide Briand, es einmal ausdrückte: „Ein Kompromiss ist dann vollkommen, wenn alle unzufrieden sind.“