Aus den extra finsteren Untiefen des Föderalismus stammen jene Meldungen, die derzeit in den Medien über eine mögliche Blockade der überfälligen Legalisierung von Cannabis zirkulieren. Als Bedenkenträger melden sich die üblichen Funktionäre von allerlei Verbänden, vor allem aber auch sendungsbewusste Landesfürsten, über deren „Argumente“ gegen eine THC Freigabe die internationale Forschung zur Hanfpflanze und ihren Effekten freilich nur noch lachen kann.
Normalerweise sollten solche Unkenrufe der Ampelregierung egal sein, weil das neue Cannabisgesetz die Zustimmung durch den Bundesrat gar nicht nötig hat. Aber wie gewohnt geht es hinter den Kulissen mal wieder um Ränkespiele und politisches Geschacher auf dem Rücken von Bürgern, Wählern, Steuerzahlern. Gefordert wird sogar eine Verschiebung vom 1. April auf kommenden Herbst. Droht den Justizbehörden wie verkündet wirklich die Überlastung durch neue Regeln, die beim Hanf doch eigentlich für weniger Behördenarbeit sorgen sollen?
Staatsanwaltschaft will keine Verfahren wegen Cannabis einstellen
Zwischen dem historischen Beschluss zur Legalisierung von Cannabis im Bundestag und der kommenden Beratung in der Länderkammer liegen knapp fünf Wochen, doch dieser Zeitraum erscheint einigen Bundesländern auf einmal zu knapp. Das von der SPD und den angeblich so Cannabis-freundlichen Grünen regierte Niedersachsen stimmt zusammen mit dem Failed State NRW über die geplagten Behörden der Justiz ein Klagelied an. Bürokratieabbau ist gerade ein politischer Trend und ein beliebtes Wording für alle Volksvertreter auf der Suche nach Ablenkung vom eigenen Versagen und da kommen das beliebig zu beschimpfende Marihuana und dessen Konsumenten gerade recht.
Kiffer aus dem Knast entlassen? Fest für den Haushalt verplante Bußgelder nicht eintreiben? Unter keinen Umständen, so singen es die Richter und Staatsanwälte und reden selbst in grüner Montur wie der Justizminister von Nordrhein-Westfalen von erneut zu prüfenden, „mehreren zehntausend Akten“ ohne zu erkennen, auf welcher völlig überholter Grundlage die meisten dieser Fälle zustande kamen. Denn wäre die Bundesrepublik nicht vielmehr ein brutaler Polizeistaat als eine freiheitliche Demokratie, wenn wirklich Zehntausende Bürger wegen THC bald mit Gefängnis rechnen dürfen?
Es dürfte sich wohl eher überwiegend um die üblichen Schikanen aus dem Alltag handeln, um Kleinstdelikte rund um die Grasblüte im Rucksack bis hin zur bloßen Ordnungswidrigkeit. Doch Strafe muss sein und auf jeden Fall ist jede Akte zweimal zu lesen erforderlich, sonst käme der kiffende deutsche Michel einfach so davon! Das erscheint den Ämtern als eine fast so schlimme Sünde wie künftige Entschädigungszahlungen an Justizopfer, die unter genau dieser hoffentlich bald überfälligen Gesetzgebung zu leiden hatten und haben. Statt Jammern könnte man doch gleich über eine Generalamnestie nachdenken wie in vielen Bundesstaaten der USA, selbstverständlich nur für Verfahren wegen Cannabis, bei denen Gewalt keine Rolle spielte?
An vorderster Front gegen Cannabis steht (natürlich) der Freistaat Bayern
Ob wirklich so viele Leute im schönen Bayern das Krakeelen ihrer Regierung und der allgewaltigen CSU beim Thema Cannabis unterstützen, wäre mal spannend für neue Statistiken, natürlich ohne die üblichen Suggestivfragen und auch bei unerwünschtem Ergebnis in den Nachrichten präsentiert. Dort allerdings ist die Sendezeit leider vorrangig für Storys aus dem Elfenbeinturm verplant und wie zu erwarten schwingen dabei Politiker aus dem Freistaat besonders kräftige Nebelkerzen. Hanf nicht zu legalisieren, hat die CSU schon mal auf die Tagesordnung im Bundesrat packen lassen und unter Umständen auch eine „scharfe Gegenklage“ in Vorbereitung.
Blockaden sind im Föderalismus keine Ausnahmen und grundsätzlich sind Vorgaben wie das Subsidiaritätsprinzip eine gute Sache für den Ausgleich zwischen Bund und Ländern. Allzu oft jedoch dient die Länderkammer nur den Parteien und ihrem ganz und gar nicht demokratisch kontrollierten Kuhhandel. Wie sich zum Vergleich niemand endloses Geschacher etwa beim Thema Folter wünschen würde, sollte auch der gesetzliche Umgang mit Cannabis als uralter Kulturpflanze endlich durch Fakten und Respekt bestimmt sein. Im schlimmsten Fall landet das CanG als vielleicht einziges, halbwegs den Realitäten im Lande angepasste Gesetzesvorhaben der Ampel aber doch noch in der Zeitschleife Vermittlungsausschuss.
Schluss mit Unrecht statt Verzögerung und Vermittlungsausschuss!
Warum kam es überhaupt zu der angeblich inakzeptablen kurzen Zeitspanne zwischen den Abstimmungen? Ausgerechnet die Grünen hätten den Start der Cannabis-Legalisierung einfach verschoben, meint deren Fraktion im Bundestag, doch das hätten SPD und FDP nicht akzeptiert. Gehen also unehrliche Sozialdemokraten und windige Liberale das Risiko im Vermittlungsausschuss ein oder verplappern sich die Grünen vor den Kameras, denen es doch laut zahlloser Wortmeldungen zum Thema THC nicht schnell genug gehen kann mit der Freigabe? Sind das endlich die letzten Krokodilstränen der politischen Heuchelei oder kommt noch mehr?
Es lässt sich nur Feigheit oder hinterlistige Taktik als Grund für solche Wortakrobatik vermuten, denn wissenschaftlich, kulturell und juristisch gesehen gehören Hanfprodukte umgehend legalisiert. Diese selbst ernannte „Fortschrittskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP sollte über Jahrzehnte aufgezwungene Unrecht der Cannabisverbote sofort beenden, wie das auf ähnliche Weise auch bei anderen gegängelten Bevölkerungsgruppen mit dem nötigen Druck gelungen ist. Vollkommen egal, ob die CDU/CSU im Hinterzimmer vom Bundesrat irgendeinen Deal für diese Verzögerungen anbietet oder ein wichtigtuerischer Ministerpräsident Radau macht – bitte keine Spielchen mehr!
Wer sich politisch als sozial, demokratisch, liberal und grün einordnet, kann keine Kompromisse mit einer Union eingehen, die jene unheilvolle Entwicklung in der Drogenpolitik direkt verantwortet und das Elend rund um Hanfkonsum heute aus reinem Eigeninteresse versucht zu verlängern. Unsere Regierung ist nach vollmundigen Wahlversprechen bereits vor der verknöcherten EU eingeknickt und eiert nun selbst bei dieser unfertigen Version einer Freigabe von THC herum! Verzögerungen nützen nur dem Schwarzmarkt und stützen vor allem weiter ein System der völligen Willkür, das beim Thema Cannabis und der Strafverfolgung dieser Wirkstoffe praktisch genauso brutal agiert wie Belarus oder Nordkorea.