Hubert Wimber, Polizeipräsident Münster
Da Herr Wimber der erste deutsche Polizeipräsident ist und auch immer noch der energischste, der sich gegen die Verhältnismäßigkeit der Drogenverbote, die sich zum Großteil gegen Konsumenten richten, ausspricht, ist er bekannt und in den Medien häufig präsent. Jüngst hat er erneut eine Weisung vom Innenausschuss NRW erhalten, er dürfe sich an dem in Deutschland geplanten Ableger von Law Enforcement Against Prohibition, LEAP, nicht öffentlich beteiligen, natürlich auch nicht in leitender Position. Herr Wimber erklärte, er wäre als Beamter weisungsgebunden und habe derzeit noch keinen Posten angenommen.
Zuallererst erklärte er jedoch, dass man sich in gewissen Behörden bereits damit auseinandersetzte, ob er als Polizeipräsident eine eigene Meinung in der Öffentlichkeit mit deutlichen Unterschieden zu der gewollten Meinung vertreten darf. Dieses darf er und er spricht nicht für Polizeidienststellen, sondern vertritt in der Diskussionsrunde seine Meinung. Diese hat keinerlei Einfluss auf die ca. 25 Beamten, die sich mit Drogenvergehen beschäftigen, die vermutlich aus existenziellen Gründen ganz anderer Meinung sind, auch gegenüber der Frage der Cannabis Legalisierung.
Argumente nicht nur für die Cannabislegalisierung
Herr Wimber hat recht interessante Meinungsansätze: Drogen sind schädlich, sie sind jedoch nicht alle gleich schädlich, wäre die erste These. Hier beruft er sich auf David Nutt, der die britische Regierung über viele Jahre in Drogenbelangen beraten hat, bis er dann ein Gefahrenranking für 20 Drogen nach 16 Kriterien aufstellte und gefeuert wurde. Die 16 Punkte behandeln teils die Gefahren für den Konsumenten und für die Gesellschaft.
- Je mehr Punkte, umso schädlicher die Droge:
- Platz 1: Alkohol 72 Punkte
- Platz 2: Heroin 55 Punkte
- Platz 3: Crack 54 Punkte
- Platz 4: Methamphetamin 33 Punkte
- Platz 5 Kokain 27 Punkte
- Platz 6: Tabak 26 Punkte
- Platz 7: Amphetamine, Speed 23 Punkte
- Platz 8: Cannabis 20 Punkte
- Platz 9: GHB 18 Punkte
- Platz 10: Benzodiazepine 15 Punkte
- …
Dass Tabak mit 26 Punkten nur auf Platz 6 kommt, liegt bei dieser todbringenden Droge vermutlich daran, dass die Konsumenten erst einmal „normal funktionieren“ und somit eben erst später gesundheitliche Probleme haben, die unsere Gesellschaft belasten. Cannabis kommt vielleicht deswegen auf 20 Punkte, da es sich bereits um das heutige Marihuana mit dem höheren Wirkstoffgehalt und dem deswegen unterstelltem höheren Gefahrenpotenzial handelt.
Die zweite These lautet: Die Konzepte der Prohibition mit der null Toleranz, also Abstinenz, sind nicht erfolgreich sowie sich die Frage stellen lässt, ob es denn mit unserer Verfassung vereinbar ist, die Privatrechte der Bürger derart einzuschränken, nicht mehr frei über sich selbst in ihrem privaten Rahmen entscheiden zu dürfen.
Millennium-Ziele der UN gescheitert
Die dritte These wäre die Millennium-Zielsetzung der UN: Innerhalb von 10 Jahren seien Anbaufläche und Verfügbarkeit zu minimieren, um durch Repression zugleich die Nachfrage zu verringern. Diese 1997 aufgesetzten Ziele wurden 2007 geprüft: Die Anbaufläche für Marihuana ist um 40 % gestiegen, für Opium um 100 %. Es werden weltweit somit im Jahr 2007 42.000 Tonnen Marihuana und 8.800 Rohopium hergestellt. Für andere Drogen liest sich die Bilanz ähnlich erschreckend. Auch die Quote der Erstkonsumenten sei nicht geringer geworden, sie liegt in Deutschland bei 18.000 bis 21.000 Personen für harte Drogen jedes Jahr.
In Ländern wie Brasilien, Indien und dem Irak wäre die Nachfrage sogar extrem gestiegen. Zudem richten sich die Verfahren in Deutschland zu 70 % gegen Konsumenten. Ein Großteil der Konsumenten leidet mehr oder ausschließlich durch die Verbote als durch die Drogen wobei die Problemfälle sich zum Selbstschutz versteckt halten. Die neue Horrordroge ist Methamphetamin, welches in dieser Form lediglich ein Produkt der Prohibition ist. Niemand würde das gepanschte Zeug nehmen, wenn er woanders sauberes oder besser noch etwas anderes wie z. B. guten Cannabis bekommen könnte und dann wäre es weit weniger schlimm.
Positive Erfahrungswerte
Herr Wimber erinnert an 2001, dem Jahr, als das Diamorphinprojekt möglich wurde und in neun deutschen Städten dazu führte, dass viele Schwerstabhängige eben nicht mehr der Droge hinterherrennen müssen, sondern sich um ihr Leben kümmern können. Ihre Gesundheit sowie ihr Lebenswandel verbessern sich. Sie gehen teils arbeiten oder können ihre Sucht sogar besiegen. Er als Polizeipräsident führt wie die Polizei ca. 30 bis 40 % aller Raubüberfälle, Einbrüche und ähnlich gelagerter Delikte auf Beschaffungskriminalität zurück. Unter anderen Verhältnissen würden diese Anteile sich reduzieren.
Alle Teile dieser Artikelserie im Überblick
>> Startbeitrag – Podiumsdiskussion
>> Cannabis legalisieren? #1 – Polizeipräsident Wimber gegen Drogenverbote
>> Cannabis legalisieren? #2 – aus der Sicht der Drogenhilfe
>> Cannabis legalisieren? #3 – aus der Sicht eines Staatsdieners
>> Cannabis legalisieren? #4 – aus der Sicht des Verkehrsrechts
>> Cannabis legalisieren? #5 – Aus der Sicht der Drogenkrieger
>> Cannabis legalisieren? #6 – Fragen aus dem Publikum und Schlussworte
>> Cannabis legalisieren? #7 – Warum denn nicht?