Die neu-gewählte deutsche Ampelkoalition hat vergangene Woche ihren Koalitionsvertrag vorgestellt und verkündet, dass Cannabis in Zukunft kontrolliert an Erwachsene abgegeben werden soll. Nach Jahrzehnten der Verbotspolitik ändert Deutschland den Kurs in Sachen Cannabispolitik. Natürlich stellt sich deshalb auch in Österreich mehr denn je die Frage, ob es nicht die Entscheidung des einzelnen erwachsenen Individuums ist, ob Cannabis konsumiert wird oder nicht.
Ein Spaziergang mit Konsequenzen
Diese Frage stellte sich auch der Niederösterreicher Paul Burger am Freitag, den 13. November 2020, als er sich abends wegen des Besitzes eines halb abgebrannten Joints vor zwei Polizeibeamten in Zivil verantworten musste. Er war während des nächtlichen Lockdowns allein spazieren gegangen und machte sich deshalb zum Ziel der Beamten in Zivil, die ihn kurze Zeit nach anzünden der Cannabiszigarette wegen des Geruchs zur Rede stellten.
Was als Dienst-Nach-Vorschrift für die Polizisten begann, endet nun beim Verfassungsgerichtshof (VfGH). Denn der junge Mann ist der Überzeugung, kein Verbrechen begangen zu haben und reichte deshalb am 15. Oktober 2021 einen Individualantrag beim VfGH ein. Er holte sich dafür die Hilfe des Wiener Anwalts Dr.Helmut Graupner, der bereits 2017 über den Verfassungsgerichtshof die Ehe-für-Alle durchsetzte, die seit 2019 in Kraft ist.
Wie weit reicht meine Privatsphäre?
Der VfGH soll nun entscheiden, ob das geltende österreichische Suchtmittelgesetz, das den privaten Umgang mit Cannabis ohne Vorteilsziehung unter Strafe stellt, verfassungskonform ist. Nach Auffassung des Antragstellers sollte dieser Umgang mit Cannabis, der selbstbestimmt und ohne Schädigung anderer passiert, durch das Recht auf Privatsphäre und Selbstbestimmtheit geschützt sein. Die geltende Null-Toleranz Politik führt dazu, dass der Großteil der Anzeigen wegen Cannabis einfache Konsumenten betrifft und eben nicht, wie oft behauptet, die Dealer. Als Kontrolldelikt ist der Besitz von Cannabis ein Delikt, der öfter angezeigt wird, je öfter kontrolliert wird. Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten nimmt weltweit auch in Österreich stetig zu.
Diese Strafverfolgung von Konsumenten, die nur privaten Umgang mit Cannabis haben und keinen Vorteil daraus ziehen wollen, hat leider weitreichende negative Konsequenzen im Leben der Betroffenen, die in der Sicht des Antragstellers weit über das Maß der Verhältnismäßigkeit hinaus gehen.
Verfassungsmäßiges Recht auf Cannabis?
Im österreichischen Suchtmittelgesetz gibt es derzeit verschieden hohe Strafandrohungen, abhängig von der Menge an Cannabis-Reinsubstanz (THC), die vorgefunden wird. Wer bis zu 20 Gramm der Reinsubstanz ohne Verkaufsabsicht, also zum privaten Gebrauch, besitzt, riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu 6 Monaten. Wer über längere Zeit nur für sich selbst anbaut, riskiert sogar bis zu 15 Jahre Haft. Während man also schnell ins Auto steigen, sich bei der nächsten Autobahnraststätte ein paar Flaschen Schnaps kaufen und dann wieder nach Hause fahren kann, ohne auch nur schief angeschaut zu werden, gibt es diese Option bei Cannabis schlicht nicht. Man muss immer eine Straftat begehen, um Cannabis zu besitzen. Einen straffreien Umgang mit THC-Cannabis gibt es im österreichischen Gesetz nicht, auch nicht für den persönlichen Gebrauch von Erwachsenen!
Genau dieser straffreie persönliche Umgang mit Cannabis durch Erwachsene wird vom Antragsteller und seinem Anwalt durch den Individualantrag gefordert. Die Forderung des Antragstellers stützt sich auf eine Reihe von Urteilen aus anderen Ländern, in denen bereits ein verfassungsmäßiges Recht auf den Umgang mit Cannabis etabliert wurde.
In Ländern wie Mexiko, Italien, Südafrika, Georgien und Teilen Australiens stellte das oberste Gericht bereits fest, dass die jeweilige Verfassung des Landes eine Kriminalisierung von Konsumenten nicht unterstütze, wenn diese Cannabis nur zum persönlichen Gebrauch anbauen oder besitzen.
Es liegt nun an unserem Verfassungsgerichtshof, diese Frage für Österreich zu beantworten.
Antragssteller: Paul Burger
+43 664 530 10 19
paul_burger@gmx.at
www.craftculture.eu/freedom
RA Dr. Helmut Graupner
+43 676 309 47 37
hg@graupner.at
www.graupner.at