Im März 2017 trat in Deutschland das Cannabis als Medizin Gesetz in Kraft. Vor dem Hintergrund Patienten den Zugang zu Cannabis als Medizin zu erleichtern, bekommen schwer kranke Patienten Cannabisblüten seitdem mit einem Rezept vom Arzt aus der Apotheke. Es gibt die Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Krankenkasse.
Stand der Dinge
Das Cannabis als Medizin Gesetz wird im März 2018 ein Jahr alt und die Nachfrage nach Cannabis aus der Apotheke ist riesig. Das theoretische Angebot besteht aus mehreren Sorten mit unterschiedlicher Zusammensetzung und Konzentration der Cannabinoide. So sollen Patienten die richtige Medizin für ihre Beschwerden finden können. Das angebotene Cannabis stammt aus Kanada und den Niederlanden und wird von Großunternehmen importiert.
In Absprache mit dem behandelnden Arzt, der ein Rezept über Cannabisblüten ausstellt, können sich Patienten ihr Cannabis dann mithilfe der Verordnung aus der Apotheke holen. Welche Krankheiten als Indikatoren für eine Behandlung mit Cannabis gelten, entscheidet allein der Arzt. Die natürliche Medizin gilt dabei oft als letzter Ausweg, wenn keine anderen Medikamente mehr helfen. Patienten können an die gesetzlichen Krankenkassen einen Antrag auf Kostenübernahme stellen.
Ist alles Gold, was glänzt?
Die angebotenen Sorten werden aus Kanada und den Niederlanden importiert. Für kommendes Jahr plant die Bundesregierung jedoch auch mit dem Anbau von medizinischem Cannabis in Deutschland.
Um ein Rezept für Cannabis aus der Apotheke zu bekommen, muss natürlich auch der behandelnde Arzt hinter der Therapie stehen. Dass es oftmals gar nicht so unproblematisch ist, einen „geeigneten“ Arzt zu finden, zeigt das Beispiel des Arztes. Der Arzt besitzt eine Gemeinschaftspraxis. Er gilt als einer der Ärzte, bei dem die Chancen auf ein Cannabis-Rezept relativ hoch sind. Aber auch bei diesem Arzt gilt, ohne Krankenakte geht nichts. Erst, wenn keine anderen Medikamente mehr helfen, dürfe er Cannabis verschreiben, betont er. Das macht es immer schwieriger, Cannabis als alternative Behandlungsmethode zu nutzen. Der Arzt spricht auch noch ein anderes Problem an. Es gäbe keine Zusammenarbeit mit Kollegen, denn bei anderen Ärzten gilt man sofort als Junkiearzt, sobald man Cannabis verschreibt. Patienten müssen sich selbst um eine Behandlung kümmern, denn kein Kollege schicke ihm Patienten. „Eine Zusammenarbeit gibt es nicht“, betont er.
Warum so viele Ärzte ein Problem mit der Verordnung von Cannabis haben, weiß auch er nicht. Ein Kassenarzt, der ein Rezept für medizinisches Cannabis ausstelle, verursache höhere Kosten als der Kassenarzt nebenan. Das Gemeine sei, dass Kassen dann nach ein paar Jahren auf den Arzt zukommen und ihm vorwerfen können, der Arzt habe mehr Medikamentenkosten verursacht als vergleichbare Kollegen der Stadt. Die Kassen wollen dann Geld zurück und nach ein paar Jahren käme da schnell mal eine sechsstellige Summe zusammen, die der Arzt aus eigener Tasche zahlen müsse. Für viele Ärzte bedeute dies Bankrott, verrät der Beispielarzt.
Das zweite Problem, mit dem Patienten oft konfrontiert werden, ist die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. Das verdeutlichen auch die Zahlen der Barmer Ersatzkasse in Nordrhein-Westfalen. Seit Inkrafttreten des Gesetzes gingen dort 782 Anträge auf eine Kostenübernahme ein. Davon wurde 417 genehmigt und somit fast jeder zweite Antrag abgelehnt. Ein Gramm kostet mittlerweile über 20 €. Grund für die Ablehnung der Kostenübernahme sind laut Barmer GEK meistens fehlende wissenschaftliche Studien zur Wirksamkeit bei bestimmten Erkrankungen oder fehlende Krankenakten, aus denen ersichtlich wird, dass keine anderen Medikamente mehr helfen. Im Vergleich dazu gingen bei der AOK 7600 Anträge ein, von denen 64 % genehmigt wurden. Auch die TK hat eine Genehmigungsquote von ungefähr 60 %.
Einem Bericht zufolge gingen bis Ende des Jahres 2017 bei den gesetzlichen Krankenkassen mehr als 13.000 Anträge auf eine Kostenübernahme ein. Die große Nachfrage hat natürlich Auswirkungen auf das Angebot. Bereits Mitte letzten Jahres hatten Apotheken mit Lieferengpässen zu kämpfen. Für Patienten eine frustrierende Situation. „Die Verzweiflung ist groß, denn es muss immer die gleiche Sorte mit dem gleichen Wirkstoffgehalt sein, damit es lindernd wirkt. Die falsche Sorte kann sogar zu einem Trigger werden, der die Schmerzen auslöst“, sagte damals ein betroffener Patient.
Gesellschaftliche Vorurteile
Der erleichterte Zugang zu medizinischem Cannabis war sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Nach einem Jahr äußern Patienten immer wieder ihre Unzufriedenheit mit der Umsetzung des Gesetzes. So sind Ärzte, die sich weigern, ein Rezept für medizinisches Cannabis auszustellen, die erste und größte Hürde. Die Vorurteile gegenüber der Jahrtausende alten Nutz- und Heilpflanze sind noch immer präsent. Kritiker müssen lernen, Cannabis als medizinisches Produkt wahrzunehmen, um die politische Situation zu ändern und Patienten zu unterstützen.