Über Dekaden haben Aktivisten und die professionell arbeitende Cannabisszene dafür gesorgt, dass Fakten über die seit tausenden Jahren im Einsatz befindliche Nutz- und Heilpflanze zurück in die Gesellschaft finden. Dies hat schlussendlich dafür gesorgt, dass diese Informationen auch in der Politik angekommen sind und die jetzt durchgesetzte Legalisierung möglich wurde.
Seit dem 1. April 2024 wird somit endlich eine vernunftbasierte Handhabung angewandt, die trotz ihrer aktuellen Schwächen für eine Entkriminalisierung von circa 4,5 Millionen Bundesbürgern sorgte. Nun müssen nicht länger monatlich bis zu 15.000 Strafverfahren eingeleitet werden, die die Polizei und den Justizapparat bislang unnötig belasteten. Doch, dass die Cannabis nutzende Bevölkerungsschicht jetzt ihre Freiheitsrechte zurückerhalten hat, scheint nicht allen Menschen im Land zu gefallen. Denn selbst wenn der Besitz und Konsum gewisser Mengen nicht länger unter Strafe stehen, ist einer Gruppe aufgeweckter Personen diese Tatsache anscheinend noch längst nicht genügend Grund, die friedliebende und kiffende Bevölkerung in Ruhe zu lassen.
In Baden-Württemberg, wo man sich schon vor Cannabis-Touristen aus Frankreich fürchtete, haben jetzt die Polizei und Anklagebehörden einen Plan geschmiedet, der in der Öffentlichkeit konsumierenden Cannabisfreunden das Leben erneut erschweren soll. Nach Meinung der Staatsanwaltschaften Freiburg, Lörrach und Waldshut-Tiengen sowie dem Polizeipräsidium Freiburg kann das aktuell im Umlauf befindliche Cannabis schließlich nicht aus legalen Quellen stammen, sodass ein Grund gegeben wäre, die Personalien der Cannabis nutzenden Menschen „für die Zeugeneigenschaft festzustellen“. Jeder Kiffer sei nämlich ein Zeuge im Verfahren gegen unbekannte Verkäufer, die in illegalen Gefilden agieren.
Pflanzen brauchen Zeit
Dass das derzeit im Gebrauch befindliche Cannabis nicht aus legalen Quellen stammen könne, begründeten die genannten Behörden in einer Mitteilung damit, dass die noch im Aufbau steckenden Anbauvereinigungen erst ab dem 1. Juli ihre Mitglieder mit legalem Stoff versorgen können. Selbst, wenn die Produktion von Cannabis in den eigenen vier Wänden legalisiert worden ist, so benötigen die Pflanzen einen längeren Zeitraum, bis sie geerntet werden können. Innerhalb der vergangenen Wochen nach der Freigabe von Cannabis zu Genusszwecken könnten keinen Knospen zur Reife und Trocknung gebracht worden sein, sodass das derzeit konsumierte Gras fraglos von illegal verkaufenden Händlern stammen müsse.
Der Verkauf von Cannabis werde aber weiterhin als Straftat betrachtet, weshalb alle mit Cannabis im Besitz angetroffenen Personen sogleich Zeugen im Verfahren gegen unbekannte Verkäufer wären. Da man laut Mitteilung der lokalen Behörden den Handel mit Cannabis aber weiterhin konsequent strafrechtlich verfolgen werde, wären die Personalien der Konsumierenden aufzunehmen, da sie die illegal verkaufenden Händler wohl zu kennen hätten.
„Diese Zeugen sind auch grundsätzlich zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet. Ihre Personalien sind daher für die Zeugeneigenschaft festzustellen“, wird ein Teil des Inhalts des Schreibens vom 10.04. 2024 auf Welt.de wiedergegeben.
Noch keine landesweiten Vorgaben
Aufgrund dieser Entscheidungen in Südbaden fragte man seitens der Deutschen Presseagentur bei den Generalstaatsanwaltschaften nach. Hier hieß es auf Anfrage, dass bei künftigen Verfolgungen von „Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis“ die neuen Gesetzesregelungen gelten würden. Es gäbe ansonsten derzeit keine landesweiten Vorgaben, doch wolle man in Zukunft eine Tagung abhalten, um über den Umgang mit „problematischen Falllagen“ zwischen Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften landesweit eng abzustimmen. Praktische Erfahrungen habe man noch nicht machen können, da das Gesetz ja erst Anfang des Monats in Kraft trat.
Es klingt nahezu so, als wäre in dem Polizeipräsidium Freiburg und in den Staatsanwaltschaften Freiburg, Lörrach und Waldshut-Tiengen nach der Teillegalisierung etwas Langeweile aufgekommen, weil die ehemaligen Konsumdelikte unter Beachtung der Auflagen jetzt nicht länger strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Während sich Behörden der Justiz über einen kurzen Anstieg ihrer Arbeit aufgrund des Überprüfens getätigter Urteile beschwerten, die im Zusammenhang mit jetzt nicht länger strafbaren Cannabisvergehen stehen, scheint man in Baden-Württemberg der sinnlosen Aktivitäten nicht überdrüssig zu sein. Dort stets die Personalien von kiffenden Einzelpersonen aufnehmen zu wollen, um sie in Verfahren gegen Unbekannte nutzen zu können, klingt doch nahezu nach einer Farce oder einem Hirngespinst schlechter Verlierer.
Bayerns Weg gleichwohl nicht besser
Wie es auch zu erwarten war, sind die konservativen Kräfte im Freistaat Bayern über den Sieg der Legalisierungsbefürworter ebenfalls nicht erfreut. Um es den konsumierenden Bürgern hier ebenfalls möglichst schwer zu machen, hat man schnellstmöglich einen Bußgeldkatalog erstellt, der teils horrende Summen von Personen verlangt, die bei Verstößen im Freistaat gegen das Cannabisgesetz des Bundes fällig werden sollen.
Der Bußgeldkatalog „Konsumcannabis“ soll laut Florian Herrmann von der CSU abschreckend wirken, was er seiner Meinung auch tun werde. Bayern ist das erste Land, das mit einem solchen Katalog klarstellen will, kein „Kiffer-Paradies“ zu sein, wie es Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) via sozialem Netzwerk mitteilte. Wer beispielsweise in der Nähe von Heranwachsenden sein Cannabis konsumiere, müsse mit einem Bußgeld in Höhe von 1.000 € rechnen. Ein Regelsatz von 500 € wird verlangt, wenn die Abstandsregeln zu Schulen, Spielplätzen und anderen Jugendeinrichtungen wie Sportplätzen nicht eingehalten werden.
Zwischen 150 und 30.000 € könnten sogar verlangt werden, mache man Werbung für Anbauvereinigungen oder Cannabis. Da dies doch tatsächlich teils heftige Geldstrafen sind, wird Kritik aus den verschiedensten Richtungen laut. So spricht Grünen-Innenexperten Florian Siekmann den bayerischen Ministerpräsidenten direkt an und wirft ihm vor, jegliches Maß aus den Augen verloren zu haben, weshalb er auf eine schnelle gerichtliche Überprüfung der überzogener Maßnahmen setze.
Erwischt – und nun?
Gerade das geplante Vorgehen gegen Konsumenten in Baden-Württemberg dürfte den jetzt eigentlich freien Menschen mit Cannabisaffinität ein wenig Kopfzerbrechen machen. Nur weil man sein neues Recht genießt und an genehmigter Stelle im Freien ein bisschen Cannabis konsumiert, gleich doch wieder die persönlichen Daten preisgeben zu müssen, klingt wenig erfreulich. Dass dann verlangt werden könnte, wahrheitsgemäßen Angaben über die Bezugsquelle machen zu müssen, bringt einen dazu in unangenehme Bredouille. Falls das Cannabis tatsächlich über den illegalen Weg beschafft wurde, möchte man wohl kaum einen „guten Bekannten“, der sich stets um fachgerechte Versorgung bemühte, in die Fänge der Staatsmacht bugsieren.
Daher könnte man versuchen, es den ganz großen der Politik gleichzutun und Aussagen zu tätigen, die in der Vergangenheit vor Gericht niemandem Probleme bereiteten. Hält man sich im Fall der Fälle an Ex-Kanzler Helmut Kohl, könnte man von seinem „Ehrenwort“ sprechen, gewisse Namen für sich behalten zu wollen. Orientiert man sich am aktuellen Kanzler Olaf Scholz, wäre es nicht ausgeschlossen, bezüglich der beklagten Beschaffung leider unter spontanen Erinnerungslücken zu leiden.
Ansonsten wäre es auch nicht undenkbar, dass man – wie vielleicht ein Großteil der Konsumenten – einfach an bekannten Umschlagplätzen von nicht wiedererkennbaren Händlern einmalig bedient worden ist. Oder man bestätigt einen nicht länger strafrechtlich verfolgbaren Versuch, in den eigenen vier Wänden bis zu drei Pflanzen Cannabis unauffällig angebaut zu haben, bevor das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ in Kraft getreten ist.
Den Mut, Spielverderbern ihr falsches Spiel zu verderben, sollte man als befreiter Konsument, der sich ansonsten an alle Regeln hält, jetzt ganz einfach haben.