Wer sich in Deutschland als Händler, Hersteller oder auf dem Feld mit Nutzhanf in seinen verschiedensten Formen professionell beschäftigt, muss leider immer noch damit rechnen, dass er Besuch von übereifrigen Beamten bekommt. Diese führen dann bei Razzien Überprüfungen durch, bei denen schon häufig in der Vergangenheit Beschlagnahmungen von Waren oder gleich ganzen Hanffeldern stattfanden.
Dank der einzig in Deutschland geltenden sogenannten „Rauschklausel“, die besagt, man könne sich theoretisch auch mit entsprechenden Mengen mit THC-freiem Nutzhanf berauschen, findet die anrückende Staatsmacht einen Grund für ihr Vorgehen. Auch wenn Hanfbauern offiziell angemeldete Felder mit EU-zertifiziertem Saatgut bestellen, gab es hierzulande schon öfter Großaufgebote der Polizei, die zu kaum ernst zu nehmenden Schlagzeilen führten. Kleine Hanfgeschäfte, die nur nicht berauschenden Hanftee oder ähnliche Produkte in ihrem Sortiment führen, mussten in Deutschland schon häufiger die Polizei empfangen und dieser beim Aussortieren und Abtransportieren ihrer Waren zuschauen.
Da auch in Zukunft damit gerechnet wird, dass die dafür verantwortliche „Rauschklausel“ im erwarteten Cannabisgesetz (CanG) nicht gestrichen wird und somit weiterhin derartige Gefahren für alle mit Hanf hantierenden Unternehmen, Betriebe und Händler drohen, hat der Branchenverband der Cannabiswirtschaft (BvCW) einen Informationsleitfaden veröffentlicht, der potenziell Betroffenen eine Hilfestellung bieten soll. Er richtet sich an Hanfbauern, Gewerbetreibende, weiterverarbeitende Industriehanfbetriebe und den Hanf-Einzelhandel, damit eine Vorbereitung auf solch unangenehme und eigentlich unnötige Situationen möglich ist.
Nothilfemaßnahme für die Branche
Obwohl nahezu alle Fachpolitiker im Bundestag aus den verschiedensten Parteien eine Streichung der „Rauschklausel“ befürworten, wird derzeit erwartet, dass dies im kommenden CanG nicht vorgesehen ist. Dieses Rechtskonstrukt, das besagt, dass mit ungeheuren Mengen THC-armen Nutzhanfs unter Umständen dennoch ein Rausch hervorgerufen werden könnte, stellt nach Meinung des BvCW einen unnötigen Wettbewerbsnachteil für alle deutschen Hersteller und Weiterverarbeiter dar. Deshalb bleibt es auch das Ziel des Branchenverbands, die „Rauschklausel“ aus dem CanG entfernen zu lassen. Damit die Beschlussfassung des lange erwarteten Gesetzes aber nicht weiter gefährdet wird, könnte dies laut dem BvCW auch in einem „umgehend zu beschließenden Industriehanfgesetzes“ geregelt werden.
Doch könnte dies dann auch schon für einige bereits von Beschlagnahmungen betroffenen Unternehmen zu spät sein. Man hofft insgesamt sehr, dass das CanG endlich im Februar beschlossen wird. Der Geschäftsführer des BvCW, Jürgen Neumeyer, kommentiert die Situation wie folgend: „Obwohl selbst auf Nachfrage bei allen Landeskriminalämtern, allen Landesinnenministerien, beim Bundeskriminalamt und den Bundesinnenministerien bis heute kein einziger Fall bekannt ist, in dem tatsächlich ein Missbrauch von Industriehanf zu Rauschzwecken erfolgte, werden allein wegen der theoretischen Möglichkeit zahlreiche Strafverfahren geführt.“
Dies wäre in etwa so, als würde man Hersteller oder Händler von alkoholfreiem Bier polizeilich verfolgen, da man theoretisch auch hier mit dem enthaltene Alkohol theoretisch in der Lage wäre, daraus Schnapps brennen zu können. Es wäre eine lebensfremde Herangehensweise, lauf Neumeyer, der den Informationsleitfaden der BvCW daher als Nothilfemaßnahme für die Branche sieht.
Elemente Band 39
Auf der Internetpräsenz des BvCW ist der Infoleitfaden für Razzien kostenfrei herunterzuladen. Unter dem Titel „ELEMENTE Band 39: Verhalten bei Razzien – Ein Informationsleitfaden“ erhalten Gewerbetreibende und alle in der Nutzhanfbranche tätigen Personen eine gewisse Hilfestellung, wie man sich während einer stattfindenden Razzia seitens der Polizei zu verhalten hat und was die Beamten tatsächlich dürfen. So erhält man etwas mehr Rechtssicherheit in der legalen Cannabiswirtschaft, doch wird es empfohlen, dieses Dokument bereits vor einer möglichen Durchsuchung zu lesen.
Dabei wird in dem drei Seiten fassenden Informationsteil auf die verschiedenen Aspekte eingegangen, die für eine solche Situation wichtig sind. Von der Vorbereitung, über den Umgang mit den Beamten von Polizei, LKA und Zoll, den Abläufen innerhalb des Betriebes und dem angemessenen Verhalten, falls Beschlagnahmungen stattfinden sollten. Auch was nach einem Besuch der Staatsmacht im Idealfall gemacht werden sollte, finden Interessierte in dem kostenfrei herunterzuladenden Elemente Band 39.
Einen interessanten Hintergrund dürfte der Hinweis des BvCW darstellen, dass die „Rauschklausel“ im vorherigen Referentenentwurf des CanG erst nicht mehr enthalten war, doch anschließend offensichtlich im Kabinettsentwurf der Bundesregierung in § 1 Nr. 9 a) aus dem Betäubungsmittelgesetz (Anlage 1) übernommen wurde. Dies fand statt, obwohl schon am 15.03.2021 seitens des zuständigen Sachverständigenausschusses des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfohlen wurde, die „Rauschklausel“ endgültig abzuschaffen.
Quellen und weiterführende Links
ELEMENTE Band 39: „Verhalten bei Razzien – Ein Informationsleitfaden“: cannabiswirtschaft.de/publikationen/