Es klingt wie ein schlechter Gag, doch es hat sich einmal mehr zugetragen, dass übereifrige Staatsanwälte mit einem großen Polizeiaufgebot aufgrund von genehmigten Nutzhanf einer in der Landwirtschaft beschäftigten Familie das Leben erschweren.
Während in Reformhäusern, Drogerien und sogar Discountern verschiedenste Hanfprodukte sowie CBD an den Endkonsumenten verkauft werden, beschlagnahmte jetzt die Staatsanwaltschaft Itzehoe gleich ein gesamtes Hanffeld, obwohl dessen dort wachsenden Pflanzen der Norm entsprechend nur einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent besitzen. Das Amtsgericht Itzehoe gab aufgrund eines richterlichen Beschlusses die Befugnis, mit über 25 Polizeibeamten, LKA-Mitarbeitern und Kriminalpolizisten die Beschlagnahmung sämtlicher Nutzhanfgüter zu vollziehen.
3,7 Hektar Nutzhanffläche unter Kontrolle
In Schleswig-Holstein ereignete sich am vergangenen Samstag, dem 30.07.2022, einmal mehr ein Schlag gegen rechtschaffene Landwirte, die sich auf den Anbau von Nutzhanf konzentrierten. Die Familie Thomassek aus Dithmarschen erhielt am genannten Datum Besuch von der Staatsmacht, da es laut Amtsgericht Itzehoe nicht auszuschließen wäre, dass mit dem EU-zertifizierten und ordnungsgemäß bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) angemeldeten Nutzhanf gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen werden könnte.
Der mitunter hergestellte Hanftee sei geeignet, ein berauschend wirkendes Gebäck herzustellen, heißt es in der Begründung des Gerichtes. Ebenfalls wäre der Verkauf von karamellisierten Hanfsamen als Lebensmittel eine Straftat. Als weiterer schlechter Scherz bei dem gesamten Vorgang kann gesehen werden, dass die Familie Thomassek bereits eine Erntefreigabe durch das BLE erhalten hatte, die es erlaubt hätte, die auf 3,7 Hektar angepflanzten Gewächse in circa zehn Tagen abzuernten.
Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V. schreitet ein
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V. spricht aufgrund der Vorkommnisse von einem „bundesweit einzigartigen Präzedenzfall durch Beschlagnahme von behördlich angemeldeten Nutzhanffeldern“, der eine maximal restrikte Auslegung der gesetzlichen Vorschriften vornehmen würde. Bereits in der Vergangenheit konnte der Verein durch umfassende Recherchen dokumentieren, dass der Missbrauch von nahezu THC freien Nutzhanfpflanzen praktisch ausgeschlossen werden kann.
Dazu merkt Marijn Roersch van der Hoogte, Vize-Präsident des BvCW, bezüglich des aktuellen Falls an, dass die Staatsanwaltschaft Itzehoe offensichtlich davon ausgehen muss, dass „trotz der hohen allgemeinen Verfügbarkeit von hochpotentem Schwarzmarktcannabis“ auf den nun beschlagnahmten Nutzhanffeldern die Gefahr für ein erhebliches Missbrauchsrisiko heranwachsen würde. Auch wird erwähnt, dass in derselben Woche des Ereignisses ein Verfahren gegen den Discounter Lidl seitens der Staatsanwaltschaft Heilbronn aufgrund des Mangels eines berechtigten Strafbarkeitsvorwurfs eingestellt worden ist. Es müsse daher gleiches Recht für alle gelten, da sonst der Eindruck erweckt würde, „dass kleine und mittelständische Unternehmen durch Beschlagnahmen und langwierige Verfahren bis zur Insolvenz schikaniert werden, während man die Großen laufen lässt.“
Ministerien und Rechtsanwälte
Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V. wird sich für seine Mitglieder, darunter die Familie Thomassek mit ihrem Unternehmen Dithmarschen Hanf, einsetzen und sich wegen des unverständlichen Eingriffes an die zuständigen Ministerien in Schleswig-Holstein und jene auf Bundesebene wenden. Auch der Rechtsanwalt der betroffenen Bauernfamilie wurde eingeschaltet und hat bereits angekündigt, dass Rechtsmittel gegen das Beschlagnahmen eingelegt würden. Aus seiner Sicht wäre es absolut unverständlich, warum die Staatsanwaltschaft und das Amtsgericht Itzehoe jetzt nach 26 Jahre der Relegalisierung des Nutzhanfanbaus in Deutschland mit solchen Maßnahmen beginnen würden, obwohl es diesbezüglich bislang keine rechtlichen Änderungen gegeben habe. Während sich die Bundesregierung darüber Gedanken mache, wie man zukünftig Cannabis zu Genusszwecken anbauen könne, würde hier versucht, das „Rad des Fortschritts“ zurückzudrehen.
Dr. Stefan Meyer, Präsident des BvCW, sieht in dem Fall nicht nur die Existenzgrundlage eines bäuerlichen Betriebes bedroht, sondern einen Großteil von 863 Landwirtschaftsbetrieben im Nutzhanfbereich sowie zahlreiche weiterverarbeitende Betriebe gefährdet, falls sich die Staatsanwaltschaft Itzehoe hier mit ihrer neuen Rechtsauffassung durchsetzen könne. Bundesweit stünden sodann gleich Tausende Arbeitsplätze vor dem Aus.