Nach der Bekanntgabe der neuen Pläne der Bundesregierung, wie die stattfindende Legalisierung von Cannabis tatsächlich gestaltete werden kann, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich kritische Personen zu Wort melden und gegen das Vorhaben Stimmung machen. Wenn in vielen aufgeschlossenen Gebieten mittlerweile verstanden wurde, dass es besonders die Prohibition ist, die Konsumenten schadet, gibt es immer noch konservative Personen aus Politik und Medizin, die eine Freigabe zu Genusszwecken Erwachsener kategorisch ablehnen.
Und dies trotz der veränderten Stimmung in der Bevölkerung sowie den positiven Meldungen aus Gefilden, in denen Marihuana bereits seit längerer Zeit kontrolliert abgegeben wird. So verschaffte sich auf den Seiten der Bundesärztekammer direkt die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz Gehör mit der Aussage, dass man die Pläne der Regierung, auf ein sogenanntes Zwei-Säulen-Modell bei der schrittweise geplanten Legalisierung zu setzen, in keiner Weise gutheißen würde.
Kurzsichtigkeit und alte Argumente
Der Präsident der rheinland-pfälzischen Ärzteschaft, Dr. Günther Matheis, bringt die alten Argumente auf den Tisch, die viel zu oft und gerne von Gegnern der Legalisierung angebracht werden. Man sei geradezu bestürzt, dass ein Bundesgesundheitsminister die Legalisierung einer Substanz aufgrund einer Koalitionsvereinbarung ausarbeiten müsse. Man wisse über Cannabis doch, dass es „hirnorganische Veränderungen“ hervorrufen würde, die zu Verhaltensauffälligkeiten bei Jugendlichen führten und Abhängigkeiten sowie psychische Veränderungen auslösen können, so der Präsident.
Obwohl unter der Prohibition von Cannabis seit vielen Jahren die Konsumentenzahlen steigen, die Verunreinigungen in der nicht geprüften Handelsware des Schwarzmarktes mehr Gefahren als die eigentliche Substanz bergen und keine Dealer nach dem Ausweis zwecks Überprüfung des Alters fragt, erkennt der Arzt nicht an, dass die Zeit für eine Verbesserung der Situation gekommen ist. „Welchen Grund gibt es eigentlich, neben den beiden legalen Drogen Tabak und Alkohol eine Dritte einzuführen?“, fragt Matheis und übersieht dabei gekonnt, dass eine Legalisierung in keiner Weise eine „Einführung“ des nahezu längst überall verfügbaren Genussmittels darstellt.
Suchtberater im Land sind aufgeschlossener
Überraschend bei den sich häufenden Meldungen über Ärzte (oder auch Polizisten), die mit der Cannabisfreigabe eine kleine Katastrophe auf Deutschland zukommen sehen, ist die Tatsache, dass sich Menschen, die in der Suchttherapie beschäftigt sind, wesentlich offener zeigen und Vorteile in der Legalisierung erkennen. Während auch die Ärztekammern aus Niedersachsen und Bayern mit Verweisen auf Negativerfahrungen im Ausland die Stimmung gegen das Vorhaben zu beeinflussen versuchen, machen langjährig arbeitende Suchtberater klare Aussagen, warum die Drogenpolitik verändert gehört. Bernd Klenk, der Geschäftsführer der Suchtberatungsstelle „release Stuttgart“ sagte auf swr.de, dass man es akzeptieren müsse, dass Menschen Drogen konsumierten.
Die alte Idee, mit Verboten das Interesse daran einzuschränken und den Gebrauch zu verhindern, sei gescheitert. Besonders problematisch wäre es aus seiner Sicht, dass ein unregulierter Verkauf über den Schwarzmarkt – und damit auch die Ungewissheit über die Stärke der Substanz oder Beimischungen – weitverbreitet seien. Selbst Jugendliche bekämen derartiges Cannabis ohne Probleme. Die Legalisierung könne daher dafür sorgen, dass es zukünftig etwas „gesünder“ konsumiert werden kann, als es aktuell der Fall ist. Klenk sagt aber dazu, dass es dabei bleibe, dass Cannabiskonsum nicht gesund sei. Es käme jedoch immer auf die Dosis und den generellen Umgang damit an. Mehr gesundheitliche Schädigungen bei einem möglicherweise ansteigendem Konsum in der Gesellschaft seien aus seiner Sicht nach einer Legalisierung daher nicht zwangsläufig zu erwarten.
Überraschende Unterstützung aus Bayern
Da sich besonders auch die Bayerische Staatsregierung unter Markus Söder stark gegen die Cannabislegalisierung macht und eine Verweigerungshaltung anzunehmen gedenkt, überrascht es umso mehr, dass ein seit 25 Jahren in der Suchtberatung tätiger Mensch vollkommen anderer Meinung ist. Der Diplom-Sozialpädagoge Siegfried Gift von der Initiative Condrobs e. V. erwähnt in der Abendzeitung, dass er sich direkt an die Aversion Söders erinnert fühlt, was Drogenkonsumräume anginge. Es würde für Bayern nichts Gutes bedeuten, wenn man sähe, wie Söder auf die Ideen aus Berlin reagieren würde, so Gift im Gespräch. Während Markus Söder von einem „Irrweg“ spricht, sieht Siegfried Gift die Bundesregierung mit ihren Plänen zur Cannabis-Legalisierung „auf einem guten Weg“. Die Entkriminalisierung des Konsums wäre das Wichtigste.
Die Probleme mit Cannabis würden gerade bei Jugendlichen in erster Linie aufgrund der polizeilichen Verfolgung entstehen, betonte der 57-Jährige. „Es ist gut, dass die Bundesregierung an den Jugendschutz denkt und versucht, eine legale Abgabe zu ermöglichen“, wird Gift in der AZ zitiert. Wichtig wäre es aber, nicht die niederländische Herangehensweise zu etablieren, wo der Großhandel in den Händen mafiöser Strukturen liegen kann. Auch will er nicht verschleiern, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene wegen sich noch entwickelnder Gehirnstrukturen größeren Gefahren beim Konsum ausgesetzt wären. Doch ebenso der Alkoholkonsum und die damit einhergehenden Risiken werden von dem Diplom-Sozialpädagogen nicht übersehen. Deswegen würde sich Siegfried Gift wünschen, dass die präventiven Teile der Cannabislegalisierung auf den Umgang mit Alkohol übertragen würden und man unter Umständen alsbald die Werbung für das bereits legal erhältliche Genussmittel verbieten müsse.