Dr. Franjo Grotenhermen, über den eine Dokumentation am 03. Juli Premiere in Amsterdam feierte, hat sich aktuell einmal mehr mit den Zahlen der Cannabispatienten in anderen Ländern befasst. Der auch als Geschäftsführer der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (IACM) aktiv gewesene Cannabisspezialist hat so herausfinden wollen, wie viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland von einer Therapie mit cannabisbasierten Medikamenten profitieren könnten.
Auf der Web-Präsenz der Arbeitsgemeinschaft hat er die Ergebnisse präsentiert. Während es in der Vergangenheit hieß, dass Cannabismedizin bei einem Prozent der Bevölkerung hilfreich sein müsste, geht man nach neuen Vergleichen von einem doppelten Prozentsatz aus. Damit könnten laut Dr. Franjo Grotenhermen mindestens 1,6 Millionen Bundesbürger den Zugang zu Medikamenten auf Cannabisbasis benötigen.
Rationale Grundlagen
Die Zahlen für seine Hochrechnung hat sich Dr. Grotenhermen aus anderen Ländern beschafft. Die USA, Israel und Kanada standen für das Ergebnis Pate, weshalb aufgrund aktueller Entwicklungen die bislang vermutete Zahl von mindestens einem Prozent der Bevölkerung verdoppelt werden muss. Das alte Ergebnis sei heute überholt, sodass anhand der nun vorliegenden Vergleichszahlen von einem Bedarf an cannabisbasierter Medizin bei mindestens 1,6 Millionen Bundesbürgern ausgegangen werden müsste. Doch während beispielsweise in Israel 1,3 Prozent der Bevölkerung einen legalen und kostengünstigen Zugang zu cannabisbasierten Medikamenten erhielten, würden in Deutschland – nach fünf Jahren des Cannabis als Medizin-Gesetzes – gerade einmal 0,1 Prozent der deutschen Bevölkerung mit cannabinoidhaltigen Arzneimitteln versorgt.
Schätzungen in den USA
In den Vereinigten Staaten von Amerika schätzte man bereits 2018, dass mindestens 3,5 Millionen Patienten im Land einen legalen Zugang zu Cannabis besaßen. Seit diesem Zeitpunkt sollen die Zahlen aufgrund eines entsprechenden Programms für medizinisches Cannabis sowie der Anzahl der Staaten mit einer generellen Legalisierung deutlich zugenommen haben. Auch im Jahr 2018 konnte die Webseite Procon.org bereits aussagen, dass zwischen einem und vier Prozent der Bevölkerung in gewissen Bundesstaaten einen legalen Zugang zu medizinischem Marihuana hatten und darauf wegen gesundheitlicher Gründe zurückgriffen. In Arizona waren es 2,3 Prozent und in Kalifornien ebenfalls. In Colorado waren es 1,5 Prozent der Bevölkerung, während es in Hawaii 1,4 Prozent gewesen sein sollen. Maine punktete mit der hohen Anzahl von 3,8 Prozent am weitesten vorne. Michigan mit 2,7 Prozent, Montana mit 2,4 Prozent und Neumexiko mit 2,5 Prozent stellten die weiteren Spitzenreiter dar. Nur Oregon und Washington bildeten die Schlusslichter mit nur jeweils 1,1 Prozent an Medizinalhanf-Patienten in der Gesamtbevölkerung im Jahr 2018.
Sinkende Zahlen aufgrund der generellen Freigabe
Während diese Zahlen in einigen Bundesstaaten in den folgenden Jahren weiter zugenommen hätten, sanken in anderen Teilen der USA die offiziellen Zahlen der Gesundheitsministerien, so Grotenhermen.
Dies sei mit der generellen Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken in Einklang zu bringen. Es ließe sich davon ausgehen, dass sich Patienten nicht länger kostenpflichtig registrieren haben lassen, wenn der Zugang zu Cannabis vereinfacht und ohne bürokratischen Aufwand ermöglicht worden wäre. Feststellen konnte man diese Entwicklung beispielsweise in Colorado und Oregon, doch auch in Kanada habe die Anzahl der offiziell registrierten Cannabispatienten nach der generellen Legalisierung von Marihuana zu Rauschzwecken im Jahr 2018 abgenommen.
Vergleichbar mit Deutschland?
Dr. Franjo Grotenhermen fragt sich aufgrund der neuen Erkenntnisse und Zahlen, ob eine vergleichbare Situation in Deutschland eintreten könne, wenn Cannabis hierzulande endlich legalisiert worden ist. Es wäre schließlich möglich, dass behandelnde Ärzte ihren Patienten an Herz legen würden, sie nicht länger mit dem bürokratischen Aufwand eines Kostenübernahmeantrages zu belästigen. Denkbar sei es daher, dass sogar die Empfehlung ausgesprochen werden könnte, benötigtes Cannabis in den dafür vorgesehenen Verkaufsstellen für Freizeitkonsumenten einzukaufen.
Das wäre etwas, wovor Bedrocan-Chef Tjalling Erkelens schon vor kurzer Zeit warnte, da es neben der fehlenden medizinischen Betreuung auch zu einer Knappheit von medizinischem Cannabis führen würde.