Sie werden immer mehr, die sogenannten Cannabispatienten. Die Bezeichnung mag vielleicht nicht ganz korrekt sein, Patienten mit Cannabistherapie wäre wahrscheinlich besser. Dennoch hat sich der Begriff Cannabispatient etabliert und wird allgemein verstanden.
Kein Wunder, denn die Zahl der Menschen, die Cannabis als Medizin erhalten, liegt längst im sechsstelligen Bereich, Tendenz nach wie vor steigend. Auch die Entkriminalisierung von Cannabis als Genussmittel wird dem kaum entgegenwirken. Im Gegenteil, die Tatsache, dass Cannabis mit dem CanG auch aus dem BtMG gestrichen wird, erleichtert die Verordnung auf mehreren Ebenen und könnte für viele Menschen die Schwelle zur Cannabistherapie deutlich herabsetzen.
Insbesondere in den ersten Monaten und Jahren nach Inkrafttreten des Cannabis als Medizin Gesetzes war der Mangel an Ärzten, die willig waren, Cannabis auf Rezept zu verordnen, sehr groß. Mittlerweile gibt es Unternehmen und Plattformen, die auf die Verordnung von medizinischem Cannabis spezialisiert sind. In der Regel können Patienten über diesen Weg aber nur sogenannte Privatrezepte erhalten. Das bedeutet dann, dass der Patient sein Medizinalcannabis selbst zahlen muss. An irgendeinem Punkt stellt sich die Frage, wie attraktiv oder unattraktiv ist es für Ärzte, Medizinalcannabis zu verschreiben, und speziell auch sich für die Übernahme der Kosten der Cannabistherapie durch die Krankenkassen einzusetzen.
Cannabis stellt Ärzte vor neue Herausforderungen
Ja, mittlerweile ist aus der Verordnung von Cannabis für medizinische Zwecke eine eigene, blühende Branche geworden. Ärzte haben sich darauf spezialisiert und beschäftigen sich zum Teil beinahe ausschließlich mit der Behandlung von Patienten mit medizinischem Cannabis. Selbstverständlich gehört zur Bewältigung dieser Aufgabe weit mehr als nur ein BtM-Rezeptblock und eine Zulassung als Arzt. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss der Mediziner sich zunächst erst einmal in ein Thema einarbeiten, das in seinem äußerst langen und ausgiebigen Studium eigentlich überhaupt keine Rolle gespielt hat, und das obendrein auch selbst sehr umfangreich ist. Nicht nur die Eigenschaften der vielen Hundert Inhaltsstoffe der Cannabispflanze und die vielen Interaktionsmöglichkeiten untereinander machen Cannabis als Medizin so komplex, auch die unzähligen Einsatzgebiete und Behandlungsmöglichkeiten liefern viel Stoff, den es zu lernen gilt.
Zusätzlich dazu gibt es nun bereits mehr als zweihundert unterschiedliche Cannabismedikamente in den Apotheken. Diese muss der Arzt natürlich nicht alle auswendig kennen, doch er muss sich bei der Wahl eines für seinen jeweiligen Fall geeigneten Medikaments in der Auswahl der Apotheken halbwegs zurechtfinden. Über den eigentlichen Tätigkeitsbereich eines Mediziners, nämlich die Behandlung seines Patienten, hinaus, kommen bei der Verordnung von Cannabis noch weitere Aufgaben auf den Arzt zu. Er muss gegebenenfalls Dokumente ausfüllen können, die dem Patienten dazu verhelfen, mit seinen Cannabismedikamenten zu reisen, auch muss er eventuell dabei helfen, Probleme mit der Fahrerlaubnisbehörde zu vermeiden oder zu beheben.
All die genannten Dinge, so mühsam sie stellenweise auch sein können, bieten zahlreiche Ärzte sehr gerne als Dienstleistung an. Anders sieht es aber bei der Verordnung von Cannabis als Medizin auf Kosten der Krankenkasse aus, und speziell beim Beantragen der Kostenübernahme einer Cannabistherapie.
Die ungeliebte Herausforderung – Antrag auf Erstattung der Therapiekosten
Kennt ein Arzt sich mit medizinischem Cannabis und allen damit zusammenhängenden Aufgaben aus, so ist die Verordnung auf Privatrezept an Selbstzahler relativ einfach und kann auch lukrativ betrieben werden. Deswegen haben sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren mehrere Unternehmen angesiedelt und Medizinalcannabis zu ihrem Kerngeschäft gemacht.
Leider sind nur wenige Ärzte dazu bereit, mit ihren Patienten den mühsamen Weg des Antrags zur Übernahme der Therapiekosten durch die Krankenkasse zu gehen. Dies kann den Mediziner nämlich viel Zeit kosten, und damit auch Geld. Denn während er die Unterlagen zusammenträgt oder den Antrag formuliert, kann er sich natürlich nicht gleichzeitig mit weiteren Patienten beschäftigen. Dies und die verhältnismäßig große Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung machen das Auseinandersetzen mit diesem bürokratischen Teil der Cannabis-medizinischen Praxis nicht gerade verlockend für Ärzte in Deutschland.
Über diese Problematik hinaus tragen die Cannabis verschreibenden Ärzte noch weitere Risiken und Verantwortungen. Diese können manchmal ähnlich sein wie bei anderen Medikamenten, zum Teil unterscheiden sie sich auch gravierend. Bei Patienten, die Cannabis als Medizin auf Kosten der Krankenkasse erhalten, ist der Arzt dazu verpflichtet, die Verordnung und Verwendung zu dokumentieren. Dabei müssen Daten und Informationen über die Diagnose, die verordneten Cannabismedikamente und ihre Dosierung sowie die Wirkung auf den Patienten und vieles mehr zusammengetragen werden.
Medizinische Risiken der Cannabis-Verschreibung
Selbstverständlich ist es sehr erfreulich, wenn ein Arzt von dem therapeutischen Potenzial der Cannabispflanze überzeugt ist. Dennoch ist es wichtig, die Behandlung von Patienten nicht auf die Verordnung von Cannabis zu beschränken, sondern seine Erkrankung und individuelle Situation ganzheitlich zu betrachten. Häufig kann Medizinalcannabis eine wunderbare Ergänzung eines multimodalen Therapiekonzepts sein, in den wenigsten Fällen sollte es als einzige Behandlung in Betracht gezogen werden. Angesichts dessen ist das Einbetten einer Verordnung von medizinischem Cannabis in einen therapeutischen Gesamtkontext von großer Bedeutung für einen Behandlungserfolg.
Im Allgemeinen gilt Cannabis als ziemlich verträglich, dennoch ist es nicht bei jedem Patienten immer frei von unerwünschten Reaktionen oder Nebenwirkungen. Um die Risiken dafür möglichst gering zu halten, müssen vor der Verschreibung die individuellen Gesundheitszustände der Patienten berücksichtigt und gegebenenfalls eine sorgfältige Risikobewertung durchgeführt werden.
Rechtliche Risiken der Cannabis-Verschreibung
Obwohl die Verordnung von Cannabis als Medizin seit März 2017 legal möglich ist, kann auch dieser grundsätzlich gesetzeskonforme Umgang damit rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Verschiedene Gesetze und Vorschriften regeln die Verwendung von Cannabismedikamenten und die Verschreibung durch den Arzt. Sicherzustellen, dass man sich dabei immer im absolut rechtssicheren Bereich bewegt, ist nicht immer einfach für den Mediziner. Prinzipiell müssen natürlich die Diagnose und die dagegen vom Arzt eingeleitete Maßnahme zueinanderpassen. Dabei sollte der Arzt auch ein Auge auf den potenziellen Missbrauch haben, jedoch ohne diesen von vornherein zu unterstellen. Dem Patienten muss er einen verantwortungsvollen und der Behandlung entsprechenden Gebrauch der Cannabismedikamente nahelegen, insbesondere auch im Kontext des Straßenverkehrs. Leichtfertig kann dem Patienten dies ohne jede Überprüfung schriftlich bescheinigt werden. Sollte ein Patient mit einer ärztlichen Bescheinigung über seine Fahrtauglichkeit mit einer massiven Überdosierung hinter dem Steuer erwischt werden oder gar einen Unfall verursachen, so wird dies möglicherweise auch für den Arzt nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Cannabispatienten – Keine einfache Klientel
Ungeachtet aller Risiken und Hürden werden sich mit den Erleichterungen, die das CanG für die Verordnung von Cannabis auf Rezept mit sich bringt, wohl weitere Ärzte der Pflanze als Behandlungsoption zuwenden. Dies wird viele positive, aber auch ein paar negative Auswirkungen haben können. Es ist ohnehin bereits häufig der Fall, dass der Patient sich mit Cannabis besser auskennt als sein verschreibender Arzt. Dies könnte in Zukunft mit neuen Ärzten noch häufiger der Fall sein. Durch Interesse und den regelmäßigen Umgang mit der Materie wird sich der Mediziner schnell zurechtfinden, doch hier ist auch das Verhalten der Patienten wichtig. Arzt und Patient sollten eine möglichst offene Zusammenarbeit pflegen, in der traditionelle Machtgefälle oder auch der größere Wissensumfang des Einzelnen eine untergeordnete Rolle spielen. Der vermeintliche Wissensvorsprung lässt den einen oder anderen Patienten manchmal zur Überheblichkeit neigen.
Vielen Ärzten, die Cannabis verschreiben, schlägt eine verstärkte, negative Beschwerdekultur durch ihre Patienten entgegen, die von Ungeduld und einem unfreundlichen Umgangston begleitet wird. Um die bestmögliche Behandlung gewährleisten zu können, müssen die Ressourcen beider Parteien optimal genutzt werden. Die ehrliche Kommunikation und das Verstehen der jeweils anderen Situation sind für eine funktionierende Cannabistherapie unabdingbar.