Tetrahydrocannabivarin, kurz THCV, ist eines der selteneren Cannabinoide im Hanf. Obwohl es sowohl an den CB1- als auch den CB2-Rezeptoren wirksam ist, ist THCV nicht psychoaktiv. Es ist am CB1-Rezeptor lediglich als inverser Agonist wirksam und kann die psychoaktive Wirkung von THC teilweise aufheben. Das Fehlen einer psychoaktiven Wirkung, könnte es für Patienten mit psychotischen Vorerkrankungen interessant machen, aber auch für Patienten, die keine Beeinträchtigung im Alltag erfahren möchten.
Studienergebnisse legen nahe, dass THCV eine Behandlungsoption für Typ-2 Diabetes darstellen könnte, da es auf mehrere Stoffwechselprozesse einwirkt, die mit dieser Erkrankung im Zusammenhang stehen. Typ2-Diabetes ist in den Industrieländern eine weitverbreitete Stoffwechselkrankheit, die neben genetischen Faktoren vor allem auch durch den Lebensstil verursacht werden kann.
Vonseiten der schulmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten gab es in den vergangenen Jahren keinen neuen Durchbruch. Neben einem angepassten Lebensstil ist vorrangig die Gabe von Insulin die einzige effektive Therapiemöglichkeit. Es bleibt zu hoffen, dass durch eine vermehrte Akzeptanz von Produkten auf Hanfbasis, zeitnah Cannabinoide hier einen entscheidenden Durchbruch bringen könnten.
Vielversprechende Studienlage
Bereits 2016 kam eine britische Studie zu dem Ergebnis, dass THCV ein neuartiger Behandlungsansatz bei Typ2-Diabetes sein könnte. In einer placebokontrollierten Doppelblindstudie erhielten 62 freiwillige Patienten mit Typ2-Diabetes ohne aktive Insulinbehandlung über einen Zeitraum von 13 Wochen, täglich entweder eine Kombination aus THCV und CBD, oder ein Placebo. Nach diesem Behandlungszeitraum wurden die Veränderungen der für Diabetes relevanten Stoffwechselparameter gemessen. Dabei zeigte sich vor allem, dass der relevanteste Parameter, der Blutzuckerspiegel, in der Gruppe, die THCV erhalten hatte, deutlich gesunken war.
In der THCV-Gruppe war der mittlere Nüchtern-Plasmaglukosespiegel von 7.4 auf 6.7 mmol/L gesunken, während er in der Placebogruppe angestiegen war, von 7.6 auf 8.0 mmol/L. THCV zeigte außerdem eine stark verbessernde Wirkung auf die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, die typischerweise bei Diabetes defekt sind. Die Aktivität der sogenannten Pankreas-Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse, wurde durch die Gabe von THCV um fast 40 % gesteigert, während sie in der Placebogruppe weitgehend unverändert blieb. THCV führte zudem zu einer verbesserten Produktion von Adinopektin. Hierbei handelt es sich um ein Hormon, welches die Wirkung von Insulin verstärkt und somit Diabetes entgegenwirkt.
Typischerweise ist bei Adipositas der Blutspiegel von Adinopektin reduziert, was wiederum die Wirksamkeit von Insulin verringert und aus diesem Grund auch die Anfälligkeit für Typ2-Diabetes erhöht. Ein positiver Nebeneffekt von einer erhöhten Produktion von Adinopektin ist obendrein, dass es entzündungshemmend wirkt und Arteriosklerose entgegenwirkt. Zusätzlich wurde durch THCV auch der Blutspiegel des Proteins Apolipoprotein-A erhöht, welches ebenfalls Diabetes entgegenwirkt und die Wirksamkeit von Insulin erhöht.
Sehr gute Verträglichkeit
THCV wurde aufgrund dieser Studie als potenziell hochwirksamer Kandidat zur Behandlung von Typ2-Diabetes befunden. Auffällig war die ausgesprochen gute Verträglichkeit. Es kam bei keinem der Studienteilnehmer zu Nebenwirkungen, die einen Abbruch der Studie erfordert hätten. Die Idee, Cannabinoide zur Blutzuckerregulierung und gegen Diabetes einzusetzen, ist nicht neu. Jeder kennt die appetitsteigernde Wirkung von THC, bei der unter anderem auch der sinkende Blutzuckerspiegel eine ursächliche Rolle spielt.
Bei THC war vorwiegend das altbekannte rechtliche Problem das Hindernis, dieses bislang bei der Volkskrankheit Diabetes einzusetzen. Es gab davor bereits Studien mit anderen Cannabinoiden wie Rimonabant und AM251. Diese beiden synthetischen Cannabinoide weisen zwar ein vergleichbares pharmakologisches Profil auf, jedoch scheinen die Nebenwirkungen erheblich höher zu sein. Studien mit diesen beiden Cannabinoiden mussten abgebrochen werden, aufgrund von Übelkeit und psychiatrischen Nebenwirkungen.
Präventive Wirkung
THCV hat gleichzeitig eine präventive Wirkung gegen die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes. Es hat sich in mehreren Untersuchungen als effektives Vorbeugungsmittel gegen Adipositas erwiesen. Adipositas ist neben der genetischen Veranlagung, der wahrscheinlich wichtigste Risikofaktor für einen Typ 2 Diabetes. THCV wird auch als sogenanntes Diät-Cannabinoid bezeichnet, da es den Appetit hemmt, das Sättigungsgefühl erhöht und die Fettverbrennung ankurbelt.
Der Prozess, mit welchem THCV den Fettstoffwechsel verbessert, ist auf molekularbiologischer Ebene bisher nicht vollständig verstanden. Forscher vermuten, dass dieser Prozess über eine Wirkung des THCV am TRPV1-Rezeptor und am neu entdeckten Cannabinoidrezeptor GPR55 zustande kommt. Insbesondere vom GRP55 Rezeptor ist aus mehreren Untersuchungen bekannt, dass dieser eine zentrale Rolle im Fettstoffwechsel, sowie bei der Aktivität von Insulin spielt.