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Ein Erwachsener verschläft ungefähr ein Drittel seines Lebens. Allerdings stellt der Schlaf keine vergeudete Lebenszeit dar, denn ein gesunder, erholsamer Schlaf ist eine unverzichtbare Quelle der körperlichen Regenerierung und der seelischen Verarbeitung von Erlebtem. Cannabisprodukte wirken sich auf das Schlafbedürfnis bei verschiedenen Personen unterschiedlich aus. Einige Menschen, die an Schlafstörungen leiden, wenden Cannabis, THC oder CBD erfolgreich an, während andere keinen relevanten sedierenden Effekt verspüren.
Schlafstörungen
Während Säuglinge durchschnittlich 16 Stunden täglich schlafen, und davon etwa die Hälfte im REM-Schlaf verbringen, verkürzt sich diese Zeit beim Erwachsenen auf durchschnittlich 8 Stunden, mit einem Anteil von etwa 20 Prozent REM-Schlaf. Der Schlafbedarf unterliegt allerdings starken individuellen Schwankungen. Ob eine Schlafstörung vorliegt, lässt sich daher oft nicht an der Schlafdauer ablesen.
REM ist die Abkürzung für Rapid Eye Movement (englisch: Schnelle Augenbewegungen). Dieses Stadium ist von schnellen Augenbewegungen unter den geschlossenen Augenlidern begleitet. Während des REM-Schlafes wird intensiv geträumt. Der REM-Schlaf ist wichtig für die Speicherung, Bewahrung und Reorganisierung von Erinnerungen und neu Gelerntem sowie für das Vergessen unwichtiger Gedankeninhalte.
Die häufigste Schlafstörung ist schlechter und wenig erholsamer Schlaf. Meistens ist die Gesamtschlafzeit gemessen am individuellen Schlafbedarf verkürzt. Schlechter Schlaf kann durch Ein- oder Durchschlafstörungen gekennzeichnet sein, oder durch frühes Erwachen. Seltenere Schlafstörungen sind durch gesteigerte Müdigkeit und Einschlafen während des Tages gekennzeichnet. Diese kommen bei der Narkolepsie, dem spontanen Einschlafen während des Tages, beim Restless-Legs-Syndrom, dem Syndrom der „unruhigen Beine“ und beim Schlaf-Apnoe-Syndrom vor. Das Schlaf-Apnoe-Syndrom ist durch eine kurze Unterbrechung der Atmung während des Schlafes gekennzeichnet.
Wirkungen von THC auf den Schlaf
Cannabis und THC wirken bei vielen Menschen beruhigend und schlaffördernd. Diese Wirkung von THC-haltigen Cannabisprodukten ist seit vielen Jahrhunderten bekannt und wird auch therapeutisch verwendet. So veröffentlichte Dr. Bernhard Fronmüller, Arzt am Krankenhaus in Fürth und königlich bayerischer Bezirksarzt, im Jahre 1869 die viel beachtete Arbeit „Klinische Studien über die schlafmachende Wirkung der narkotischen Arzneimittel“ über seine Erfahrungen bei genau eintausend Patienten, die aus unterschiedlichen Ursachen an schweren Schlafstörungen litten und von ihm mit verschiedenen Medikamenten behandelt worden waren. Danach war Cannabis in 53 Prozent der Fälle gut wirksam, in 21,5 Prozent teilweise und in 25,5 Prozent nicht oder nur gering wirksam. Im Vergleich zu Opium stellte er fest: „Die gesamte Wirkung von Hanf ist weniger heftig, führt zu einem natürlicheren Schlaf und stört die Funktion der inneren Organe nicht …“ Besonders bei Altersschlaflosigkeit wurden Cannabisprodukte im 19. Jahrhundert gern verordnet.
Oft wird der sedierende Effekt der Cannabinoide als Nebenwirkung wahrgenommen. Beispielsweise gaben in einer kalifornischen Studie bei Patienten unter Krebschemotherapie 52 Prozent der Patienten, die Cannabis zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen erhalten hatten, und 64 Prozent der Patienten, die THC eingenommen hatten, eine Sedierung als Nebenwirkung der Therapie an.
Nach diesen Beobachtungen kann man davon ausgehen, dass bei etwa der Hälfte der Konsumenten Cannabis sedierend bzw. schlaffördernd wirkt.
Wirkungen von CBD auf den Schlaf
Die Wirkung von CBD auf den Schlaf könnte dosisabhängig sein, wobei niedrigere Dosen anregend und hohe Dosen sedierend wirken könnten. Es könnte aber auch sein, dass wie beim THC verschiedene Menschen nur unterschiedlich reagieren.
In einer klinischen Studie erhielten 8 Probanden vier verschiedene Präparate vor dem Zubettgehen: ein Placebo, 15 mg THC, 5 mg THC in Kombination mit 5 mg CBD, und 15 mg THC in Kombination mit 15 mg CBD. 15 mg THC erhöhte die Schläfrigkeit, während 15 mg CBD eine anregende Wirkung hatte.
CBD erhöhte dagegen bei Ratten die Gesamtschlafzeit sowie die benötigte Zeit, um einzuschlafen. Bei den Tieren, die die höchste Dosis erhielten, wurde die Tiefschlafphase verstärkt. Eine vermehrte Schläfrigkeit wurde als Nebenwirkung auch in einigen klinischen Studien beobachtet. In einer Umfrage aus dem Jahr 2015 mit 163 Erwachsenen, die Cannabis für eine körperliche oder psychische Erkrankung kauften, gab es Beziehungen zwischen den Schlaf-Charakteristika und der Art des verwendeten Cannabis. Die 81 Personen mit Schlaflosigkeit und größerer Schwierigkeit einzuschlafen, verwendeten mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Cannabissorten mit signifikant höheren CBD-Konzentrationen.
Verbesserung des Schlafes durch Linderung körperlicher und psychischer Symptome
Schwere Erkrankungen, die mit Schmerzen, Juckreiz oder anderen permanent vorhandenen belastenden Symptomen einhergehen, lassen den Betroffenen oft auch nachts nicht zur Ruhe kommen. Cannabisprodukte können den Schlaf bei vielen Personen, die an schweren Erkrankungen leiden, verbessern, indem sie diese belastenden Symptome positiv beeinflussen. Beispielsweise wurde THC bei einigen Patienten angewendet, die an einem schweren Juckreiz litten, der durch Lebererkrankungen mit einem Stau der Galle bedingt war. THC linderte den Juckreiz deutlich, sodass die Betroffenen auch länger schlafen konnten.
Auch Depressionen, Angststörungen, Hyperaktivitätsstörungen und andere seelische Erkrankungen können mit Schlafstörungen einhergehen, sodass eine Besserung durch Cannabinoide auch den Schlaf verbessern kann.
Grundlagenforschung zur Wirkung der Cannabinoide auf den Schlaf
Anandamid, das bekannteste vom Körper gebildete Endocannabinoid, verlängert bei Ratten den Schlaf. Sowohl die im Tiefschlaf als auch die im REM-Schlaf verbrachte Zeit nahm zu. Anandamid vermittelt seine schlaffördernden Eigenschaften über die Aktivierung von Cannabinoidrezeptoren im Gehirn. Das körpereigene Cannabinoidsystem spielt also möglicherweise eine natürliche Rolle beim Schlaf. Vielleicht spielen dabei auch Wechselwirkungen von Cannabinoiden mit dem Hormon Melatonin und dem Botenstoff Serotonin eine Rolle.
Der Schlaf wird durch verschiedene Hormone beeinflusst, ohne dass bisher eine vollständige Klarheit über die hormonelle Steuerung des Schlafes besteht. Sicher ist, dass das in der Zirbeldrüse (Epiphyse) gebildete Hormon Melatonin eine wichtige Rolle dabei spielt. Melatonin macht müde, und es wird daher oft als Schlafhormon bezeichnet. THC stimuliert die Melatoninsekretion, was ein möglicher Mechanismus für die schlaffördernde Wirkung von Cannabis sein könnte. Auch der Botenstoff Serotonin ist für den Schlaf von Bedeutung. Ein Mangel an Serotonin kann zu Antriebslosigkeit, Depressionen und Schlaflosigkeit führen. Es ist bekannt, dass Cannabinoide vielfältige Wechselwirkungen mit dem Serotonin-System ausüben, zum Teil hemmend, zum Teil fördernd.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ich möchte den Einsatz von Cannabinoid-Medikamenten bei schweren Schlafstörungen anhand eines Beispiels aus meiner Praxis vorstellen. Es handelt sich um einen damals 60-jährigen Mann, nennen wir ihn Herrn Sommer, der mit meiner Unterstützung eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle erhalten hatte. Sein gesundheitliches Hauptproblem waren die chronischen Schlafstörungen, die wegen eines gleichzeitig bestehenden Schlafapnoe-Syndroms, also Atemaussetzern während der Nacht, nicht mit den üblichen Schlafmitteln behandelt werden konnte, da sich sonst die Schlafapnoe verstärkte. Die Schlafapnoe selbst wurde gut mit einer speziellen nachts getragenen Atemmaske behandelt. Unbehandelt setzte seine Atmung in der Nacht bis zu zwei Minuten aus. Ohne die Verwendung von Cannabisprodukten schlief er maximal 3,5 Stunden, bei der Verwendung von Cannabis bis zu 7 Stunden.
In einem Schlaflabor wurde sein Schlaf ohne Cannabis und später unter dem Einfluss von Cannabis gemessen. Die Schlafeffizienz verbesserte sich durch die Einnahme von Cannabis von 48,5 auf 66,4 Prozent, die Gesamtschlafzeit von 3 Stunden und 20 Minuten auf 5 Stunden und 27 Minuten. Der Wachanteil reduzierte sich von etwa 3,5 Stunden auf etwa eine halbe Stunde. Auch die übrigen Messwerte zur Schlafqualität wurden durch die Verwendung von Cannabis verbessert. Durch den erholsameren Schlaf verbessern sich einige bei ihm mit dem Schlaf assoziierte Störungen, darunter Tinnitus, Schwindelgefühl, Müdigkeit und Erschöpfung während des Tages sowie Konzentrationsstörungen.
Nach Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle für die Verwendung von Cannabisblüten hatte er einen erneuten Aufenthalt in Schlaflabor. Dazu schrieb er in einer E-Mail: „Letzte Woche hatte ich mal wieder eine ausgiebige Schlafmessung und, Dr. XY ist sehr zufrieden. Mein Eindruck hat sich bestätigt, mein Schlaf ist nun fast normal. Bedingt durch Kabel, Schläuche und Pflaster im Gesicht und die dadurch bedingten Störungen (Juckreiz etc.) habe ich zwar etwas kürzer geschlafen, aber der Schlaf an sich war o.k. Seit 5 Jahren das erste Mal Schlafstadium 4 und Tiefschlaf.“