Das Immunsystem des Menschen ist absolut überlebenswichtig. Wir könnten ohne ihm die Vielzahl an Mikroben, von denen wir täglich berieselt werden, nicht abwehren. Jeder Keim könnte eine potenziell gefährliche Infektion auslösen. Es gibt jedoch Einzelfälle, in denen es medizinisch nicht anders geht, als mittels Medikamenten die Aktivität des Immunsystems gezielt zu reduzieren. Dies kann zum Beispiel nach Organtransplantationen der Fall sein. Es kommt vor, dass das Immunsystem das fremde Organ als feindlich erkennt und angreift.
Aber auch Autoimmunerkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen Zellen des eigenen Körpers richtet, zählen zu den Indikationen, bei denen eine absichtliche medikamentöse Unterdrückung des Immunsystems nötig werden kann. Die Gruppe der Medikamente, die hier zum Einsatz kommen, nennt man Immunsuppressiva. Eine Unterdrückung des Immunsystems bringt jedoch enorme Nachteile mit sich, die im Einzelfall genau abgewogen werden müssen. Vor allem die erhöhte Infektanfälligkeit ist ein großes Problem.
Viele Erkrankungen, die eine Unterdrückung des Immunsystems nötig machen, sind entzündlich bedingt, sodass potenziell auch medizinisches Cannabis eine zusätzliche Behandlungsoption sein könnte. Gleichzeitig kann für solche Patienten Cannabis ein Segen sein, da es den Appetit steigert und Schmerzen lindert. Allerdings gibt es auch hier einige Faktoren zu beachten.
Schimmelpilze als großes Risiko
Ein großes Problem, welches primär der Prohibition geschuldet ist, sind Schimmelpilze im Cannabis. Bis zum heutigen Tag ist es ein steiniger Weg, Cannabis vom Arzt verschrieben zu bekommen und im Idealfall auch noch eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse zu erhalten. Aufgrund dieser bürokratischen Hürden greifen viele Patienten auf Cannabis vom Schwarzmarkt zurück. Medizinisches Cannabis wird in der Regel sterilisiert, jedoch am Schwarzmarkt gibt es keinerlei Qualitätssicherung. Durch unzureichende Methoden der Trocknung und der Lagerung kann das Cannabis in diesem Fall mit Schimmelpilzen belastet sein. Was für einen Menschen mit intaktem Immunsystem kein Problem ist, kann jedoch bei einem unterdrückten Immunsystem das Todesurteil sein.
Am gefährlichsten sind an dieser Stelle Pilze der Gattung Aspergillus. Die Sporen von diesem Schimmelpilz werden auch durch die Hitze beim Rauchen nicht zuverlässig abgetötet und können so in die Lunge geraten. Dort können sie Aspergillose auslösen, die ohne funktionierendes Immunsystem potenziell tödlich ist. Auch viele weitere Schimmelpilze, die in Cannabis vorkommen und für ein gesundes Immunsystem kein Hindernis darstellen, können in solchen Fällen zur Gefahr werden. Eine Alternative wäre es hier, auf orale Cannabisprodukte zurückzugreifen. Orale Präparate wie Dronabinol oder Nabilon enthalten keine Schimmelpilze. Auch Cannabis, welches in Form von Backwaren genossen wird, ist in diesem Fall deutlich sicherer. Denn der gefährlichste Pilz, der Aspergillus, kann auf diesem Weg nicht übertragen werden.
Wechselwirkungen über CYP-Enzyme
CBD wird in der Leber über die sogenannten CYP-Enzyme abgebaut. Jedoch werden auch einige Immunsuppressiva über die gleichen Enzyme abgebaut, sodass hier eine gegenseitige Beeinflussung nicht ausgeschlossen werden kann. Insbesondere sind hier die Immunsuppressiva Cyclosporin und Tacrolimus zu nennen, die bei Organtransplantationen zur Anwendung kommen, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. In diesem Fall kann es zu einer ungewollten Verstärkung der medikamentös herbeigeführten immunsuppressiven Wirkung kommen.
Zu beachten ist, dass auch die meisten anderen Cannabinoide über die CYP-Enzyme abgebaut werden. In der Regel sind mehrere verschiedene CYP-Enzyme am Abbau beteiligt, sodass es auch hier zu Wechselwirkungen mit Immunsuppressiva kommen kann. Auf jeden Fall ist es ratsam, hier ein regelmäßiges Monitoring aller Entzündungsparameter im Blut durchzuführen, um auf etwaige Entgleisungen rasch reagieren zu können und Dosierungen anpassen zu können.
Cannabinoide möglicherweise selbst immunsuppressiv
Die Studienlage ist bisher nicht eindeutig auf diesem Gebiet, aber man geht davon aus, dass Cannabinoide wie THC und CBD selbst temporär bestimmte Prozesse im Immunsystem unterdrücken. Manche Arten von entzündungshemmenden Wirkungen, die Cannabinoide am CB2-Rezeptor aufweisen, sind nur durch die Unterdrückung von Immunreaktionen zu erklären.
Dieser Effekt ist aber nur von kurzer Dauer und darf nicht als nachhaltige Beeinträchtigung der Immunabwehr verstanden werden. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass es in so einem Fall zu Wechselwirkungen mit Immunsuppressiva kommt, da diese ebenfalls Aktivitäten im Immunsystem reduzieren. Gleichzeitig kann aber CBD helfen, wiederum einige Nebenwirkungen von Immunsuppressiva zu lindern. Der Zusammenhang ist hier sehr komplex und muss im Einzelfall von Patient zu Patient beurteilt werden.