Unter dem menschlichen Mikrobiom versteht man eine Kultur aus Billionen von Bakterien, die sich in unserem Darm befinden. Diese Bakterienkultur bildet ein eigenes Ökosystem in unserem Körper und trägt maßgeblich zu unserer Gesundheit und Wohlbefinden bei. Ein gut funktionierendes Mikrobiom ist essenziell für zahlreiche weitere Prozesse im Körper, wie die Verdauung, die Immunabwehr und sogar die Gehirnfunktion.
Dementsprechend kann eine Fehlfunktion im Mikrobiom, etwa durch die Abnahme von nützlichen Bakterien oder durch die unkontrollierte Ausbreitung schädlicher Keime, weitreichende gesundheitliche Folgen haben. Fast alles, was wir zu uns nehmen, beeinflusst auf die eine oder andere Weise unser Mikrobiom, da es den Darm durchquert. Es gibt eigene Probiotika, also Nahrungsergänzungsmittel, die nützliche Darmbakterien enthalten, um das Mikrobiom zu erhalten oder den Wiederaufbau zu fördern, etwa nach einer Therapie mit Antibiotika, die häufig das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht bringt.
Endocannabinoidsystem als Schnittstelle zwischen Mikrobiom und Gehirn
Das Mikrobiom im Darm und das Gehirn kommunizieren miteinander, unter anderem über das körpereigene Endocannabinoidsystem. Der aktuelle Wissensstand ist, dass das Endocannabinoidsystem als eine Art Kommunikationsschnittstelle dient, zwischen der Bakterienkultur im Darm, dem Darm und dem Gehirn, welche in beide Richtungen funktioniert. Da Cannabinoide wie CBD an den Rezeptoren des Endocannabinoidsystems andocken, könnten sie einen weitaus größeren indirekten Effekt auf das Mikrobiom haben, als bislang angenommen.
Ein simpler Effekt von Cannabis auf den Magen-Darmtrakt, den sicherlich viele kennen, die schon einmal Cannabis konsumiert haben, ist der typische Heißhunger. Zwar wird dieser nicht durch eine Wirkung auf das Mikrobiom ausgelöst, jedoch zeigt dieses Beispiel auf sehr nachvollziehbare Weise, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Cannabinoiden und dem Verdauungssystem gibt, denn auch im Magen und Darm befinden sich CB1- und CB2-Rezeptoren.
Interaktion mit dem Mikrobiom – Teil der CBD-Wirkung
Es ist bekannt, dass CBD bei einer Reihe von Darmerkrankungen, wie dem Reizdarmsyndrom hilfreich sein kann, indem es dort Entzündungen verringert, oder eine regulierende Wirkung auf die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut hat. Früher ging man davon aus, dass dieser Effekt durch die unmittelbare Einwirkung von CBD auf den Darm zustande kommt, doch das neuere Verständnis ist, dass diese Effekte von CBD zu einem großen Teil durch die oben beschriebene, auf Cannabinoiden basierende Kommunikationsschnittstelle zwischen Gehirn und Darm zustande kommt. Indem über das Endocannabinoidsystem mittels CBD die Darmaktivität moduliert werden kann, wird dadurch auch in der Darmflora das Wachstum nützlicher Bakterien angeregt, die wiederum pathogene Keime verdrängen.
Auf diese Weise ist CBD sozusagen ein indirektes Probiotikum. Hier werden nicht wie durch konventionelle Nahrungsergänzungsmittel nützliche Bakterien zugeführt, sondern die Vermehrung von nützlichen Mikroben wird über das Endocannabinoidsystem reguliert. Umgekehrt kann eine ungünstige Veränderung im Mikrobiom, etwa eine Ausbreitung pathogener Keime, über das Endocannabinoidsystem dem Gehirn eine depressive Verstimmung kommunizieren. Es ist bekannt, dass CBD gegen einige psychische Erkrankungen wie Psychosen oder auch Depressionen hilfreich sein kann. Bislang ging man davon aus, dass der Effekt durch die direkte Wirkung von CBD auf das Gehirn erzeugt wird. Doch auch hier mehren sich die Vermutungen, dass nicht nur die unmittelbare Wirkung im Gehirn ausschlaggebend ist, sondern auch die positive Veränderung im Mikrobiom. Dieses kommuniziert über das Endocannabinoidsystem mit dem Gehirn und meldet eine Verbesserung der Symptomatik.
Noch keine klinischen Studien am Menschen
Zwar stehen klinische Studien am Menschen noch aus und die oben beschriebenen Effekte werden bislang aus dem aktuellen Wissensstand des Mikrobioms abgeleitet, jedoch konnte ein Zusammenhang zwischen dem Mikrobiom und dem Endocannabinoidsystem an Mäusen bestätigt werden. Mäuse haben ebenfalls ein Mikrobiom aus Bakterien mit gleichem Funktionsprinzip in ihrem Darm. Effekte, die in diesem Mikrobiom festgestellt werden, lassen sich weitgehend auf den Menschen übertragen.
Erstmalig experimentell nachgewiesen wurde dieser komplexe Zusammenhang im Jahr 2010. Ein Forscherteam aus Belgien verabreichte Mäusen Präbiotika, also Substanzen, welche das Wachstum der nützlichen Bakterien im Mikrobiom fördern. Danach wurde die Aktivität des Endocannabinoidsystems im Fettgewebe gemessen und es zeigte sich, dass das Endocannabinoidsystem in diesem Gewebe in die Richtung moduliert wurde, dass es die Fettverbrennung fördert. Ebenfalls an Mäusen festgestellt wurde im Jahr 2020 in einer US-Studie, dass Veränderungen des Mikrobioms gleichzeitig zu einer Veränderung im Endocannabinoidsystem führt, was in weiterer Folge depressive Symptome auslöste.
Eine weitere im Jahr 2020 durchgeführte Studie untersuchte die Wirkung von CBD auf das Mikrobiom von Mäusen. Dabei zeigte sich, dass eine Zufuhr geringer Dosen von CBD zu einem deutlichen Anstieg der probiotischen Bakteriengattung A. muciniphila führte. Parallel dazu sank die relative Häufigkeit pathogener Darmbakterien. Jedoch stellte sich ebenfalls heraus, dass es bei einer hohen Dosis CBD zu lokalen Immunreaktionen im Dickdarm kam, die einen negativen Einfluss auf die Durchlässigkeit der Darmschleimhaut hat. Dies führte dazu, dass durch die erhöhte Durchlässigkeit vermehrt Toxine ungehindert vom Darm in das Blut übergehen. Aufgrund dieser Ergebnisse kann noch nicht abschließend beantwortet werden, ob eine Dauereinnahme von CBD beim Menschen eine ausschließlich positive Wirkung auf das Mikrobiom hat, auch wenn als gesichert gilt, dass CBD entzündliche Darmerkrankungen lindern kann.