Ein Schlaganfall ist eine weitverbreitete, akut lebensbedrohliche Erkrankung, die aufgrund einer spontanen Durchblutungsstörung im Gehirn auftritt. Die Ursache sind in der Regel Thrombosen oder Arteriosklerose, wodurch die Durchlässigkeit der kleinen Blutgefäße im Gehirn reduziert wird und plötzlich ausfallen kann. Je nachdem, welcher Bereich des Gehirns nicht mehr durchblutet und somit nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird, können unterschiedlich schwere Folgeschäden auftreten.
Häufig kommt es zu motorischen Ausfällen, die besonders halbseitig auftreten. Auch Gedächtnisverlust und Muskelspasmen treten auf. Bei einem Schlaganfall sind die notärztlichen Sofortmaßnahmen entscheidend, um eine Schadensbegrenzung zu erreichen. Die Rehabilitation von bereits erlittenen Schäden kann sich als schwierig gestalten. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass Cannabis hier eine entscheidende Wirkung haben könnte. Einige Cannabinoide sind neuroprotektiv. Diese können helfen, den Schaden zu minimieren. Auch Spätfolgen wie Muskelspasmen lassen sich mit Cannabinoiden wie THC lindern.
Neuroprotektive Wirkung trägt zur Schadensbegrenzung bei
Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Cannabinoide aufgrund ihrer neuroprotektiven Wirkung dazu geeignet sein könnten, den akut auftretenden Schaden bei einem Schlaganfall möglichst zu begrenzen. Zwar gibt es in diesem Zusammenhang noch keine klinischen Studien am Menschen, jedoch lassen Untersuchungen an Zellkulturen und Mäusen auf großes Potenzial hoffen. Es wurde beobachtet, dass das Absterben von Gehirnzellen bei einem Schlaganfall, in einem engen Zusammenhang mit dem CB2-Cannabinoidrezeptor steht. Bisherige Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass eine agonistische Wirkung an den CB2-Rezeptoren, die entstehenden neurologischen Schäden deutlich begrenzen kann.
Über die Wirkung am CB2-Rezeptor können offenbar intrazelluläre Prozesse gehemmt werden, die bei einem Schlaganfall für eine Art Massensterben von Gehirnzellen verantwortlich sind. In Studien wurde für diesen Zweck das Cannabinoid JWH-133 benutzt. Da jedoch CBD und einige weitere Cannabinoide im Hanf ebenfalls eine agonistische Wirkung am CB2-Rezeptor aufweisen, kann davon ausgegangen werden, dass mit denen eine vergleichbare Wirkung erreichbar ist. Forscher gehen davon aus, dass in Zukunft die sofortige Verabreichung von einem entsprechenden Cannabinoid, auch beim Menschen die Folgeschäden nach einem Schlaganfall begrenzen könnte.
Untersuchungen am Menschen konnten außerdem zeigen, dass nach einem Schlaganfall die Konzentration von körpereigenen Cannabinoiden, insbesondere jene von 2-AG, stark und nachhaltig abnimmt. Dadurch wird das Gehirn in eine Art dauerhaften Stresszustand versetzt, was mit einer Reihe an zusätzlichen kognitiven Beeinträchtigungen einhergeht. Zusätzlich wirkt 2-AG neuroprotektiv. Auch diese Schutzfunktion fehlt durch den rapiden Abfall seiner Konzentration im Gehirn. Die Verabreichung von THC könnte ein einfaches, aber effektives Mittel sein, um dieses Defizit auszugleichen, da die Wirkung von THC weitgehend mit jener von 2-AG vergleichbar ist.
Cannabis lindert Muskelspasmen
Bei vielen Patienten kommt es nach einem Schlaganfall zu Muskelspasmen. Das sind unwillkürliche Krämpfe und Zuckungen in der Muskulatur, infolge einer defekten Ansteuerung. Es gibt mehrere Studien, die klar belegen, dass sich dieses Symptom effektiv mit Cannabis bekämpfen lässt. Die krampflösende Wirkung von Cannabis bei Spasmen ist auch bereits bei anderen Erkrankungen hinreichend belegt. Cannabispräparate werden schon seit Langem erfolgreich gegen Spastiken im Zusammenhang mit Multiple Sklerose eingesetzt. Der zugrundeliegende Defekt im Zentralnervensystem ist hier der gleiche wie bei einer Schädigung durch einen Schlaganfall.
Eine der größten klinischen Studien auf diesem Gebiet stammt aus dem Jahr 2013 und wurde in Großbritannien durchgeführt. Ziel dieser Studie war es, die Effektivität von Sativex gegen Muskelspasmen im Zuge einer Langzeittherapie zu beurteilen. Sativex ist ein standardisiertes Cannabisextrakt, das THC und CBD enthält. 146 Patienten, die an dieser Studie teilnahmen, verabreichten sich 1 Jahr lang täglich Sativex in Form eines Mundsprays. Dabei betrug die durchschnittliche Dosis 7 Sprühstöße pro Tag, was einer Menge von 130 mg THC und 120 mg CBD entspricht.
Um die subjektiv empfundene krampflösende Wirkung in Zahlen messen zu können, kam eine 11-Punkte-Skala zur Anwendung. Es zeigte sich bei fast allen Patienten eine deutliche Verbesserung der Symptomatik. Auffällig an dieser Studie war außerdem, dass gegen die krampflösende Wirkung von Sativex offenbar auch nach 1 Jahr täglicher Einnahme, keine Toleranz aufgebaut wurde. Auch nach diesem langen Zeitraum berichteten Patienten noch von einer gleichbleibenden Wirkung, bei derselben Dosis.
Wirksam gegen das Schlaganfall-Schmerzsyndrom
Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass Cannabis auch dazu geeignet ist, die Symptome eines sogenannten zentralen Post-Schlaganfall-Schmerzsyndroms zu lindern. 2021 wurde in Großbritannien der Fall eines 61-jährigen Patienten bekannt, der nach einem Schlaganfall genau an dieser Problematik litt. Dieser wurde zunächst mit einer Reihe konventioneller Medikamente aus der Schulmedizin behandelt. Darunter waren Mittel gegen neuropathische Schmerzen wie Pregabalin, aber auch Opiate kamen zum Einsatz.
Keine dieser Behandlungen brachte die erwünschte Wirkung. Erst die Einnahme von Sativex brachte innerhalb von 2 Tagen eine sehr deutliche Verbesserung. Der Zustand des Patienten wurde daraufhin über 10 Monate überwacht. Er benötigte während dieser Zeit kein anderes Medikament mehr außer Sativex. Das Schlaganfall-Schmerzsyndrom ist eine Form von neuropathischen Schmerzen. Es ist auch von anderen Erkrankungen bereits lange bekannt, dass Cannabis hocheffektiv gegen neuropathische Schmerzen wirkt. Somit könnte es zukünftig auch für Schmerzpatienten infolge eines Schlaganfalls, eine effektive und nebenwirkungsarme Behandlungsform darstellen.