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Regelmäßig erscheinen Videos, in denen Parkinson-Patienten mit ein paar Zügen von einem Joint ihre Symptome lindern. Das typische Zittern hört praktisch sofort auf. Gepostet und geteilt werden diese Filme von Patienten und Cannabis-Aktivisten. Aber sind das wirklich stichhaltige Argumente für regelmäßigen Einsatz von Cannabis gegen Parkinson?
Wenn Cannabis tatsächlich zuverlässig gegen Symptome von Morbus Parkinson hilft, wäre das in der Tat eine sehr gute Nachricht, sowohl für Erkrankte, deren Angehörige und auch für Cannabis-Aktivisten. Es handelt sich bei Parkinson um ein relativ häufiges, bislang unheilbares Leiden, welches einige öffentliche Aufmerksamkeit genießt. Einige prominente Patienten wie der Boxer Muhammad Ali oder der Schauspieler Michael J. Fox bringen die Krankheit regelmäßig in die Medien. Mit weltweit 7 Millionen Patienten, davon 1 Million in den USA und geschätzt 300.000 Betroffenen in Deutschland ist Parkinson die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung nach Alzheimer.
Neurodegenerativ bedeutet im Falle von Parkinson die dauerhafte, irreparable Zerstörung von Zellen im Mittelhirn, genauer, der sogenannten Substantia Nigra, welche Dopamin als Neurotransmitter produzieren. Genaue Ursachen für deren Zerstörung sind nicht geklärt, es gibt verschiedene genetische als auch externe Faktoren. Damit wäre Parkinson auch nicht eine Krankheit, sondern eine Gruppe von Erkrankungen, welche aber alle dieselbe Hirnregion betreffen und deshalb dieselben Symptome verursachen. Und zwar die sogenannten motorischen Symptome, typische Lähmungen und nicht motorische Symptome wie Muskelschmerzen und eine Reihe psychischer Veränderungen von Depressionen über psychotische Zustände bis Demenz.
Die Mechanismen sind recht gut verstanden, der Dopaminmangel, welcher die motorischen Symptome auslöst, dient als Standard, um Medizinstudierende die Funktion der sogenannten Basalganglien, einer Gruppe zusammenhängender Hirnareale, zu vermitteln. Das Dopamin aus der Substantia Nigra nämlich steht am Anfang einer Verschaltungskette, welche den Thalamus steuert. Der Thalamus ist eine Zellgruppe der Basalganglien und gibt entscheidende Bewegungsimpulse für den Körper. Jede willkürliche Bewegung muss nämlich durch ein Signal der Thalamus-Neuronen freigegeben werden.
Die Hauptsymptome von Parkinson:
- Akinese (Verlangsamung der Bewegungen). Nur wenn dieses Symptom vorhanden ist, spricht man von Parkinson.
- Rigor (Steifheit der Muskulatur)
- Tremor (Zittern)
- Posture (Haltungsstörungen)
- Bradykinesie (Willkürstörung)
Weitere Nebensymptome von Parkinson:
- Mikrographie (kleine, engmaschige Handschrift)
- Nachziehen eines Fußes
- Das Einfrieren in einer Bewegung
- Starre Gesichtsmuskeln
- Verlust der Mimik
- Hypophonie (leise, gedämpfte Stimme)
- das nach hinten Umfallen
- verminderte Reflexe für Blinzeln und Schlucken
Weitere Begleiterscheinungen von Parkinson:
- Stimmungsschwankungen (Depression, Reizbarkeit und Ängste)
- Konzentrationsstörungen
- langsames Denken
- Gedächtnisprobleme
- Sprachschwierigkeiten
- Demenz
- Persönlichkeitsänderungen
- Halluzinationen
- Blutdruckabfall im Stehen
- Schlafstörungen und Schlaflosigkeit
- Tagesmüdigkeit
- Restless-Legs-Syndrom
- Verstopfung
- Völlegefühl
- Schmerzen
- Starkes Schwitzen
- Sehschwierigkeiten
- Verminderter Geruchssinn
- Gewichtsverlust oder -zunahme
- Verstopfung
Die Lähmung von Parkinson-Patienten besteht darin, dass bewusste Willensentscheidungen aus der Großhirnrinde nicht vom Thalamus freigegeben werden. Das äußert sich in Steifheit, langsamen Bewegungen und dem Ruhezittern. Der Patient will sich bewegen, seine Muskeln und Körpernerven sind völlig intakt, aber der Befehlsweg ist unterbrochen.
Die etablierte Behandlung der motorischen Symptome besteht darin, Dopamin zu ersetzen und durch Gabe von MAO-Hemmern den Neurotransmitterspiegel zu normalisieren. Das funktioniert gut, solange die Zerstörung der Substantia Nigra noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Der Verfall der Nervenzellen lässt sich bisher nicht aufhalten. Die nicht motorischen Symptome werden jeweils gesondert mit speziellen Medikamenten behandelt. Zur bloßen Symptombehandlung bräuchte man also keine zusätzliche Cannabis-Medikation.
Die Wirkung von Cannabinoiden bei Parkinson
Die Erfahrungen mit Cannabis aber legen nahe, dass Cannabinoide mehrere Symptome auf einmal lindern bei deutlich weniger schädlichen Nebenwirkungen. Ferner wird vermutet, dass Cannabis zusätzlich neuroprotektive Eigenschaften besitzt, also den Verfall von Nervenzellen aufhalten könnte. Damit wäre erstmals ein Medikament in Sicht, welches die Krankheit wirklich eindämmt.
Im Bereich der Basalganglien ist das Endocannabinoidsystem in ungewöhnlich hoher Dichte vorhanden. Dazu zählt man typische Cannabinoid-Rezeptoren CB1 und TRPV1, Endocannabinoide wie Anandamid und die Enzyme für deren Auf- und Abbau. Bei Zellschäden, die zu Parkinson-Symptomen führen, verändert sich das Endocannabinoidsystem zudem deutlich.
Das legt nahe, dass Gabe von Cannabinoiden ebenfalls ein sinnvoller Therapieansatz sein könnte. Cannabinoide regulieren die Signalübertragung durch Neurotransmitter, unter anderem verstärken sie die Wirkung von Dopamin, was die Linderung der motorischen Symptome erklären würde. Zusätzlich wirken Cannabinoide entkrampfend, schmerzlindernd und antipsychotisch und decken damit weitere Bereiche der Parkinson-Symptomatik ab. Besonderes Interesse besteht aber an der antioxidativen und entzündungshemmenden Wirkung, welche das Fortschreiten von Zellschäden bremst.
Zur Zeit sind Cannabisprodukte in sechs US-Bundesstaaten explizit für die alternative Behandlung von Parkinson-Erkrankungen zugelassen. In weiteren Staaten können sie innerhalb der Zulassung für chronische Erkrankungen verschrieben werden. Einen Überblick über die derzeitige Studienlage bietet das Review 1 von Mariana Babayeva u. a. vom Touro College of Pharmacy.
2014 führten Wissenschaftler aus Israel (Abteilung für Neurologie am Rabin Medical Center) eine Studie mit 24 an Parkinson leidenden Patienten durch. Innerhalb von 30 Minuten nach dem Konsum konnte eine allgemeine Verbesserung der motorischen Symptome festgestellt werden. Es gab spürbare Verbesserungen hinsichtlich der Steifheit, des Tremors und der Bradykinesie.
Die Forscher beobachteten eine allgemeine Verbesserung der motorischen Symptome innerhalb von 30 Minuten nach dem Cannabiskonsum. Die Forscher erwähnten besonders die spürbaren Verbesserungen hinsichtlich Tremor, Starre und der Bradykinesie. Auch die Schmerzen waren verringert und viele Patienten genossen einen verbesserten Schlaf.