Chronische Polyarthritis, auch bekannt als rheumatoide Arthritis oder entzündliches Gelenkrheuma, ist die am häufigsten auftretende entzündlich-rheumatische Erkrankung überhaupt. Alleine in Deutschland leidet über eine halbe Million Menschen darunter. Als entzündlich-rheumatische Erkrankung zählt sie zu den Autoimmunerkrankungen. Das heißt, sie entsteht aufgrund einer Fehlfunktion des Immunsystems.
Der Ausdruck „chronische Polyarthritis“ bedeutet wörtlich „dauerhafte Entzündung vieler Gelenke“. In aller Regel sind in erster Linie kleinere Gelenke davon betroffen, vorwiegend die Mittelgelenke an den Fingern und die Grundgelenke an Fingern und Zehen. Das heißt aber nicht, dass diese schmerzhafte und langwierige Erkrankung nicht auch andere Gelenke treffen kann. Nicht zu verwechseln ist Arthritis mit Arthrose, einem ebenfalls sehr weitverbreiteten Gelenkleiden, das auf einer übermäßigen Abnutzung des Gelenkknorpels beruht.
Etwa zwei Drittel, der an chronischer Polyarthritis Leidenden, sind Frauen. Die Erkrankung tritt meist in einem Alter von 40 bis 70 Jahren zum ersten Mal auf. Allerdings gibt es auch eine Variante der chronischen Polyarthritis, unter der in erster Linie Säuglinge und Kleinkinder zu leiden haben.
Bisher ist es – wie bei allen rheumatischen Erkrankungen – der Medizin nicht gelungen, eine Therapie zu entwickeln, mit der sich die Ursachen von rheumatoider Arthritis wirksam bekämpfen ließen. So bleibt den behandelnden Ärzten nur die Möglichkeit, die damit verbundenen Beschwerden so weit wie möglich abzumildern. Neben schmerzhaften Entzündungen in den betroffenen Gelenken sind das primär die typischen Begleiterscheinungen chronischer Erkrankungen wie psychischer Stress, Schlafprobleme oder Depressionen.
Genau in diesen Bereichen – Schmerzlinderung, Entzündungshemmung, Verminderung von psychischem Stress – hat medizinisches Cannabis seine Stärken. Um nachzuvollziehen, wie Cannabis gegen chronische Polyarthritis helfen kann, muss man sich zuerst einmal vergegenwärtigen, wie Autoimmunerkrankungen im Allgemeinen und entzündlich-rheumatische Erkrankungen im Besonderen entstehen.
Wie entstehen Autoimmunerkrankungen?
Aufgabe des Immunsystems ist es, körperfremde Stoffe wie Viren oder Bakterien, die sich im Körper eingenistet haben, zu bekämpfen. Dazu bildet es bestimmte Enzyme, mit dessen Hilfe die schädlichen Eindringlinge neutralisiert und abgestoßen, also aus dem Körper entfernt werden. Ist das Immunsystem geschwächt oder in irgendeiner Form gestört, kann es unter Umständen körperfremde nicht von körpereigenen Stoffen unterscheiden und bekämpft die körpereigenen Moleküle wie Eindringlinge, das heißt, es versucht sie aus dem Körper zu entfernen.
Da körpereigene Stoffe anders als körperfremde aber nicht abgestoßen werden können, bilden sich an den entsprechenden Stellen Entzündungen heraus, die mit starken Schmerzen in den betroffenen Organen und Gelenken verbunden sind und oft auch chronisch werden. Solche Autoimmunerkrankungen können sowohl einzelne Körperteile befallen als auch verschiedene Organe gleichzeitig. Die Forschung ist sich nicht einig, was die möglichen Ursachen für solche Fehlleistungen des Immunsystems sein könnten. Diskutiert werden unter anderem Vererbung und bakterielle Infektionen in der Vergangenheit.
Wie kommt es zu chronischen Entzündungen?
Wie bereits erwähnt, entstehen Entzündungen, sobald das Immunsystem schädliche, weil körperfremde Stoffe bekämpft. Zu diesem Zweck bildet es bestimmte Enzyme, die dafür sorgen, dass sich die Blutgefäße erweitern. Dadurch kann mehr Blut fließen und die eingedrungenen Fremdstoffe werden aus dem Körper gespült. Begleitet wird dieser Vorgang von den sogenannten Entzündungszeichen, das heißt von Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerzen und einer stark eingeschränkten Beweglichkeit der betroffenen Körperteile.
Entzündungen sind eigentlich etwas Positives, zeugen sie doch von einem Immunsystem, das seinen Aufgaben nachkommt. Wenn das Immunsystem allerdings körpereigene Strukturen angreift, weil es sie für körperfremde hält, verliert dieser natürliche Schutzmechanismus seine Funktion und wird seinerseits zum Ausgangspunkt schwerer chronischer Erkrankungen.
Da das Immunsystem immer weiter versucht, die von ihm irrtümlicherweise bekämpften körpereigenen Stoffe aus dem Körper auszuleiten, was natürlich niemals gelingen kann, kommt auch der Entzündungsprozess niemals zu einem Ende und es entsteht eine chronische Entzündung. Insbesondere Gelenke sind anfällig für solche dauerhaften Entzündungen. Spätfolgen chronisch-entzündlicher Gelenkerkrankungen wie Arthritis sind oft Fehlstellungen und Funktionsverlust, unter Umständen sogar die Zerstörung der entsprechenden Gelenke. Sind innere Organe von chronischen Entzündungen betroffen, kann es auch lebensgefährlich werden.
Kann chronische Polyarthritis geheilt werden?
Da bis heute nicht abschließend geklärt ist, was eine Autoimmunerkrankung wie die chronische Polyarthritis auslöst, gibt es natürlich auch keine wirklich wirksame Therapie, die die Ursachen beseitigen würde. Entsprechend konzentriert sich die medizinische Behandlung darauf, die Symptome und Begleitbeschwerden so weit wie möglich abzumildern.
Wie in unserem Gesundheitssystem leider Standard werden dabei in erster Linie pharmazeutische Mittel eingesetzt. Entzündungshemmer, Schmerzmittel und immunsuppressive Arzneimittel, das sind Medikamente, die bestimmte Reaktionen des Immunsystems unterdrücken oder zumindest hemmen. Das Problem bei solchen Medikamenten ist allerdings, dass sie das gesamte Immunsystem in seiner Wirksamkeit ausbremsen. In schweren Fällen und bei akuten Entzündungsschüben verschreiben Ärzte gerne auch Cortison, den stärksten Entzündungshemmer, den die pharmazeutische Industrie zu bieten hat.
Bedauerlicherweise rufen alle diese gegen Rheuma eingesetzten Arzneimittel mehr oder weniger starke Nebenwirkungen hervor, wie Übelkeit, Hautausschlag und Haarausfall. Aber auch Bluthochdruck oder Beschädigungen der Magenschleimhaut können damit verbunden sein. Die schwersten Nebenwirkungen hat sicherlich Cortison. Dieses Steroidhormon kann schwerste körperliche Schäden hervorrufen, wie die Einlagerung von Wasser im Gewebe und dadurch verursachtes Aufschwemmen, eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen aller Art, einen gestörten Zuckerstoffwechsel oder sogar Knochenschwund.
Außerdem wirken diese pharmazeutischen Mittel individuell unterschiedlich. So kann es sein, dass von Polyarthritis Betroffene erst verschiedenste Medikamente ausprobieren müssen, bis sie das für sie persönlich passende Medikament gefunden haben. Aber selbst dann ist die lindernde Wirkung meist nicht von Dauer, da sich der Körper daran gewöhnt und die Wirksamkeit bald spürbar nachlässt.
Gerne verschrieben werden auch, insbesondere bei akuten Entzündungsschüben, kryo- oder kältetherapeutische Behandlungen, die für die Dauer einiger Stunden bis mehrerer Wochen die mit Arthritis verbundenen Schmerzen dämpfen. Auch Krankengymnastik, Physio- oder Ergotherapie sollen dabei helfen, die Beweglichkeit der betroffenen Gelenke so weit wie möglich zu erhalten.
Cannabis – ein traditionelles Heilmittel gegen rheumatische Beschwerden
Dass Cannabis gegen Rheuma hilft, wussten schon die alten Chinesen. So wird Hanf etwa in dem Buch „Shennong ben caojing“ aus dem 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, das sich mit der Wirkung von Heilpflanzen beschäftigt, unter anderem für die Behandlung rheumatischer Beschwerden empfohlen.
Auch in der europäischen Tradition galt Hanf schon immer als geeignetes Mittel gegen Rheuma. So empfahl die berühmte Mystikerin und Heilpflanzen-Expertin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) Cannabis als das Mittel der Wahl bei rheumatischen Beschwerden.
Aber auch noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wurde Cannabis in Mitteleuropa gegen rheumatische Beschwerden eingesetzt. Als führender Hersteller von Hanfpräparaten, die gegen Rheuma verwendet wurden, gilt das Darmstädter Pharmazieunternehmen Merck, das gegen Ende des 19. Jahrhunderts Mittel wie Cannabinon oder Cannabin auf den Markt brachte.
Worauf aber beruht die heilsame Wirkung von Cannabis bei rheumatischen Beschwerden, insbesondere bei chronischen Entzündungen?
So hilft Cannabis gegen Rheuma
Wie alle Wirbeltiere verfügt der Mensch über ein Endocannabinoidsystem, das verschiedene körperliche Prozesse reguliert. Dazu gehören auch Schmerzempfindung und das Eingrenzen von Entzündungen. Autoimmunerkrankungen und aus ihnen entstehende chronische Entzündungen können das menschliche Endocannabinoidsystem allerdings auch überfordern.
Dann können zusätzlich eingenommene pflanzliche Cannabinoide das körpereigene Cannabinoidsystem dabei unterstützen, seine Aufgaben zu erfüllen. Welcher Inhaltsstoff dabei genau für welchen Wirkaspekt verantwortlich ist, wurde bisher nicht abschließend geklärt. Doch schreibt die Forschung THC eher eine wichtige Rolle bei der Linderung vornehmlich chronischer Schmerzen zu, während CBD wohl in erster Linie antiinflammatorisch wirkt, also dabei hilft, die ausufernden chronischen Entzündungsprozesse einzugrenzen.
Zusätzlich kann Cannabis dabei helfen, die mit chronischen rheumatischen Schmerzen verbundenen Begleitbeschwerden zu lindern, wie Schlafstörungen, die das Immunsystem zusätzlich schwächen, dadurch die Gesundheit weiter untergraben und unter Umständen auch in schwere Depressionen münden können.
Der große Vorteil von Cannabis im Vergleich zu pharmazeutischen Mitteln wie Cortison ist das weitestgehende Fehlen gesundheitsschädlicher und damit die Lebensqualität zusätzlich beeinträchtigender Nebenwirkungen. Daher wäre es sehr wünschenswert, wenn sich Rheumapatienten von Anfang an für eine Behandlung mit medizinischem Cannabis entscheiden könnten, ohne erst ihren Körper zum Wohle der pharmazeutischen Industrie zusätzlich mit Medikamenten schwächen zu müssen.