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Morbus Wilson, oder Degenaratio hepatolenticularis, ist eine Krankheit, die den Kupferstoffwechsel beeinflusst. Genauer gesagt, wird bei dieser Krankheit Kupfer im Körper nicht abgebaut, sondern eingelagert. Sie heißt deshalb auch Kupferspeicherkrankheit. Sie ist nach dem britischen Neurologen Samuel Alexander Kinnier Wilson benannt, welcher das Gen (Wilson Gen) isolierte, dass das Protein codiert, welches wiederum Kupfer bindet und aus dem Körper transportiert.
Durch diese Genmutation ist der Kupferstoffwechsel in der Leber gestört, wodurch das Kupfer nicht mehr, wie bei gesunden Menschen, über die Galle ausgeschieden wird. Somit lagert sich das Kupfer im Körper ein, und zwar primär in der Leber, aber auch in den Augen und im Zentralnervensystem (45 %). Auch andere Organe können betroffen sein wie Niere, Herzmuskel oder rote Blutzellen (15 %). Die Mutation des Gens ist hingegen weltweit verbreitet. Einer von 100 Menschen hat die Anlage, es zu vererben. Allerdings wird das Gen autosomal rezessiv vererbt, was bedeutet, dass beide Elternteile ein mutiertes Gen haben müssen, um ein erkranktes Kind zu zeugen. Die Kopie beider Gene muss also defekt sein.
Bei Geschwistern Erkrankter liegt die Wahrscheinlichkeit bei 1:4. Die Häufigkeit der Krankheit wiederum ist gering, mit einem Auftreten (bevölkerungsabhängig) von 1:30.000 bis 1:300.000. Die Verläufe und Symptomatik sind sehr unterschiedlich, was dadurch erklärt werden kann, dass es 370 Varianten dieser Mutation gibt. Das Gen ist ungewöhnlich lang und bietet somit viel Angriffsfläche für Mutationen, deren Variabilität die Diagnose signifikant erschwert. Lagert sich das Kupfer also in den Zellen ein, entfaltet es seine toxische Wirkung. Der Mechanismus ist noch nicht abschließend geklärt, jedoch wird davon ausgegangen, dass überschüssiges Kupfer in den Zellen die Bildung von Radikalen fördert. Radikale, in diesem Fall wären dies Sauerstoffradikale (ROS), welche zu oxidativem Stress und zum Tod der Zelle führen, sind besonders reaktionsfreudige Moleküle.
Die Krankheit manifestiert sich meist zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr. Es gibt seltene Ausnahmefälle, welche schon im Kindesalter oder noch im Alter erkrankten. Prinzipiell ist davon auszugehen, dass ein Auftreten von Symptomen der Erkrankung (Erstmanifestation) nach dem 32. Lebensjahr unwahrscheinlich ist. Die erste Beschreibung von Morbus Wilson fand bereits 1860 durch den deutschen Pathologen Theodor von Frerichs statt. 44 Jahre später beschrieben die Mediziner Fleischer und Kayser den Kornealring, der bis heute als sicheres Diagnosekriterium zählt, da er bei 95 % der Patienten mit neurologischen Verläufen auftritt. Dieser Kayser – Fleischer Kornealring ist kupferfarben (oder grünlich), und umrandet die Iris des Auges. Bei primär leberlastigen Verläufen kann er allerdings fehlen. Dort kommt er nur bei 50 % der Patienten vor.
Bei Verläufen, die eher das ZNS betreffen, ist er immer vorhanden. Früh erkannt und lebenslang behandelt, ist Morbus Wilson ungefährlich, und verkürzt die Lebenserwartung nicht. Unbehandelt führt die Erkrankung jedoch bei Kindern zwischen 2 und 7 Jahren zum Tod (organische Verläufe). Bei Erwachsenen, mit primär neurologischem Verlauf, kann sich die Symptomatik über 10 – 40 Jahre unbehandelt verschlimmern, bis sie letztlich zum Tod führt.
Symptomatik
Primäre Symptome der Wilson Krankheit sind Leberschäden und Schäden des Zentralnervensystems, welche vielgestaltige neurologische Defizite mit sich bringen. Die Leber leidet besonders, da sie der vorrangige Kupferspeicher ist. Das Ausmaß der Schäden ist variabel und reicht von leichten Schwellungen bis zur schweren Hepatitis. Diese kann lebensbedrohlich werden, und schlimmstenfalls ein Spenderorgan nötig machen. Der klassische Verlauf ist allerdings chronisch und führt über eine Leberverfettung zu einer Zirrhose (Gewebe baut sich ab und vernarbt, was die Funktion einschränkt) bis zum Versagen des Organs.
Die Problematik potenziert sich dadurch, dass beim Absterben von Leberzellen wiederum Unmengen an Kupfer frei werden, welches nun zusätzlich den Organismus vergiftet. Dies kann zu einer fulminanten Hepatitis (massive, plötzlich auftretende, schwer verlaufende Leberentzündung), oder einer hämolytischen Anämie (Blutarmut durch Sterben der roten Blutzellen) führen. Ein weiteres Symptom ist der bereits erwähnte Kayser – Fleischer Ring, welcher entsteht, weil sich Kupfer in der Hornhaut ansammelt. Bis auf eine gelegentliche Nachtblindheit und sehr seltene Sehnerventzündungen geht er allerdings nicht mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einher.
Das Kardinalsymptom (Hauptsymptom) das Zentralnervensystem betreffend, sind Bewegungsstörungen. Sie werden auch „flapping Tremor“ genannt, entstehen in den Hirnnerven und lösen Augenzucken, ruckartige Zuckungen der Extremitäten, Zittern, Koordinationsstörungen, Muskelkrämpfe, Rigor (zu hoher oder niedriger Muskeltonus) gestörte Feinmotorik, Schluckstörungen, Epilepsie und noch unzählige weitere Bewegungsstörungen aus, die die Lebensqualität massiv mindern. Hinzu kommen teils verwaschene Sprache und bei 10 % der Patienten psychische Probleme wie Depressionen, Psychosen, subkortikale Demenz (diese ist allerdings eher neurologisch), Intelligenzminderung und der soziale Umgang leidet unter der Gesamtsymptomatik. Des Weiteren kommen äußerst selten das nephrotische Syndrom bis zum Nierenversagen, und Kardiomyopathien (Strukturveränderung des Herzens mit Vergrößerung der Herzkammern).
Therapie
Bei der Behandlung der Wilsonkrankheit, ist es wichtig, in welchem Stadium sie sich befindet. Ist ein Kind etwa früh diagnostiziert, und sein Körper noch nicht mit Kupfer gesättigt worden, reicht eine Behandlung mit einem Zinkpräparat. Dieses bindet das Kupfer über ein Protein, welches das Kupfer in den intestinalen Zellen einlagert, ohne dass es absorbiert werden kann. So wird verhindert, dass es bei dem Patienten überhaupt erst zur Symptomatik kommt. Da Zink allerdings auch ein Vitamin B6 Antagonist ist, ist eine zusätzliche B6 Supplementation angezeigt.
Zusätzlich gilt für alle Wilson – Patienten eine kupferarme Diät, welche allerdings nicht als alleinige Therapie angewandt werden kann, da es unmöglich ist, jegliche Kupferaufnahme zu vermeiden. Primär sollte auf Innereien, Kakao, Nüsse, Pilze, Bohnen, Krustentiere und Rosinen verzichtet werden. Die nächste Stufe der Therapie stellen Chelatbildner dar. Diese kommen zum Einsatz, wenn der Körper bereits (wie meist) mit Kupfer übersättigt ist, und deutliche Symptome zeigt. Die sichere Diagnose wird größtenteils über den 24 Stunden Sammelurin gestellt, in welchem man deutlich erhöhte Kupferwerte findet, da Kupfer normalerweise über Galle und Darm ausgeschieden wird. Der Chalatbildner bildet einen wasserlöslichen Komplex mit Kupfer, wodurch es über Niere und Urin ausgeschieden werden kann, was auch sofort in großen Mengen geschieht.
Allerdings sind Chelatbildner nicht gerade nebenwirkungsarm, ganz im Gegenteil. In der Leitlinie sind zwei Präparate empfohlen. Welches das Medikament der ersten Wahl sein sollte, darüber ist man sich nicht einig. Zum einen gibt es Pinicillamin, eine Vorstufe des Penicillins, welches bei über 20 % der damit behandelten Patienten die neurologische Symptomatik verschlechtert. Außerdem kann die Einnahme von Pinicillamin zu Hörstörungen, Fieber, Nierenschäden, Hautproblematiken und Lupus Erytthematodes, einer Autoimmunerkrankung führen. Das zweite Präparat nennt sich Trientin, und kommt auch nicht viel besser weg. Die Nebenwirkungen des Pinicillamin bleiben einem zwar weitestgehend erspart, doch Trientin ist fruchtschädigend und führt häufig zu einer Panzytopeni, bei welcher alle Blutzellen in zu geringem Maße vorhanden sind bzw. zu früh absterben.
Hierdurch kommt es zu einer deutlich erhöhten Infektionsgefahr, Schwäche und einer erhöhten Blutungsneigung. Im schlimmsten Fall ist eine Lebertransplantation nötig, um den Patienten zu retten. Wird diese erfolgreich durchgeführt, ist der Patient anschließend vollständig geheilt. Er erhält mit der Leber gesunde Zellen, welche das Wilsonprotein produzieren können, das wiederum das Kupfer abtransportiert. Allerdings muss man ein Spenderorgan erst mal bekommen, und das rechtzeitig. Abgesehen von den Schmerzen und der Todesangst, besteht natürlich auch noch das Risiko der Abstoßung. Niemand kann garantieren, auch wenn die Ärzte noch so gründlich gearbeitet haben und das Organ noch so kompatibel war, dass der Körper es auch annimmt.
Generell ist die gute Nachricht, dass die Symptome des Morbus Wilson heilbar sind, wenn sie noch nicht allzu lange bestehen. Falls neurologische Ausfälle nicht schon seit mehreren Jahren bestehen, können diese vollständig geheilt werden. Auch ein Leberschaden ist deutlich positiv beeinflussbar, wenn noch keine Zirrhose besteht. Bei drei Vierteln der Betroffenen kann das Fortschreiten aufgehalten oder ein Rückgang bewirkt werden. Hier kommen Leberpatienten etwas schlechter weg als Neuropatienten.
Cannabis gegen Kupfer?
Tremor
Leider ist es so einfach nicht. Cannabis kann bedauerlicherweise weder die Diät noch die Chelatbildner ersetzen, doch dafür hat es Kräfte in petto, die bei Symptomen und Notfällen ein wahrer Segen sind. Cannabis hilft bei einem Kardinalssymptom, nämlich den Bewegungsstörungen. Die häufigste Bewegungsstörung bei Wilson ist der essenzielle Tremor. Er wird auch Zitterkrankheit genannt, und gliedert sich in zwei Unterarten auf. Zum einen gibt es den Aktionstremor, welcher sich durch Zittern z. B. beim Eingießen von Kaffee oder beim zum Mund führen einer Tasse zeigt, also Zittern in Aktion.
Die zweite Variante, die leider meist begleitend auftritt, ist der Haltungstremor. Dieser tritt auf, wenn der Betroffene versucht etwas, unter anderem seinen Arm, gegen die Schwerkraft zu halten. Primär betrifft diese Problematik den Kopf und die Hände. Und Abhilfe schafft: CANNABIS! Wenn man den IACM zitieren möchte, kann man sagen: „THC und CBD haben in vielen Untersuchungen Wirkung gegen Tremor gezeigt.“ Belege dazu ist eine Studie, bei der 3 Patienten mit Tremor über sechs Wochen eine CBD Dosis zwischen 100 und 600 mg erhielten.
Nach sechs Wochen hatte sich der Zustand der Patienten dosisabhängig verbessert – und zwar zwischen 20 und 50 %. Schon 1986 machte man eine Studie mit 2 Patienten (evidence is missing), von denen einer an Dystonie und der andere an einem Tremor litt. Man behandelte beide mit 200 mg CBD, und stellte eine signifikante Verbesserung der Symptomatik fest. Auch Mediziner an der Sherman University (College of Chiropraktic) fanden heraus, dass die CB1 und CB2 Rezeptoren, welche elementare Bestandteile des Endocannabinoidsystems sind, einen starken Einfluss auf die Motorik haben. Weitere Studien stehen allerdings leider noch aus.
Lebertransplantation
Die Lebertransplantation ist das Mittel der letzten Wahl. Sie wird angewandt, wenn der Patient die Diagnose spät bekam, und aufgrund dessen die Leber zu sehr geschädigt ist. Auch kann ein fulminanter Verlauf zu einer Transplantation führen. So schlimm dieses Szenario auch klingt, Cannabis vollbringt hier wahre Wunder. Das größte Risiko bei einer Transplantation ist, wie bereits erwähnt, das Risiko der Abstoßung.
Und hier kommt Cannabis ins Spiel, denn es ist immunsuppressiv, und zwar in gar nicht so geringem Maße. Es sind Patienten bekannt, die ihre vom Arzt verordneten Immunsuppressiva nach kurzer Zeit um die Hälfte reduzieren konnten. Herr Dr. Grotenhermen, der sicher jedem ein Begriff ist, riet einer Patientin im Forum „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“ auf die Frage, ob sie denn 4 Monate nach der Transplantation kiffen dürfe, Folgendes: ”Cannabis kann nach der Lebertransplantation konsumiert werden. Erst in hohen Dosen wirkt er toxisch auf die Leber. Da Cannabis immunsuppressiv wirkt, kann es die Wirkung der Immunsuppressiva, die sie gegen eine Abstoßungsreaktion nehmen, verstärken.
Eventuell kann deren Dosis reduziert werden. Cannabis ist generell immunmodulierend und hat den Vorteil, dass es sowohl besser vertragen wird als herkömmlich Immunsuppressiva, als auch keine schädlichen Stoffwechselprodukte für die Leber hinterlässt. Abgesehen davon gewährleistet es eine bessere Aufnahme, denn CB1 und CB2 Rezeptoren gibt es im Hirn, im Darm und sogar in den Fettzellen. Ein anderer Mediziner erklärte einem Mann, dessen Niere nach einer Transplantation eine Woche lang nicht arbeitete, aber zwei Stunden nach einem Cannabiskonsum plötzlich zum Leben erwacht war: „Cannabis ist die Notfallmedizin des Körpers“ und meinte damit das körpereigene Cannabinoid Anandamid. Dieses werde bei Notfällen im Körper vermehrt ausgeschüttet. Im Fall der Niere habe es wohl nicht gereicht, und bekam Schützenhilfe vom THC/CBD. Dies nur am Rande, um hervorzukehren, wie wirksam Cannabis bei Organtransplantationen ist.
Natürlich sollte man auch die Toxizität ausschließen können. Das dachten sich auch die Forscher der Universität von Michigan in Ann Arbor (USA). Sie untersuchten die Überlebenschancen von Cannabiskonsumenten nach einer Lebertransplantation vs. der Überlebenschance von Nichtkonsumenten. Es war eine Überwachungsstudie mit 155 Cannabiskonsumenten und 1334 Nichtkonsumenten, und es wurde kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen festgestellt. Dies spricht dafür, dass Cannabis nach einer Transplantation nicht negativ auf die Leber auswirkt. Zusätzlich lindert Cannabis die Schmerzen und hilft gegen Ängste und Depressionen, welche mit einer solch schwierigen Lebenslage und schweren Krankheit oft einhergeht.
Die Patientengeschichte von Gisela Bohrs
Da diese Erkrankung glücklicherweise relativ selten ist, und Patienten, die medizinisches Cannabis gegen sie erhalten, noch viel seltener, mussten wir uns vom Kurier.at aushelfen lassen. Gisela Bors ist 58 Jahre alt und leidet seit 20 Jahren unter Morbus Wilson, welches sie natürlich seit ihrer Geburt hat. Cannabis besitzt, Nerven schützende Eigenschaften, schützt vor oxidativem Stress und hilft gegen Krämpfe, Schmerzen und Ängste. Ein Medikament, wie gemacht für Menschen, die Schädigungen von Wilson zurückbehalten haben.
Und Frau Bors hatte Glück, denn medizinisches Cannabis ist in Österreich, wo sie lebt, nicht erhältlich. Ausschließlich synthetische Cannabispräparate sind erhältlich und die Ärzte, die diese verschreiben, gibt es auch nicht gerade wie Sand am Meer. Sie ließ sich auf der jahrelangen Suche nach Hilfe Botox in die Fußsohlen spritzen, kinesiologische und homöopathische Therapien über sich ergehen, doch nichts half, gegen ihre Krämpfe und ihr Zittern. Bis sie endlich auf Dr. Kurt Blaas traf, welcher im Viertel Wien – Neubau seine Praxis hatte, und Cannabismedizin verschrieb.
Dies ist sogar der Schwerpunkt seiner Behandlungen – Cannabispräparate. Außerdem ist er Mitbegründer der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin“, und etablierte diese 1996 auch in Österreich als Interessengemeinschaft für Ärzte, Anwälte und Patienten. Durch ihn kam Gisela zu Dronabinol, welches ein Präparat aus synthetischen Cannabinoiden ist. THC und CBD sind hier zu gleichen Teilen enthalten, und wirken so gut gegen Giselas Spasmen und den Tremor, dass sie sogar wieder schreiben kann. Sie sagt, sie würde sich diese Möglichkeit für jeden Patienten wünschen, der so leidet wie sie. Und auch Otto Lesch, Präsident der Gesellschaft für Suchtmedizin, sagt: „Jeder Mensch hat das Recht, für seine Schmerzen die beste Medizin zu finden.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.