Allergien sind in unserer heutigen westlichen Gesellschaft ein weitverbreitetes Problem. Eine Allergie ist eine fehlgeleitete Immunreaktion, bei der das Immunsystem mit übermäßigen Abwehrmechanismen auf normalerweise harmlose Substanzen reagiert. Diese Abwehrmechanismen erzeugen auch körperliche Symptome. Diese reichen hierbei von leichten Hautreaktionen bis zu schweren Allgemeinreaktionen, die im schlimmsten Fall zu einem tödlichen allergischen Schock führen können.
In der Schulmedizin werden Allergien mit Antihistaminika, Cortison und schwere Fälle wie allergische Schocks mit Epinephrin behandelt, welches dazu dient, den Kreislauf zu erhalten. Im menschlichen Immunsystem gibt es Cannabinoidrezeptoren, über die sich zahlreiche Immunreaktionen, wie im besonderen auch Allergien, modulieren lassen. Für diese Funktion ist hauptsächlich der CB2-Rezeptor verantwortlich. Deswegen sind Cannabinoide vermehrt in den Fokus geraten als mögliche Therapieoption bei Allergien.
Endocannabinoidsystem hemmt allergische Reaktionen
Bei einer allergischen Reaktion, verursacht das Immunsystem eine Entzündungsreaktion, um den Körper vor dem vermeintlichen Schadstoff zu schützen. Diese Immunreaktionen werden durch Botenstoffe wie Histamin und Zytokinen ausgelöst. Körpereigene Cannabinoide wie Anandamid können die Freisetzung dieser Entzündungsbotenstoffe reduzieren und auf diese Weise die allergische Entzündungsreaktion hemmen. Weiterhin können Cannabinoide über den CB2-Rezeptor auch die Aktivität von Immunzellen beeinflussen, durch welche die Ausschüttung dieser Botenstoffe gesteuert wird.
Entzündungshemmende Wirkung von Cannabinoiden zufällig entdeckt
Es ist einem Zufall zu verdanken, dass die entzündungshemmende Wirkung von Cannabinoiden experimentell nachgewiesen wurde. 2007 machten Forscher der Universität Bonn in einem Mausmodell eine erstaunliche Entdeckung. Es gab eine Gruppe von Mäusen, denen Cannabinoidrezeptoren im Gehirn fehlten und eine andere Gruppe, die eine normale Anzahl an Cannabinoidrezeptoren hatte, sowie eine größere Menge Anandamid produzierte. Den Forschern fiel auf, dass jene Mäuse ohne Cannabinoidrezeptoren häufig eine allergische Reaktion durch einen Clip am Ohr bekamen, während dies in der Vergleichsgruppe nie auftrat. Die Forscher machten eine Gegenprobe und stellten fest, dass sich diese lokale allergische Reaktion durch THC, welches auf diese Stelle aufgebracht wurde, weitgehend eliminieren lässt.
Die lokalen Cannabinoidrezeptoren in der Haut waren bei diesen Mäusen vorhanden. Aus diesem Experiment wurde auf eine starke antiallergische Wirkung von THC geschlossen. Es gibt diesbezüglich noch keine Untersuchungen am Menschen, doch da das Cannabinoidsystem und die an Allergien beteiligten Komponenten bei Mäusen gleich funktionieren wie beim Menschen, kann davon ausgegangen werden, dass diese Resultate auf den Menschen übertragbar sind. Die benötigte Menge an THC, um allergische Hautentzündungen äußerlich zu behandeln, ist so gering, dass keine berauschende Wirkung eintritt. Forscher sehen aus diesem Grund THC als einen möglichen neuen Kandidaten, mit dem beim Menschen als Salbe angewendet, lokale allergische Hautreaktionen, wie die verbreitete Nickelallergie, effektiv bekämpft werden können.
THC auch gegen lebensbedrohliche allergische Allgemeinreaktionen wirksam
Obwohl sich die meisten Forschungsergebnisse über die antiallergische Wirkung von THC bislang auf Kontaktallergien der Haut beschränken, besteht Grund zur Annahme, dass auch schwere generalisierte allergische Reaktionen, mit THC eingedämmt werden können. Während lokale Allergien unangenehm sind, können generalisierte allergische Reaktionen im schlimmsten Fall zum Tod durch einen allergischen Schock führen. 2022 wurde in Großbritannien eine Studie durchgeführt, die untersuchte, inwiefern Cannabinoide immunologische Prozesse eindämmen können, die an der Entstehung eines anaphylaktischen Schocks durch generalisierte allergische Reaktionen auf Lebensmittel beteiligt sind.
Zu diesem Zweck erstellte man ein Mausmodell mit Mäusen, die eine genetische Eigenschaft aufwies, wie sie für Erdnussallergien typisch ist. Es zeigte sich auch, dass durch das Verspeisen von Erdnüssen die typischen allergischen Reaktionen eintraten, die einen anaphylaktischen Schock auslösen können. Sobald Mäusen jedoch das synthetische Cannabinoid WIN55212-2 verabreicht wurde, bildeten sich die allergischen Reaktionen rasch zurück. WIN55212-2 hat die gleiche Potenz und Wirkungsweise wie THC, sodass diese Beobachtungen sehr sicher auf THC übertragbar sind. Das Cannabinoid reduzierte die Aktivität der allergieauslösenden T-Zellen im Immunsystem, wodurch sich die Symptome rasch zurückbildeten.
Es wurde außerdem festgestellt, dass das synthetische Cannabinoid die Bildung von Tolerogenen fördert. Tolerogene sind sozusagen das Gegenteil von Antikörpern. Sie erzeugen keine Antikörperreaktion, sondern sie dämmen diese ein und reduzieren auf diese Weise auch allergische Reaktionen. Durch den Anstieg von Tolerogenen fallen künftige allergische Reaktionen nicht mehr so schwer aus. Dieser Wirkungsmechanismus könnte ein völlig neuer Wegweiser in der langfristigen Behandlung von Allergien sein.
CBD nur bedingt wirksam
Allergien sind in Deutschland leider keine Indikation, um medizinisches Cannabis verschrieben zu bekommen. Doch selbst vermeintlich leichte Allergien wie Heuschnupfen können für Patienten eine enorme Belastung und jahrelanger Leidensweg sein. Viele greifen daher auf das leicht erhältliche CBD zurück und erhoffen sich daraus Linderung. Jedoch wirkt CBD laut vieler Patientenberichte nur leicht symptomlindernd.
Aussagekräftige Studien gibt es dazu ebenfalls nicht. Das Ziel kann nur sein, endlich THC als normales Medikament verschrieben zu bekommen, ohne jahrelangen Ärztemarathon, Kosten und Bürokratie. Selbst Kortison, welches bei vielen Patienten erhebliche Nebenwirkungen auslöst, wird in Deutschland schnell bei Allergien verschrieben, während Cannabis als Medizin für die meisten Menschen noch immer praktisch unerreichbar ist.