Berlin, Winter 2020. Es ist ein kühler Morgen, ein paar Sonnenstrahlen erweisen mir die Ehre und erwecken mich aus meinem leider alles andere als erholsamen Schlaf. Mit noch halb zusammengekniffenen Augen schiele ich in Richtung meines smarten Mobiltelefons und erkenne mühsam eine Fünf und ein paar Zerquetschte auf dem Bildschirm. Ich kommentiere dies mit einem erschlagenen Seufzer, in dem Wissen, dass der Schmerz oder meine Blase mir wahrscheinlich keine weiteren fünf Minuten im Bett gestatten würden.
Ich rapple mich auf, schüttle die Morgensteifigkeit aus dem Körper und mache mich auf in Richtung Küche. Ich fühle mich erschöpft von meinem sechs Stunden Schlaf und mein rechter Knöchel hat sich heute entschieden, aus unerfindlichen Gründen zu schmerzen. „Das geht so nicht weiter!“, schwappt es laut aus mir heraus, als würde meine Katze die Worte verstehen. Sie miaut trotzdem zustimmend. Ich war damals gerade erst 30 geworden und eine aktive, sportliche junge Frau, die sich gesund ernährt. Woher kamen also diese plötzlichen, wiederkehrenden Schmerzen und die Erschöpfung? An diesem Morgen schlage ich meinen Laptop auf, nippe erleichtert an meinem ersten Schluck frisch gebrühten italienischen Kaffee und mache mich auf die Suche nach der Nadel im Diagnosehaufen.
Fibromyalgie, was ist das überhaupt?
Obwohl ganze 2 % weltweit an dieser Diagnose zu knabbern haben, war der Name der Erkrankung bis in jüngster Vergangenheit nur wenigen Menschen ein Begriff. Die ständig wechselnden Symptome erschweren die Diagnose, die Erscheinung wird dadurch auch als Chamäleon-Krankheit bekannt. Obwohl sie schon erstmals im frühen 19. Jahrhundert beschrieben wurde, allerdings unter anderen Namen wie „muskulärer Rheumatismus“ oder „Weichteilrheumatismus“, kam der Begriff „Fibromyalgie“ selbst erst später in Gebrauch. Dr. William Balfour, ein Chirurg an der Universität von Edinburgh, beschrieb 1815 erstmals ausführlich die Symptome, die heute mit Fibromyalgie in Verbindung gebracht werden. Der eigentliche Begriff „Fibromyalgie“ wurde jedoch erst 1976 von Dr. P.K. Hench verwendet, der damit die fibrotischen Veränderungen im Bindegewebe und die allgemeine Schmerzsymptomatik der Erkrankung hervorhob.
- Das Wort Fibromyalgie setzt sich aus drei Begriffen zusammen: Fibro ist lateinisch und bedeutet Faser, My (von Myos) stammt aus der griechischen Sprache und heißt Muskel und das ebenfalls griechische Algie (von Algos) steht für Schmerz.
Diese chronische Erkrankung zeichnet sich auch durch weitverbreitete Schmerzen im gesamten Muskel-Skelett-System aus, zusammen mit Müdigkeit, Schlafstörungen und oft emotionalen und mentalen Belastungen. Die Ursachen von Fibromyalgie sind nicht vollständig verstanden. Auch können Kopfschmerzen, völlige Erschöpfung, Reizblase, Rücken- und Gelenkschmerzen, Schwindel, Vergesslichkeit bis zu stechenden und betäubenden Gefühlen am gesamten Körper die täglichen Begleiter sein. Die Symptome treten unterschiedlich stark auf und können an manchen Tagen aus eigener Erfahrung den Alltag zu einer echten Herausforderung machen. Dinge wie den Müll hinauszubringen und einkaufen führen dann bereits zur Reizüberflutung. Nach außen wirken viele fit & vital, denn wer möchte sich in unserer Gesellschaft schon Schwäche zugestehen? Viele Menschen mit chronischen Leiden ziehen sich zurück, um keine Last für ihr Umfeld zu sein.
Am besagten Morgen begab ich mich also in völliger Verzweiflung selbst auf die Suche und durchforstete das Internet nach einer möglichen Antwort auf meine Fragen. Da die Ärzte bis dato nichts fanden, tippte ich irgendwann banal „Schmerzen am ganzen Körper“ und die Suchergebnisse führten schlussendlich zu dem Begriff „Fibromyalgie“. Diese zeigte ich meinem damals behandelnden Arzt. Der war zwar etwas erstaunt, aber dadurch ging die Behandlung dann endlich in die richtige Richtung.
Unheilbar laut Schulmedizin
Meist bekommt nur der engste Kreis einen kleinen Einblick in den seelischen Zustand der Betroffenen und in manchen Fällen leiden diese im Stillen und die Diagnose wird tendenziell nie gestellt. Wenn es dann doch dazu kommt, ist es für die meisten erst mal ein Schock, denn die Erkrankung gilt als unheilbar. So ging es auch mir. Dennoch wollte ich mich nicht diesem Urteil ergeben und begab mich auf die Suche außerhalb der westlichen Medizin, nach Möglichkeiten, um Selbsthilfe zu leisten, am Rand einer Gesellschaft, die „UNS“ (Fibromialgiker) kaum wahrnimmt, um eine Chance auf Heilung zu erfahren.
Ich wollte wieder zurück zur natürlichen Medizin, da ich gesättigt war von zahlreichen chemischen Medikamenten und Antidepressiva Vorschlägen, die mir oft als einfachste Lösung geboten wurden. Es war der perfekte Zeitpunkt, denn gerade in den vergangenen Jahren, in denen auch das Cannabidiol (CBD) auf großes Interesse stieß, hat auch der Zusammenhang zu den heilenden Kräften der Hanfpflanze mit THC-haltigen Blüten zur Behandlung der Fibromyalgie eine Verknüpfung gefunden. So lockt die natürliche Ressource nicht wie gedacht nur die jungen Erwachsenen, sondern auch die ältere Generation der Fibromialgiker aus ihren Verstecken, da nun der etwas fade Geschmack, den die lang illegale Pflanze mit sich trug, verblasst zu sein scheint. Viele Fibromyalgie-Patienten müssen durch eine ganze Reihe von Tests, Medikamente und Behandlungsmethoden erst einmal eine sogenannte „Ausschlussdiagnose“ bekommen. Wenige Behandlungen helfen oder bringen Besserung.
Als ich dann vor ca. vier Jahren, nach drei Jahren Suche, meine Diagnose auf dem Papier bekam – ein langer und beschwerlicher Weg, der durch einen Dschungel von Wartezimmern & nicht immer allzu netten Empfangspersonal führte – hatte mich das erschrocken und erleichtert zugleich, meinem ständigen Leiden einen Namen geben zu können. Oft wurde ich nicht ernst genommen und sogar als „Bluffer“ beäugt. Ein Weg, den viele Patienten mit Jahren ihrer Zeit, falschen Diagnosen, Einnahme von Medikamenten und von Hoffnungslosigkeit begleitet, bezahlen.
Zurück zu den Ressourcen der Natur und traditionellen Heilmethoden
Ich ging auf Reisen, um in mich zu gehen und um nach Lösungen zu suchen. Ich war über Monate allein mit dem Rucksack in Südostasien, darunter auch in Thailand, das im letzten Jahr die Legalisierung mit einer Explosion an Coffeeshops und unglaublich vielen neuen Hanfprodukten von sich reden machte. Ich probierte viele Behandlungen aus, darunter Organmassagen (Chi Nei Tsang), Meditation und Atemarbeit, Pilates und Yoga, verschiedene Kräuter in allen Formen und Farben und darunter auch Cannabisprodukte.
Ich bemerkte eine Verbesserung der Symptome beim Konsum der vielfältigen Pflanze, unter anderem als Supplementierung und in Form von Ölen, das Klima tat sein Übriges. Fibromyalgie war zum Moment der Stellung meiner Diagnose bisher nicht so bekannt wie heute. Ich denke, auf der Welt warten sicherlich noch viele weitere neue oder wenig erforschte Behandlungsmöglichkeiten. Der Ansatz der multimodalen Therapie ist ein guter Anfang. Für meinen Geschmack könnte es jedoch offener für Bereiche der chinesischen und ayurvedischen Medizin sein, um mehr Raum dafür zu schaffen, der anerkannt und so weitere Zusammenarbeit mit der westlichen Medizin ermöglicht wird.
Aktuelle Forschung zu Fibromyalgie
Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse weisen im Übrigen darauf hin, dass eine komplexe Interaktion zwischen genetischen, neurologischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Also auch die Lebensumstände und wie man mit ihnen umgeht. Interessanterweise gibt es in der jüngsten Forschung einige spannende Entwicklungen, die unser Verständnis dieser komplexen Störung erweitern könnten.
Studien haben gezeigt, dass das Gehirn von Fibromyalgie-Patienten Schmerzsignale anders verarbeitet. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Erkrankung weniger mit Entzündungen im Körper als vielmehr mit einer Überaktivität bestimmter neuronaler Netzwerke im Gehirn zusammenhängt. Was eine weitere Verknüpfung zur Cannabistherapie herstellt. Aktuelle Untersuchungen zeigen auch, dass Cannabis einige der Symptome von Fibromyalgie verbessern kann, insbesondere dort, wo traditionelle Medikamente keine Linderung bieten.
Fibromyalgie und Cannabinoide
Wusstest du, dass der menschliche Körper tatsächlich seine eigenen Cannabinoide produziert, die als Endocannabinoide bezeichnet werden? Diese sind Teil des Endocannabinoid-Systems, das eine wichtige Rolle in vielen Körperfunktionen spielt, darunter die Regulierung von Stimmung, Schmerzempfinden, Appetit und Gedächtnis. Dieses System interagiert mit Cannabinoiden, die in Pflanzen wie Cannabis gefunden werden, aber die vom Körper produzierten Cannabinoide haben ähnliche, jedoch oft subtilere Effekte. Dass Cannabinoide auch einen positiven Einfluss bei Fibromyalgie haben können, liegt auf der Hand.
Weiterhin arbeiten Wissenschaftler daran, die Diagnose von Fibromyalgie zu vereinfachen, da sie derzeit auf der Grundlage von Symptomen und durch den Ausschluss anderer Erkrankungen erfolgt. Fortschritte in der Bildgebung und Biomarkerforschung könnten in Zukunft zu schnelleren und präziseren Diagnosen führen & somit auch das Verschreiben von medizinischem Cannabis vereinfachen. Das bietet Hoffnung auf bessere Behandlungsmethoden und vielleicht sogar auf Durchbrüche in der Art und Weise, wie wir Fibromyalgie in Zukunft verstehen und behandeln werden.
Ich für meinen Teil habe bisher gute Erfahrungen als Patientin mit medizinischem Cannabis gemacht. Ich bin für einen gesunden Lebensstil, der viel Bewegung, ausgewogene Ernährung und Eigenverantwortung beinhaltet. Das bedeutet für mich auch, verantwortungsvoll mit allem umzugehen, was ich zu mir nehme, berühre und an meine Haut lasse. Und das schließt natürlich auch das gelegentliche Tütchen mit ein. Hier rate ich ganz traditionell zu „Gebrauch anstatt Missbrauch“.
Wer sich informieren möchte, findet seit 2021 zum Beispiel in der Zerenia Klinik Kontakt zu verschiedenen Spezialisten, die eine Begleitung für eine cannabinoidbasierte Therapieform zur Verfügung stehen. Diese fand in Kolumbien ihren Ursprung und auch in Peru, Brasilien und dem Vereinigten Königreich wurden ihre Standorte erweitert. Nach eigener Angabe auf ihrer Website können sie sich mit 20,000 Patienten von Europa und Lateinamerika an steigender Beliebtheit erfreuen. Auch in Deutschland schlägt es immer höhere Wellen und die Telemedizin wird zur Anlaufstelle für Patienten und bietet Beratung zu medizinischen Hanf zur Verfügung und wird damit immer beliebter.
Ich blicke positiv in die Zukunft. Mittlerweile habe ich eine für mich gute Lebensweise gefunden, damit umzugehen und wünsche allen Betroffenen viel Erfolg bei ihrem Weg. Alles ist möglich. Ich bin gespannt, wie es in der Forschung auf diesem Gebiet weitergeht. Ich denke, wir sind erst am Anfang dieser Reise.
Ich hoffe, dass es ein kleiner Appell war, in Erinnerung zu rufen, ein Buch nie nach seinem Einband zu beurteilen, bleib gesund, vor allem im Geist.