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Viele Menschen in Deutschland und der ganzen Welt konsumieren Cannabis, und zwar aus den unterschiedlichsten Gründen. Nach Stand von 2018 sind es 3,7 Millionen Deutsche, wobei die Dunkelziffer um ein Vielfaches höher liegen dürfte. Bei einer Befragung gaben 7,1 % der 18 – 64-Jährigen an, in den vergangenen 12 Wochen Cannabis konsumiert zu haben. In beiden Statistiken sind unter 18- und über 64-Jährige nicht berücksichtigt worden, was die Zahl nochmals signifikant in die Höhe treibt. Mit ihnen wären es schätzungsweise über 4 Millionen Menschen.
Abhängigkeit – was ist dran?
Seit Jahren wird immer wieder von der Gefahr gesprochen, von Cannabis abhängig zu werden. Gerade im Jugendalter sei man gefährdet, Entwicklungsstörungen würden auftreten, Antriebslosigkeit würde zu schlechten Noten und Isolation führen – ganz zu schweigen von der Gefahr als Einstiegsdroge.
Stellt sich die Frage: Was ist dran an diesen Horrorszenarien? Zuerst sollte man sich ansehen, wofür Cannabis medizinisch verschrieben wird, um einschätzen zu können, ob diese vermeintlich Abhängigen Cannabis wirklich als Droge missbrauchen, oder ob von einer Selbstmedikation auszugehen ist. Die medizinischen Anwendungsgebiete von Cannabis für psychische Probleme sind breit gefächert. Am häufigsten wird Cannabis gegen ADHS, Schlafstörungen, Angsterkrankungen, PTBS, Depressionen und Tic-Störungen wie Tourette verschrieben. Es lindert Angst, Stress, Übererregbarkeit und Anspannung.
Fragt man Konsumenten, welche Cannabis nicht legal beziehen, geben sie ebenfalls diese Anwendungsgebiete als Grund für ihren Konsum an. Kann hier also von einem Missbrauch, gar einer Abhängigkeit die Rede sein? Dr. Rainer Thomasius vom Uniklinikum Hamburg sagte: „Bei den Cannabiskonsumenten sind etwa 10 % suchtgefährdet. Sie nehmen Cannabis, um mit dem Alltag, dem Schulstress oder ihrer Ängstlichkeit umgehen zu können.“ Dies sind genau die Indikationen für die Verschreibung von medizinischem Cannabis, und es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Menschen leichte bis handfeste psychische Probleme mit Cannabis behandeln. Diese Menschen konsumieren nicht bis ins Delirium, sind nicht antriebsloser oder verwirrter als zuvor.
Ganz im Gegenteil. Cannabis hilft dieser Gruppe eine Lebensqualität und ein Funktionieren im Alltag an Punkten aufrechtzuerhalten, welche sie sonst nicht hätten. Auch dass Cannabis zu sozialem Rückzug und Isolation führt, kann nicht bestätigt werden. Cannabis ist eine Droge/Medikament, das gerne gemeinsam konsumiert wird. Es hilft sogar soziale Phobien abzubauen. Man kann insofern von einer psychischen Abhängigkeit sprechen, dass man tatsächlich nach dem Absetzen unter Craving (Suchtdruck) leidet. Dieses Craving zeigt aber kaum körperliche Symptome. Meist treten Symptome, die man vor dem Konsum beobachtete, wie Schlaflosigkeit, Nervosität und Unruhe, nach dem Absetzen wieder verstärkt auf. Auch das Verlangen nach Cannabis kann aufflammen, zeigt aber keinen so starken Drang nach, wie es z. B. bei Alkoholabhängigen der Fall ist. Nach zwei Wochen ist der Spuk im Schnitt vorbei.
Entwicklungsstörungen durch Cannabis?
Über die Entwicklung des pubertären und kindlichen Gehirns im Zusammenhang mit Cannabiskonsum hört man eine Menge Kontroverses. In den USA zum Beispiel ist es momentan ein Trend in der Schwangerschaft zu kiffen, um der Schwangerschaftsübelkeit entgegenzuwirken. In einer Erhebung setzte man die konsumierenden Mütter mit 3,9 % fest, was bei Weitem nicht dem realen Wert entsprechen dürfte. Es gibt bis jetzt keine Studie, welche belegt, dass diese Kinder körperliche oder geistige Entwicklungsstörungen davontragen. Es ist nicht möglich, diese Daten mit randomisierten Doppelblindstudien zu erheben, da es ethisch nicht haltbar wäre, Föten oder werdenden Müttern absichtlich Cannabis zu applizieren.
Also führte man eine Studie an Rhesusaffen durch, welche aufzeigte, dass ein geringes Risiko für einen frühen Abgang des Fötus besteht. Entwicklungsstörungen sind auch hier nicht festgestellt worden. Da die gesellschaftliche Akzeptanz für Cannabis in der Gesellschaft glücklicherweise steigt, steigt natürlich auch der Konsum – auch unter Jugendlichen. Eine Erhebung aus dem Jahr 2018 zeigt, dass ca. 40 % der deutschen Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren Cannabis konsumieren. Jeder Fünfte 14-jährige hat Erfahrung. Eine Studie der BZgA kommt zu dem Schluss, dass sich das Einstiegsalter in den vergangenen 20 Jahren nicht signifikant geändert habe. Allerdings baut sich das Gehirn genau im Alter zwischen 13 und 16 noch mal komplett um, mit einer einhergehenden Phase der Destabilisierung – es wird neu organisiert.
Eine Studie der Universität Köln hat Jugendliche in ein MRT geschickt, und zwar Kinder, die vor dem Alter von 16 Jahren mit dem Konsum begonnen haben, und welche, die später starteten. Man fand heraus, dass Jugendliche, die früh mit dem Cannabis begonnen hatten, mehr Anstrengung benötigen, um dieselben kognitiven Aufgaben zu erfüllen wie Jugendliche, die später begonnen. Wenn das Gehirn sich in bestimmten Arealen mehr anstrengen muss, verbraucht es auch mehr Sauerstoff, und dies kann man im MRT sichtbar machen. Offenbar gibt es also eine Form von Beeinträchtigung, allerdings war die Intelligenz oder Fähigkeit der Probanden nicht gemindert. In den USA und Kanada, um nur zwei Beispiele zu nennen, werden auch Kinder mit Cannabis behandelt. Oft haben sie schwere Erkrankungen wie Epilepsie oder Krebs. Sicher wird hier das eventuell bestehende Risiko gegen die Notwendigkeit, also den Nutzen, abgewogen.
Es ist schwer vorstellbar, dass man in vielen Ländern Kinder mit einem Medikament behandelt, dass sich negativ auf ihre Psyche auswirkt. Eher kann man vom breiten Wirkspektrum des Medikaments profitieren, da den Patienten nicht nur mit gesteigertem Appetit, Krampf- und Schmerzlinderung geholfen wird, sondern auch mit der Reduktion ihrer Ängste und Depressionen. Wenn man die Studie heranzieht, in der bewiesen wird, dass das Einstiegsalter zu keiner Zeit signifikant schwankte, und das Mittel bei 16 Jahren liegt, müssten wir seit Jahrtausenden Generationen von unaufmerksamen, leistungsunfähigen, unorganisierten Idioten züchten. Offenbar ist das nicht geschehen. Ich halte das für die größte konsistente Überwachungsstudie der Welt, obwohl natürlich niemand sagen kann, ob der gesamte Menschheitsdurchschnitt ohne Cannabis ungestörter wäre.
Psychosen durch Cannabis?
Das Wort Cannabispsychose geistert schon seit einigen Jahrzehnten durch das Netz. Es könnte nicht abwegiger sein. Um an einer Psychose zu erkranken, benötigt man vorwiegend eines: Eine genetische Disposition. Das bedeutet, dass es in Familien mit einem psychotischen Elternteil die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind später auch an einer Psychose leidet, sehr hoch ist. Man nennt dies auch familiäre Häufung. Diese genetische Disposition macht bei dieser Erkrankung 80 % aus. Es ist folglich sehr unwahrscheinlich, dass man von Cannabis eine Psychose bekommt, wenn man nicht vorbelastet ist. Natürlich gibt es drogeninduzierte Psychosen. Oft entstehen sie durch Überdosen von harten, chemischen, psychoaktiven Drogen. Beispiele sind LSD, MDMA oder Research Chemicals.
Es gibt Menschen, die kommen von einem solchen Trip geistig nicht zurück. Das wird mit Cannabis auch mit einer Vorbelastung nicht passieren. Durch Cannabis ausgelöste Psychosen äußern sich eher mit leichter Angst, Paranoia und beklemmenden Gefühlen. In einer US-amerikanischen Studie heißt es. „Wir gehen davon aus, dass Cannabis lediglich eine Komponente im Geflecht ist. Es ist weder hinreichend noch notwendig, um eine Psychose auszulösen.“