Für Kranke ist es trotz fünf Jahre Cannabis-als-Medizin-Gesetz oft immer noch nicht ganz einfach, den richtigen Mediziner zu finden, der einer Therapie mit dem natürlichen Arzneimittel aufgeschlossen gegenübersteht. Weiterhin bedeutet es für den Arzt viel Aufwand, möchte er nach Ausschöpfung aller gängigen Alternativen Cannabis an einen leidenden Menschen verschreiben.
Auch besteht immer noch eine große Chance, dass sich selbst nach einer Verschreibung die Krankenkasse querstellt und die Kosten für die Arznei nicht übernehmen möchte. Somit haben sich eine Menge Hürden aufgetan, sucht man als Patient einzig etwas Schmerzlinderung auf natürlicher Pflanzenbasis. Diese Situation könnte sich jetzt aber möglicherweise noch weiter verschlechtern.
Restriktivere Handhabung von Medizinalhanf
Laut dem Portal für Mediziner plane der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Veränderung bezüglich der Regulierung von medizinischem Cannabis und könnte dafür sorgen, dass künftig keine Allgemeinmediziner mehr Cannabis auf Rezept verschreiben können. Der G-BA schlage dazu vor, dass in die Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) ein neuer Paragraf eingefügt werden solle, der dann dafür steht, dass eine Verordnung von Cannabisarzneimitteln für gesetzlich Krankenversicherte nur noch zulässig ist, wenn diese an einer schweren Erkrankung litten und zusätzlich bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien.
Über diesen Änderungsvorschlag der AM-RL seitens des Gremiums können Fach- und Branchenverbände nun reagieren. In dem Vorschlag heißt es wohl bezüglich der Voraussetzungen, dass „eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung“ nicht zur Verfügung stehen dürfe. Zudem müsse eine „nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung“ bezüglich des Krankheitsverlaufes oder auf die schwerwiegenden Symptome vorhanden sein. Weiter soll es heißen, dass „die Zweckmäßigkeit einer Weiterbehandlung innerhalb der ersten drei Monate engmaschig und anschließend in regelmäßigen Abständen zu beurteilen“ wäre.
Was sich für die Krankenkassen ändern könnte
Während Allgemeinmedizinern bislang die Möglichkeit besaßen, eine begründete Einschätzung für den Einsatz von Cannabis abzugeben, dass sie andere Therapieoptionen ausgeschöpft haben und für nicht länger geeignet erachten, wird dies nicht mehr für eine Cannabistherapie genügen. Ärzte müssten fortan die Art, die Dauer und die Ergebnisse des Einsatzes der Cannabismedizin in der Akte des jeweiligen Patienten schriftlich festhalten. Für die Krankenkassen könnten dazu Optionen entstehen, dass diese vor dem Beginn der Therapie bei der ersten Verordnung bereits ihre Genehmigung erteilen müssen.
Bislang konnten nur in Ausnahmefällen – circa ein Drittel oder Viertel aller Verordnungen in Deutschland – die Kostenübernahme verweigert werden. Dies würde sich bei einer Veränderung betreffend der Regulierung von medizinischem Cannabis sicherlich nochmals verschärfen. Einzig müssten die Kassen die Genehmigungen erteilen, solange die „Voraussetzungen zur Leistungsgewährung erfüllt sind“. In der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV) würde laut den G-BA-Vorschlägen zufolge dann keine vorherige Genehmigungspflicht mehr angewendet werden.
Rezept nur noch vom Facharzt
Was ebenfalls noch in dem Änderungsvorschlag überlegt wird, ist die Option, Cannabis zu medizinischen Zwecken von Allgemeinmedizinern verschrieben zu bekommen, rückgängig zu machen. Nur noch Fachärzten mit speziellen Qualifikationen sollen die Möglichkeiten erhalten bleiben, Cannabis unter den richtigen Voraussetzungen und bei bestimmten Indikationen verordnen zu dürfen. Bei Epilepsie oder Migräne wären dies beispielsweise dann nur noch Fachärzte für Neurologie. Leidet man unter Darmkrankheiten, wären fortan nur noch Fachärzte für Innere Medizin und Gastroenterologie die richtigen Ansprechpartner.
Immerhin gäbe es bei einigen Indikationen mehrere Gruppen von Fachärzten, die für eine Verschreibung von Hanfmedizin infrage kämen. Bei ADHS könnten Fachärzte für Neurologie oder für Psychiatrie und Psychotherapie die Rezepte genehmigen. Doch selbst diesbezüglich könnten künftig weitere Restriktionen greifen, da man offensichtlich versucht, den Einsatz von natürlichen Cannabisblüten einzuschränken. Nur noch als letzte Option, wenn nach einer Prüfung des Arztes entschieden werden kann, dass andere Cannabisarzneimittel wie Extrakte nicht wirklich geeignet sind, könne mittels besonderer Begründung eine Verschreibung von Blüten ermöglicht werden.
Cannabis-als-Medizin-Gesetz ist Auslöser des Verfahrens
Am 25. Oktober hat der Gemeinsame Bundesausschuss den Beschluss zur Aufnahme in das Stellungsnahmeverfahren gefällt. Jetzt sind neben den verschiedenen Pharmaverbänden auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkDÄ) und die Cannabisagentur des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zur Stellungnahme berechtigt. Vier Wochen Zeit lässt man den Entscheidern, danach werden die Ergebnisse von Gremien des G-BA ausgewertet und nötigenfalls in weitere Beratungen einfließen.
Dieses Verfahren findet aufgrund der Begleiterhebung zum Cannabis-als-Medizin-Gesetz statt, mit der das BfArM beauftragt wurde. Der G-BA versucht nun, mit den darin übermittelten Daten auf der Basis der enthaltenen Auswertungsergebnisse das Nähere zur Leistungsgewährung in seinen Richtlinien zu regeln. „Nach abschließender Beschlussfassung und Inkrafttreten der Vorgaben in der Arzneimittel-Richtlinie werden diese dann bei der Verordnung von Cannabisarzneimittel zu berücksichtigen sein“, so eine Sprecherin des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Unter Umständen wird der Medizinalhanfsektor also in Zukunft noch restriktiver gehandhabt – auf Kosten von Patienten und dieses Mal auch von Fachärzten sowie Allgemeinmedizinern.