Ganz besonders in einigen US-Staaten, jedoch in zögerlichen Schritten auch in Deutschland und weiteren Ländern, bekommen Cannabinoide eine immer größere Bedeutung in der Medizin. Es gilt längst als erwiesen, dass Cannabis gegen schwere Nebenwirkungen im Rahmen einer Chemotherapie, oder auch gegen neuropathische Schmerzen bei verschiedenen neurologischen Erkrankungen, hochwirksam ist.
Mit der zunehmenden Verbreitung von medizinischem Cannabis wird auch die Form der Aufnahme immer weiter verfeinert, um für den Patienten eine möglichst effektive und gleichzeitig nebenwirkungsarme Darreichungsform zur Verfügung zu stellen. Während das normale Rauchen schon teilweise vom Vaporisieren abgelöst wurde und es orale Präparate mit vergleichsweise langer und konstanter Wirkungsdauer gibt, ist eine Darreichungsform bisher nicht sehr verbreitet.
Es ist die transdermale Aufnahme, also die Verabreichung von Cannabinoiden wie THC über die Haut. Dies kann beispielsweise mithilfe eines Pflasters erfolgen. Bei anderen Arzneimitteln, insbesondere bei Fentanyl, ist die Verabreichung über die Haut bereits eine gängige Anwendungsform in der Medizin. Bei Cannabinoiden könnte die transdermale Verabreichung der nächste revolutionäre Schritt in der Medizin sein.
Funktionsprinzip
Das erste THC-Pflaster wurde im Jahr 2000 in den USA patentiert. Im Wesentlichen besteht dieses Modell zunächst natürlich aus einer oberen isolierenden Schicht, um das Pflaster vor Umwelteinflüssen zu schützen. Im Inneren des Pflasters befindet sich ein kleiner Hohlraum. In diesem Hohlraum wird ein Gemisch aus einem Polymer und dem gewünschten Cannabinoid, wie THC, eingebracht. Polymere sind der Oberbegriff für langkettige Verbindungen, zu denen zum Beispiel auch Kunststoffe gehören.
Das Cannabinoid, welches zwischen diesen Makromolekülen des Polymeres eingelagert ist, wird im Anschluss wieder sehr langsam nach Außen abgegeben. Dabei ist es vom verwendeten Polymer und der darin enthaltenen Menge an Cannabinoiden abhängig, welche Dosis über welchen Zeitraum abgegeben wird. Das Cannabinoid tritt sehr langsam und gezielt auf der durchlässigen Seite des Pflasters, die sich auf der Haut befindet, aus und wird im Anschluss durch die Poren der Haut, mit einer Art Kapillarwirkung in den Körper aufgenommen.
Wichtig zu wissen ist an dieser Stelle, dass dieses Prinzip nur mit Wirkstoffen funktioniert, die eine geringe Molekülgröße haben und in geringen Dosierungen bereits sehr wirksam sind. Alle heutigen Modelle funktionieren nach diesem Prinzip, wobei es geringfügige Unterschiede in den verwendeten Polymeren gibt. Einige Modelle haben zwischen der Haut und der Polymerschicht eine weitere dünne Membran, welche die Wirkstoffabgabe zusätzlich beeinflusst. Solche Pflaster werden auch als Matrix-Pflaster bezeichnet. Einige Modelle enthalten zusätzlich DMSO (Dimethylsulfoxid). Dabei handelt es sich um eine Substanz, welche den Transport von Wirkstoffen durch die Hautschichten hindurch verbessert.
Lange und konstante Wirkung als entscheidender Vorteil
Der wahrscheinlich größte Vorteil von THC-Pflastern ist die extrem lange und konstante Wirkung. Über ein Pflaster lässt sich der Wirkstoff langsamer und kontrollierter abgeben, als bei allen anderen gängigen Konsumformen. In den USA erhältliche THC-Pflaster haben je nach Typ, eine Wirkungsdauer von 8 bis zu 96 Stunden. Einen konstanten und sehr exakt dosierten Arzneimittelpegel über einen derartig langen Zeitraum im Blut aufrechtzuerhalten, ist mit keiner anderen Verabreichungsform möglich. Selbst lang wirksame orale THC-Derivate wie 11-Hydroxy-THC, können nicht annähernd eine derartig lange und konstante Wirkung erzeugen.
Insbesondere für Patienten mit schweren chronischen Symptomen, die ansonsten mehrmals täglich nachdosieren müssen, ist hier ein THC-Pflaster, eine absolute Erleichterung. Ein weiterer entscheidender Vorteil ist das Umgehen des Verdauungstraktes. Das verhindert eine unerwünschte Verstoffwechslung und erhöht dadurch den Wirkungsgrad enorm. Der Wirkungsgrad der transdermalen Verabreichung ist mit jener der intravenösen Verabreichung vergleichbar. Ein sehr großer Teil des Wirkstoffes gelangt ohne Umwege exakt dorthin, wo er benötigt wird. Durch die sehr exakt definierte Abgabe der Wirkstoffmenge über Stunden, lassen sich auch psychoaktive Effekte, oder Nebenwirkungen wie Paranoia und Müdigkeit praktisch vollständig eliminieren.
Auf diese Weise kann der Patient über einen langen Zeitraum von der therapeutischen Wirkung von THC profitieren, ohne aber im Alltag eingeschränkt zu sein. Nicht zuletzt ist ein Pflaster eine sehr diskrete Konsumform. Selbst bis zum heutigen Tag ist das Rauchen oder Vaporisieren von Cannabis mit großer Stigmatisierung behaftet. Dieses Problem entfällt bei einem Pflaster völlig, wodurch sich auch die Akzeptanz des Patienten gegenüber einer Medikation auf Cannabinoidbasis erhöht.
In Deutschland bis jetzt nicht erhältlich
Trotz dieser entscheidenden Vorteile sind THC-Pflaster bis heute in Deutschland bisher nicht verfügbar. Lediglich Pflaster die CBD oder andere nicht psychoaktive Cannabinoide enthalten, finden sich bei einigen deutschen Anbietern. In vielen US-Staaten sind THC-Pflaster bereits eine gängige Praxis, die weite Verbreitung gefunden hat. Viele Staaten die Cannabis legalisiert haben, bieten THC-Pflaster in Onlineshops an. Mehrere US-Firmen arbeiten derzeit an einer Weiterentwicklung der bislang gebräuchlichen THC-Pflaster.
In diesen Modellen sollen mittels Nanopartikeln oder Mikronadeln, THC oder andere Cannabinoide in die Haut eingebracht werden. Durch diese Technologie erhofft man sich eine noch kontrolliertere Abgabe und somit längere Wirkungsdauer. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis diese Darreichungsform von Cannabis auch in Deutschland Anklang findet.