Die Wirkung von Cannabis kann den Organismus betäuben bzw. beruhigen und ebenso zu einer erhöhten Aktivität motivieren; sie kann Glücksgefühle spenden, aber gleichermaßen auch negative Emotionen stärken. Je nach Sorte und Person wirken die Inhaltsstoffe der Cannabisblüten unterschiedlich: Manche Konsumenten fühlen sich während des Rausches besonders kreativ und arbeitsfreudig, andere sind äußerst unproduktiv.
Doch es gibt auch allgemeingültige Folgen eines Cannabisrausches, die auf eine Mehrheit der Verbraucher zutreffen. Zum Beispiel: plötzliche Lachflashs, nachhaltige Gedächtnisverluste oder der Eintritt von starken Hungerattacken. Fast alle Cannabis-Erfahrungsberichte stehen im Licht einer gemeinsamen Empfindung: nämlich des Gefühls der Wahrnehmungsumstellung, also der Veränderung von den Sinneseindrücken.
Es verhält sich vergleichsweise wie mit der Musik: gehen wir davon aus, dass 20 Menschen denselben Song hören, so werden alle den Song durchaus komplett verschieden empfinden, obwohl doch alle im Grunde genau dieselbe Zusammenstellung aus Frequenzen zu hören bekommen. Egal ob die Zuhörer nun Trauer, Freude, Abneigung, Melancholie, Neutralität usw. fühlen, ihre Stimmung wird auf irgendeine Weise angesprochen! Aus biologisch-neuronaler Sichtweise ist dieses Phänomen der unterschiedlichen Wahrnehmung speziell unter der Wirkung von Cannabis ganz einfach anhand weniger Prinzipien und Prozessen bestimmter Körperbausteine zu erläutern.
Erfahre jetzt, wie der in den Cannabisblüten enthaltene Inhaltsstoff THC im Stande dazu ist, unser aller Wirklichkeitswahrnehmung durch die Beeinflussung der körpereigenen Bioelektrizität – und der damit einhergehenden Aktions- bzw. Ruhepotenziale – auf neuronaler Ebene grundlegend zu manipulieren. Die Synapsen eines mit Endocannabinoiden und Neurotransmittern trächtigen endogenen Systems, welches jeden menschlichen Körper durchzieht, bilden dabei für die THC-Moleküle eine passgenaue Anlaufstelle.
Matchball: Es steht 8 zu 9. Wer 10 Punkte erreicht, gewinnt. Das nächste Tor kann also über Gewinner und Verlierer entscheiden – es geht um alles. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder du schießt noch zwei Tore und machst nicht den „Fliegenfänger“, hältst also alle gegnerischen Torversuche und sicherst dir somit den Pokal oder du bist, wenn du deinen Gegner das Siegestor schießen lässt, ein für alle Mal raus. Du stehst deinem Gegner am Tischkicker mit leicht gebeugtem Rücken gegenüber, schaust ihm tief in seine feurig roten Augen und wartest voller Anspannung, bis er mit seinem Einwurf die neue und vielleicht letzte Runde startet. Es ist Totenstille. Die Zeit steht für einen Moment still und dicke Schweißperlen laufen über dein Gesicht, während du die beiden rechten Griffe mit deinen Händen fest umklammerst. Dein Fokus richtet sich komplett auf den Moment und deine Hände sind sofort einsatzbereit…
Unter solchen Umständen ist es für uns alle substanziell wichtig, uns auf unser evolutionär gegebenes System zur Informationsverarbeitung zu verlassen, das mit der plötzlichen Erfassung der Situation eine präzise gesteuerte Reaktion ermöglicht. Im Zuge der Erregungsleitung können die in diesem System integrierten Nervenzellen Informationen mit rasantem Tempo über längere Strecken weiterleiten. Man nennt es das Nervensystem. Es ist ausschlaggebend für alle eingehenden Reize und vermag jegliche Handlung konkret zu steuern. Dank dieses Nervensystems können wir die Griffe am Tischkicker abhängig vom Standort des Balls blitzschnell zu unserem Vorteil bewegen.
- Die Nervenzelle Unser Nervensystem besteht neben den Gliazellen aus den Nervenzellen (Neuronen) selbst. Unabhängig von ihrer Funktion haben alle Neuronen denselben Grundbauplan und funktionieren nach gemeinsamen Prinzipien. Obgleich sie Sinnesreize aufnehmen, Muskelanspannungen veranlassen oder Gedächtnisfunktion haben; im Grunde transportieren sie Informationen in Form von elektrischer Erregung. Deswegen lässt sich deren Funktion und die Interaktion mit den Wirkstoffen der Cannabisblüten exemplarisch sehr gut darstellen. Wenden wir uns nun dem groben Bau der Neuronen zu, um schnell und einfach deren Funktionsweise zu verstehen. Nervenzellen lassen sich in drei Abschnitte unterteilen:
- Der Zellkörper Hier befindet sich das Zentrum der Zelle inklusive Zellkern und allen lebenswichtigen Organellen. Vom Zellkörper geht das Wachstum der Nervenzelle aus. Ein technischer Vergleich hierzu ist der Prozessor einer Maschine.
- Die Dendriten So werden die Zellfortsätze aller Neuronen genannt. Sie breiten sich im Raum aus und stellen eine große Oberfläche für den Empfang von Signalen anderer Nervenzellen bereit. Zudem gibt es an den Dendriten tausendfache Verbindungen mit anderen Nervenzellen (diese Verbindungen nennt man Synapsen). Dendriten sind wie Antennen zur Signalempfängnis.
- Das Axon Das Axon ist ein einzelner Zellfortsatz pro Neuron, der bis zu über einen Meter lang werden kann und für die Weiterleitung der von den Dendriten empfangenen Signalen zuständig ist. Es gibt Axone in isolierter und nicht isolierter Form (Myelinscheide). Sie sind technisch gesehen wie Kabel, die elektrische Impulse weiterleiten. Das Axon verzweigt sich am Ende zu vielen präsynaptischen Endungen, die mit den Dendriten anderer Neuronen synaptische Verbindungen eingehen. In den Synapsen werden alle transportierten Signale übertragen. Dazu gehören beispielsweise Reize, die zur Informationsaufnahme und –ausgabe beitragen.
Doch bis zur Informationsweiterleitung an den Synapsen muss erst der Normalzustand – das sogenannte Ruhepotenzial – eines Neurons durch Aktionspotenziale unterbrochen werden. Die Bioelektrizität läuft nicht wie die technische Elektrik mithilfe gut leitender Materialien ab, sondern muss sich anders verhelfen. Wir Menschen bestehen – so wie die meisten Wirbeltiere – zu etwa 80 Prozent aus Wasser. Da Wasser aber ein gänzlich ungeeigneter Leiter für elektrische Impulse ist, hat sich die Evolution dahingehend mit chemischen Elementen verholfen:
Ganz kurz und einfach gesagt, ist das Zellinnere eines Neurons sehr viel negativer geladen als der extrazelluläre Raum. Bei dieser intrazellulär negativen Ladung spricht man vom Ruhepotenzial. Dieses liegt bei Säugetieren standardmäßig zwischen -40 und -75 Millivolt (mV). Nun wird das Ruhepotenzial durch ein Konzentrationsgleichgewicht von Kalium und Natrium bestimmt. Kalium im Inneren der Nervenzelle und Natrium hauptsächlich im extrazellulären Raum.
Diese elektrochemische Energie bildet Grundlage zur Erzeugung elektrischer Impulse durch das Aktionspotenzial. Die Zellmembran der Neuronen hat spannungsabhängige Ionenkanäle, die spezifisch für Natrium fungieren und die Ionen ins Zellinnere oder in den Zellaußenbereich befördern. Diese Kanäle sind im Zustand des Ruhepotenzials geschlossen. Wird jedoch die Spannung der Membran über einen bestimmten Schwellenwert ins Positiv katapultiert, so öffnen sich die Natriumkanäle und folglich strömt Natrium vom Zellaußenbereich ins negative Innere. Die Ladung des Zellinneren wird somit zunehmend positiver. Je positiver das Zellinnere, desto mehr Natrium-Ionenkanäle öffnen sich; man nennt diesen Vorgang „positive Rückkopplung“. So schafft es die Zelle binnen weniger Millisekunden explosionsartig bis auf +50 mV. Nun schließen sich die Natriumkanäle und Kalium, werden vom Zellinneren durch die Membran nach außen transportiert, was letztlich zur Folge hat, dass der intrazelluläre Bereich allmählich wieder negative Ladung annimmt. Das Ruhepotenzial ist wieder hergestellt und ein neues Aktionspotenzial kann ausgelöst werden.
Das ist die überschaubare Kurzfassung von dem, was im Neuron geschieht, wenn ein Impuls ankommt und im Zuge der Erregungsbildung weitergeleitet wird.
Beispiel: Wir warten, bis unser Gegner den Einwurf beim Tischkicker startet. Sobald der Ball durch das kleine Loch rollt, um ins Spielfeld zu gelangen, nehmen die Sinneszellen unserer Augen und Ohren Reizsignale auf: Sie starten Aktionspotenziale. Allein die Auslösung des Aktionspotenzials in einem Neuron hilft uns aber nicht bei der Reizverarbeitung. Die wahrgenommenen Reize müssen über mehrere Nervenzellen bis in unser Gehirn übertragen werden, sodass dort mit der Informationsverarbeitung eine Reaktion angesteuert werden kann. Nun befindet sich der Impuls des Aktionspotenzials am Ende des Axons im präsynaptischen Bereich eines Neurons – und hier wird es interessant für die Wirkung von Cannabis.
Die Synapse
Doch bevor wir zur Beeinflussung von Cannabis kommen, sehen wir uns zuerst an, was an der Synapse normalerweise geschieht. Genauso wie Nervenzellen haben Synapsen und synaptische Vorgänge grundsätzliche Strukturen, die mit wenig Aufwand exemplarisch dargelegt werden können.
Synapsen dienen grundlegend der Kommunikation zwischen zwei Nervenzellen. Es gibt zum einen elektrische Synapsen, bei denen elektrische Signale direkt weitergeleitet werden und zum anderen chemische Synapsen, die Signalübertragungen auf stofflichem Weg vollziehen. Folgend werden die überwiegend im Nervensystem vorkommenden chemischen Synapsen beschrieben, in die das Cannabis eingreifen kann.
Auch die Synapse lässt sich in drei wesentliche Abschnitte unterteilen:
- Präsynaptische Endigung Auch Endknöpfchen genannt. Hier werden die Informationen aus dem Axon übertragen. Jedes Endknöpfchen enthält Neurotransmitter, die als Überträgersubstanzen dienen. Die Neurotransmitter (auch Botenstoffe genannt) befinden sich in mehreren hunderten Vesikeln. Vesikel sind kleine Bläschen, die an der präsynaptischen Endigung für den Transport der Neurotransmitter zuständig sind. Jedes Vesikel enthält mehrere tausend Moleküle Neurotransmitter.
- Synaptischer Spalt Dieser etwa 20 – 40 Nanometer (nm) breite Zwischenbereich verbindet zwei Nervenzellen miteinander. Der Spalt befestigt mit seiner Füllung aus Glykosaminoglykane (GAG) die präsynaptische Endigung eines Neurons am nachgeschalteten Neuron.
- Postsynaptische Zelle Der synaptische Spalt mündet direkt in die Zellmembran der postsynaptischen Zelle des folgenden Neurons. Es handelt sich um die postsynaptische Region eines neuen Dendrits der nachfolgenden Nervenzelle. Wie der aufmerksame Leser nun feststellt, schließt sich hier der Kreislauf: Neuron an Synapse an Neuron… Gar nicht so kompliziert, was?! Diese Kette von mit Synapsen aneinander geschalteten Neuronen vollzieht sich (mit wenigen Ausnahmen) durch unser ganzes Nervensystem. Wenn also der Einwurf des Balls zur nächsten Runde am Tischkicker durch unsere Sinnesorgane registriert wird und Aktionspotenziale innerhalb der Neuronen gestartet werden, die am Ende der Nervenzelle an der Synapse ankommen, dann kann dort die biochemische Übertragung mittels Neurotransmittern stattfinden. Im Optimalfall kommt die Übertragung in der nächsten Nervenzelle an und wird in einer Kette aus vielen Neuronen bis ins Gehirn weitergeleitet. Im Gehirn kann die Information dann verarbeitet und eine gezielte physische Reaktion veranlasst werden; wir steuern mit unseren Händen die Griffe und bewegen damit den Ball im Spielfeld. Nur wie genau findet die Übertragung an der Synapse statt und wie kann Cannabis dabei unsere Emotionen beeinflussen und Hungerattacken auslösen? Wir befinden uns kurz vor der einleuchtenden Erklärung.
Die Antwort auf diese Frage liegt schon fast auf der Hand, wenn wir uns bewusst machen, dass Neurotransmitter die elektrischen Impulse aus einer Nervenzelle über den synaptischen Spalt hinweg an eine weitere Nervenzelle weiterleiten. All das passiert wie oben bereits erwähnt über biochemische Vorgänge. Unser Bewusstsein lässt sich also biochemisch auch beeinflussen!
Bei einer Informationsübertragung geschieht an der Synapse das Folgende (wer sich nicht für die genauen Details interessiert, darf gern ab der groben Kurzfassung unter Punkt sechs weiterlesen):
- Ein Aktionspotenzial trifft in einer präsynaptischen Endigung ein.
- Volle Ladung kommt also an, worauf sich spannungsabhängige Kalziumkanäle in der Membran öffnen. Je größer die ankommende elektrische Ladung, desto mehr Kalziumionen strömen ins Zellinnere der präsynaptischen Endigung.
- Der Anstieg des Kalziumgehalts signalisiert einigen intrazellulären Vesikeln, dass sie mit der Membran verschmelzen (Exozytose). Je mehr Kalzium in das Zellinnere gelangt, desto mehr Vesikel verschmelzen mit der Membran und ergießen ihren Inhalt über dem synaptischen Spalt.
- Die aus den Vesikeln ausgeschütteten Transmittermoleküle gelangen schnell zur postsynaptischen Membran der nächsten Nervenzelle. Diese enthält Transmitter gesteuerte Ionenkanäle, die sich nur öffnen, sobald der passende Transmitter an sie bindet (Schlüssel-Schloss-Prinzip).
- Solange sich Neurotransmitter im synaptischen Spalt befinden, bleiben die Ionenkanäle geöffnet. Die Transmitter werden nach einmaliger Bindung am Ionenkanal durch Enzyme gespalten und in ihre Grundelemente zerlegt.
- Das Öffnen der Ionenkanäle bewirkt einen Ioneneinstrom in den Dendriten des nächsten Neurons. Durch das Einströmen von Natrium kommt eine positive Ladung im Zellinneren zustande. Man spricht vom postsynaptischen Potenzial, das bei ausreichendem Spannungsgehalt ein neues Aktionspotenzial im nächsten Neuron bewirkt.
Diese sechs Schritte klingen komplizierter, als sie sind: Kurz gefasst kommt zuerst eine positive Ladung am Ende einer Nervenzelle an, welche dafür sorgt, dass Vesikel ihre Transmitter im synaptischen Spalt ausschütten. Die Transmitter gelangen anschließend durch Transmitterkanäle ins nächste Neuron. Nachdem die Transmitter angedockt haben, werden sie durch Enzyme in ihre Einzelteile zerlegt, die wieder zurück in die präsynaptische Endigung der vorherigen Nervenzelle gelangen, wo sie zu neuen Transmittermolekülen synthetisiert werden. Würden sie nicht zersetzt, käme es zur Dauererregung, weil sie dauernd an den Rezeptoren des nachgeschalteten Neurons andocken würden.
Es ist noch viel mehr erforscht, worüber es sich lohnte, an dieser Stelle zu berichten. Doch weil wir bereits genügend Informationen für das wesentliche Verständnis zum Thema gesammelt haben, ziehe ich hier einen Schlussstrich der wissenschaftlichen Erörterung und komme zur Eingangsfrage zurück: Wie kann Cannabis unser Bewusstsein so dermaßen beeinflussen, dass uns plötzliche Hungerattacken überkommen oder wir uns anders fühlen?
THC trifft auf Synapsen
Hast du auch schon einmal Cannabis konsumiert? Dann kennst du sicher die während des Rausches auftretenden Hungerattacken. Doch wie kommen diese zustande? Hier die Antwort:
Wir begeben uns imaginär in das Hirnareal des Hypothalamus. Der sitzt ziemlich in der Mitte unseres Gehirns und ist unter anderem Kontrollinstanz für einen ausgeglichenen Energiehaushalt. Braucht unser Körper Nahrung, dann wird der Hypothalamus darüber informiert und schüttet als Reaktion Endocannabinoide mit dem Namen Anandamid aus. Diese docken an den Anandamid-Rezeptoren an, welche im Hypothalamus üppig ausgeprägt sind und sorgt somit dafür, dass wir Hunger spüren. Man kann es erahnen; Anandamid ist Teil unseres Endocannabinoidsystems und hat eine sehr ähnliche Struktur wie das Molekül Tetrahydrocannabinol (THC). Wenn wir also THC in hohen Mengen aufnehmen, docken die THC-Moleküle an den Anandamid-Rezeptoren im Hypothalamus an und lösen die chemische Reaktion an den Synapsen aus, die die Aktionspotenziale hervorruft und uns das Hungergefühl beschert. Unser Gehirn benötigt dafür keinen Reiz, der die chemische Reaktion über elektrische Impulse auslöst, weil das THC von ganz von selbst den Weg über den Blutkreislauf in unser Gehirn findet und an den dortigen Synapsen die Impulse für (völlig zufällige) Reize bewirkt. Ergo bekommen wir Appetit.
Kürzlich redete ich mit einem starken Konsumenten, der täglich mehrmals kifft. Die Unterhaltung warf wirklich erstaunliche Fragestellungen auf! Er berichtete davon, wie er ohne die Wirkung von Cannabis nie richtigen Hunger spürt, ihm sogar teilweise übel wird, sobald er isst. Ich bin kein Arzt, deswegen kann ich hier nur Vermutungen aufstellen. Nach meinem Verständnis liegt das Problem an einer Rezeptor-Vermehrung in seinem Zentralen Nervensystem: Wie der Körper mithilfe der Synapsen die Phytocannabinoide (Phyto = Pflanze) aufnimmt, haben wir bereits geklärt. Meine Vermutung ist, dass sich in seinem Nervensystem aufgrund des hohen Cannabiskonsums eine Masse an neuen Rezeptoren ausgebildet haben, die in der Lage sind, die hohe Dosis an Cannabinoiden (THC und CBD) aufzunehmen. Wenn er also kifft, können alle Cannabinoide im Körper angenommen werden. Wenn er jedoch nicht kifft, dann sind sehr viele neu gebildete Rezeptoren frei und warten auf die nächste Aktion.
Wenn nun der Körper versucht, auf natürlichem Weg ein Hungergefühl zu erzeugen, schüttet er Anandamid aus, welches uns spüren lässt, dass unser Körper Energie in Form von Nahrung benötigt. Im Normalfall ist die Anzahl von Anandamid-Rezeptoren an die Summe der Anandamid-Transmitter angepasst, sodass klare Signale gestartet werden und sich das Hungergefühl im Körper ausbreiten kann. Wenn nun aber bedingt durch die erhöhte Anzahl von Rezeptoren, nur wenige durch die natürliche Ausschüttung von Anandamid überhaupt aktiviert werden, fällt die Intensität des Reizes im Körper entsprechend gering aus. Erst wenn genügend Rezeptoren durch den Konsum von Cannabis gereizt werden, dann bildet sich das Hungergefühl aus, weil die THC-Moleküle das Anandamid Struktur technisch nachahmen und an den entsprechenden Rezeptoren andocken. Falls Du besser Bescheid weißt über das Phänomen, dass man als starker Konsument nüchtern weniger Appetit hat und diese These hier korrigieren kannst, bitten wir um einen Kommentar.
Übrigens haben auch die mit dem Konsum verbundenen Gleichgewichtsstörungen, Koordinationsprobleme und Erinnerungslücken denselben Ursprung wie die Hungerattacken: Anandamid ist ebenfalls für die Steuerung dieser drei Bereiche zuständig. Es wartet in den Vesikeln im Inneren der Neuronen darauf, zum richtigen Zeitpunkt freigesetzt zu werden. Wieder wandert das THC zu den synaptischen Spalten des Endocannabinoidsystems und dockt an den Anandamid-Rezeptoren an, um Aktionspotenziale auszulösen, also auf den Punkt gebracht, um Impulse zu setzen. Nachdem das Signal ausgelöst wurde, entfernt sich das THC und wird vom Körper enzymatisch zersetzt. Durch diesen unnatürlichen Eingriff des Phytocannabinoids THC kommt es zu den uns bekannten, typischen Störungen.
Zu guter Letzt ist es wichtig über die Ursache der berühmten Lachflashs neurologisch korrekt aufklären. Wenn wir lachen, spüren wir Glück. Oder anders gesagt: sind wir glücklich, so lachen wir gern. Glück ist in unserem Fall hier rein biochemisch zu betrachten. Normalerweise spüren wir Freude und Tiefenentspannung durch die Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin, welches unser Belohnungszentrum aktiviert. Die Ausschüttung des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA) wiederum hemmt die Dopamin-Ausschüttung, sorgt also dafür, dass wir nicht unendlich viel Freude spüren, sondern dosiert. Nun hat THC die Eigenschaft, GABA zu hemmen. Ist GABA gehemmt, wird folglich Dopamin ungehemmt ausgeschüttet. Indirekt sorgt also das THC für die erhöhte Dopamin-Ausschüttung.
Bleibt nur die Frage, wie THC GABA hemmt. Aber auch das ist schnell geklärt: Stellen wir uns zwei benachbarte Neuronen vor. Eines ist für die Ausschüttung von Dopamin zuständig und das andere für die Ausschüttung von GABA. Wie wir wissen, hemmt die Freisetzung von GABA die von Dopamin. Nun kommt es vor, dass sich an den präsynaptischen Bereichen von GABA-Neuronen Endocannabinoid-Rezeptoren befinden. Also dockt das THC dort an, kommt in den präsynaptischen Bereich und reduziert dort die Anzahl der in den Vesikeln befindlichen GABA-Neurotransmittern. Und voilà: Weniger GABA bedeutet mehr Dopamin. Viel Dopamin bedeutet viel Glück, Freude und Entspannung.
Zusammenfassung
Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass sich die THC-Moleküle sobald sie im Körper sind mit den Endocannabinoiden (Anandamid und 2-AG) im Wettstreit um die Verbindungen mit den entsprechenden Rezeptoren befinden. THC schwirrt – bildlich gesprochen – im Körper umher und dockt an jedem freien und passgenauen Rezeptor an, um schließlich rein zufällig bestimmt Reize auszulösen. Darunter die bekanntesten sind Lachflashs und Hungerattacken. Deren plötzliche An- und Abwesenheit zieht Gleichgewichtsstörungen oder Gedächtnisverluste mit sich. Und das alles, weil die Endocannabinoide (Anandamid bzw. 2-AG) und Phytocannabinoide (THC und CBD) fast identische Oberflächenstrukturen aufweisen.
Es gibt noch weitere Wege, wie extern zugeführte Substanzen unser Nervensystem beeinflussen:
- Manche Antidepressiva hemmen im synaptischen Spalt diejenigen Enzyme, die für den Abbau der angedockten Neurotransmitter zuständig sind. Sie erhöhen somit die Wirksamkeit der Botenstoffe, da sie mehrfach andocken können (Dauererregung). So wird beispielsweise die Aktivität von Dopamin, Noradrenalin oder Serotonin gesteigert.
- Andere Antidepressiva verhindern wie Kokain die Wiederaufnahme von Transmittern. Sie verhindern das Recycling der Neurotransmitter und sorgen somit für Dauererregung. Die Neurotransmitter werden nicht wie gewohnt abgebaut, sondern bleiben im synaptischen Spalt erhalten und docken immer wieder an die Rezeptoren an. Es werden folglich ständig neue Impulse ausgelöst.
- Nicotin, Meskalin und Muscarin ahmen die Wirkung von Transmittern nach (Bsp. Acetylcholin), können aber nicht wie diese gespalten und recycelt werden. Sie öffnen Ionenkanäle und sorgen durch diese Depolarisierung der Zellmembran für Erregung.
- Botox blockiert die calciumabhängige Transmitterfreisetzung. Wir wissen bereits, was das bedeutet!
Grundsätzlich wirken all diese stofflichen Einflüsse auf das Nervensystem, indem sie die Informationsübertragung an den Synapsen beeinflussen oder sie in Wechselwirkung mit den Ionenkanälen stehen. Weil unser Gehirn sehr anpassungsfähig und in ständigem Wachstum ist, kann es bei regelmäßigem Konsum externer Substanzen zu langfristigen Veränderungen in der Struktur des Nervensystems kommen. Somit begründen sich nachweislich unter anderem Sprachstörungen, Suchtverhalten, Vergesslichkeit oder ähnliches.
Wer mehr über die physische Veränderlichkeit des Gehirns nachforschen möchte, kann sich gern den Artikel „Wie Cannabis dein Bewusstsein beeinflusst“ durchlesen.
Wenn du das nächste Mal vorm Tischkicker stehst und falls du Gewinnabsichten hegst, dich nicht vorher mit Betäubungsmittel oder ähnlichen Substanzen zu stimulieren, weil du deinen Sieg somit den in deinem Organismus umher schwirrenden körperfremden Molekülen überlassen würdest, die ihren Weg zu passenden Rezeptoren suchen und vor Zersetzer-Enzymen fliehen.