Sativex war das erste Medikament auf der Basis von Cannabis, welches in Deutschland zugelassen wurde. Wie zu erwarten, waren vorwiegend rechtliche Hürden ein erhebliches Hindernis, welches Patienten vollkommen unnötig lange warten, oder zu illegalen Produkten greifen ließ. Im Jahr 2011 war es nach einer Änderung des Betäubungsmittelgesetzes endlich möglich, Sativex als verkehrsfähiges und verschreibungsfähiges Arzneimittel auf den deutschen Markt zu bringen. Bei Sativex handelt es sich um ein standardisiertes Extrakt aus Cannabis, welches sowohl THC als auch CBD enthält.
Sativex wurde zugelassen gegen Spastiken im Zusammenhang mit Multipler Sklerose, für Patienten, die auf die Standardtherapie nicht ansprechen. Für damalige Verhältnisse, als Hanf noch als die Teufelspflanze schlechthin angesehen wurde, war dies ein enormer Fortschritt. Vor Sativex gab es lediglich synthetisch hergestellte Cannabinoide in Reinform, wie es zum Beispiel bei Dronabinol der Fall ist. Das ist im Grunde synthetisches THC, welches aufgrund der schwierigen rechtlichen Situation über Umwege hergestellt werden muss. THC-reichen Hanf als Pflanze direkt zu benutzen und daraus Extrakte für den Menschen herzustellen, war zur damaligen Zeit rechtlich undenkbar.
Ein Hanfextrakt als Meilenstein
Die Geschichte von Sativex geht bereits auf das Jahr 2003 zurück. Das britische Pharmaunternehmen GW Pharmaceuticals baute damals Cannabis an, um daraus ein Extrakt mit dem Namen Nabiximols herzustellen, welches später unter dem Namen Sativex vermarktet wurde. Pharmakologisch handelt es sich bei Sativex um ein standardisiertes Extrakt, welches mittels CO₂-Extraktion aus Hanf gewonnen wird. Es ist als Mundspray am Markt erhältlich. Dabei enthält jeder Sprühstoß 2.7 mg THC und 2.5 mg CBD. Bei einer sublingualen Verabreichung weisen sowohl THC als auch CBD eine hohe Bioverfügbarkeit auf. Außerdem ist ein Mundspray für Patienten eine einfache und diskrete Anwendungsform, die mehrmals am Tag durchgeführt werden kann, weshalb diese Darreichungsform gewählt wurde.
Die sublinguale Verabreichung hat überdies den Vorteil, dass keine kurzzeitige Höchstkonzentration im Blut entsteht, die kurze Zeit später wieder abfällt. Dies ist beim inhalativen Konsum der Fall und erfordert ein häufigeres Nachdosieren. Über die Mundschleimhäute wird dieses Extrakt langsam aufgenommen und erzeugt einen deutlich niedrigeren und dafür gleichbleibenden Pegel der Cannabinoide im Blut. Bis zur Zulassung war es jedoch ein steiniger rechtlicher Weg, da zu diesem Zeitpunkt auch in Großbritannien jegliche medizinische Anwendung von Cannabisprodukten verboten war.
2010 war es schließlich so weit, dass Sativex als Medikament gegen Spastiken im Zusammenhang mit Multiple Sklerose in Großbritannien zugelassen wurde. Dieser Zeitpunkt kann heute im Grunde als Meilenstein in der Hanfmedizin bezeichnet werden. Allmählich wurde Sativex als erstes Medikament auf Cannabisbasis auch in weiteren Ländern zugelassen, bis es 2011 schließlich auch in Deutschland so weit war. Bei schweren Spastiken kommen in der Standardtherapie unter anderem auch Benzodiazepine wie Clonazepam zum Einsatz, die das Problem haben, körperlich schwer abhängig zu machen. Dieses Problem fällt bei Sativex weg. Sativex wird von der Mehrheit der Patienten gut vertragen und hat sich als sehr effektiv erwiesen.
Ein Segen für Patienten
Die ersten placebokontrollierten Phase-3 Studien, die für eine Zulassung notwendig waren, verliefen mit einem überragenden Erfolg. Bei diesen Studien, die an jeweils 350 und 189 Multiple Sklerose Patienten durchgeführt wurden, zeigte sich eine signifikante Linderung von spastischen Symptomen, die mit herkömmlichen Medikamenten bislang nur unzureichend bekämpft werden konnten. Begleitsymptome von Multiple Sklerose, wie Spastiken, neuropathische Schmerzen und auch Schlafstörungen, konnten effektiv gelindert werden. Die Intensität der Spastiken wurde mit einer standardisierten Skala ermittelt, bei der die Patienten die Intensität ihrer Symptome einschätzen. Dabei konnte mittels Sativex im Vergleich zu Placebo, durchschnittlich eine Reduktion der Spastiken um 3.01 Punkte erzielt werden, im Vergleich zum Ausgangswert von durchschnittlich 6.91 Punkten.
In weiterer Folge wurden klinische Studien zur Wirksamkeit von neuropathischen Schmerzen durchgeführt. Dies ist eine Form vom Schmerz, der beispielsweise als Begleiterscheinung einiger Krebserkrankungen auftreten kann und bis zum damaligen Zeitpunkt nur sehr ungenügend gelindert werden konnte. Eine entsprechende Phase 3 Studie mit 380 Patienten bestätigte die Wirkung von Sativex auf diesem Gebiet, woraufhin, zumindest in einigen Ländern, auch neuropathische Schmerzen eine Indikation für eine Verschreibung wurden.
In Deutschland ist Sativex nach wie vor nur im Zusammenhang mit Spastiken verfügbar, was im Grunde eine Haarspalterei ist, da medizinische Cannabisblüten, mit den gleichen Hauptwirkstoffen eine deutlich breitere Palette an Indikation abdecken. Dennoch wurde mit Sativex der Beginn einer neuen Ära in der Medizin eingeläutet. Hanf in der Humanmedizin war bis zu diesem Zeitpunkt gänzlich undenkbar, sowohl rechtlich als auch in der Meinung der breiten Masse.