Die wichtigste und bekannteste Stoffgruppe im Hanf sind sicherlich die Cannabinoide. Diese sind für einen Großteil seiner Wirkung verantwortlich. Doch es gibt abseits von den Cannabinoiden noch weitere Stoffgruppen, bei denen es sich lohnt diese genauer zu betrachten. Die bekannteste dieser weiteren Stoffgruppen sind wahrscheinlich die Terpene.
Bei den Terpenen handelt es sich um Kohlenwasserstoffe, mit häufig stark ausgeprägtem Aroma. Im Hanf wurden bislang 140 dieser Terpene gefunden. Durch die Terpene kommt dieses ganz spezielle Aroma von Cannabis zustande und die Terpene sind es auch, die für die leichten Unterschiede im Aroma der einzelnen Sorten zuständig sind.
Mehrere krebshemmende Terpene
Terpene sorgen nicht nur für die typische Duftnote von Cannabis, sondern einige von ihnen haben auch ein hohes medizinisches Potenzial. Eines der wichtigsten ist Alpha-Pinen. Dieses Terpen scheint bestimmte Krebsarten zu bekämpfen. In einer koreanischen Studie im Jahr 2021 wurde die krebshemmende Wirkung von Alpha-Pinen an zahlreichen Typen von Krebszellen im Labor getestet. Dabei zeigte sich, dass Alpha-Pinen gegen mehrere Krebsarten wirksam ist, indem es die Aktivität der T-Lymphozyten erhöht, welche diese Krebszellen letztlich zerstören. Am effektivsten erwies sich Alpha-Pinen gegen Krebszellen aus der Leber, der Prostata, sowie bei Eierstockkrebs.
Ähnliche Effekte konnten auch beim Terpen d-Limonen festgestellt werden. Ein Team aus Forschern der medizinischen Universität in Shanghai und einem Krebsforschungszentrum aus Hawaii, stellte fest, dass d-Limonen, zumindest in Zellkulturen Lungenkrebszellen effektiv bekämpft. Dabei hat es einen anderen Wirkungsmechanismus als Alpha-Pinen. D-Limonen aktiviert in den Krebszellen eine Art programmierten Zelltod, wodurch sich Krebszellen selbst vernichten. Ein vergleichbarer Effekt wurde auch beim Terpen Linalool festgestellt. Dieses zeigt in Zellkulturen vorwiegend bei Dickdarmkrebs einen krebshemmenden Effekt, indem in Krebszellen ebenfalls ein programmierter Zelltod ausgelöst wird.
Humulen ähnlich entzündungshemmend wie Kortison
Bei der entzündungshemmenden Wirkung von Cannabis denkt man zunächst an den Wirkungsmechanismus von Cannabinoiden am CB2-Rezeptor. Jedoch gibt es im Hanf auch Inhaltsstoffe, die über einen ganz anderen Wirkungsmechanismus ebenfalls Entzündungen bekämpfen können, teilweise so gut wie Kortison. Einer dieser Wirkstoffe ist Humulen. Humulen ist ein Terpen, welches primär gegen Entzündungen in den Atemwegen wirksam ist. In einem Mausmodell wurde festgestellt, dass durch eine 22-tägige Gabe von Humulen eine Atemwegsentzündung, wie Asthma, genauso effektiv gelindert werden kann, wie durch das Kortisonderivat Dexamethason. Das Ausmaß der Entzündung, und die Effektivität der entzündungshemmenden Wirkung, wurde anhand des Blutbildes an der Leukozytenzahl bestimmt. Dabei zeigte sich durch Humulen eine vergleichbare Wirkung wie von Dexamethason.
Nebenbei erwähnt, ist Humulen, welches auch im Hopfen vorkommt, auch der Grund, warum manche Biere beim Öffnen einen leicht cannabisähnlichen Geruch verströmen. Ein weiteres Terpen, welches in zahlreichen Hanfsorten vorkommt, ist Beta-Myrcen. Dieses hat nicht nur deutliche sedierende Eigenschaften, sondern es wirkt ebenfalls entzündungshemmend. Bereits 2015 wurde in einer Untersuchung an der medizinischen Universität in Coimbra, Portugal festgestellt, dass Beta-Myrcen ein Kandidat sein könnte, um zukünftig Osteoarthritis zu behandeln.
In einem Zellmodell verlangsamte Beta-Myrcen genau jenen entzündlichen Prozess, der bei Osteoarthritis die Ursache für den Abbau von Knorpelzellen im Gelenk ist. Die Schulmedizin kann bislang nur die Symptome lindern, oder das Gelenk operativ austauschen. Den ursächlichen entzündlichen Prozess kann man schulmedizinisch bislang nicht wirkungsvoll stoppen. Hier könnte der Wirkungsmechanismus von Beta-Myrcen in Zukunft neue Behandlungsoptionen ermöglichen.
Flavonoide als weitere wichtige Stoffgruppe
Flavonoide sind eine weitere medizinisch wichtige Stoffgruppe, die im Hanf vorkommt. Hierbei sind hauptsächlich Cannflavin A und B relevant. Beide dieser Flavonoide zeigen eine vielversprechende entzündungshemmende Wirkung. Dies wurde durch mehrere Untersuchungen bestätigt. In PubMed, der größten medizinischen Datenbank auf diesem Gebiet, finden sich 26 Studien, welche diese entzündungshemmende Wirkung bestätigen. Flavonoide sind auch verantwortlich für den sogenannten Entourage Effekt. Das bedeutet vereinfacht gesagt, sie sorgen dafür, dass die Wirkung anderer Inhaltsstoffe, insbesondere auch jene der Cannabinoide, verstärkt wird.
Deswegen berichten sowohl Konsumenten als auch Patienten oftmals davon, dass sie von natürlichem Hanf eine andere Wirkung verspüren, als von einem einzelnen isolierten Wirkstoff, wie es zum Beispiel bei Dronabinol, also THC in Reinform der Fall ist. Flavonoide sind maßgeblich an der Gesamtkomposition des Wirkungsprofils einer Hanfsorte beteiligt und tragen dazu bei, dass für verschiedene Erkrankungen jeweils eine bestimmte Hanfsorte die optimale Therapie bietet.