Umfangreiche Forschung zum Cannabis bei Krebs bringt seit Jahren ständig neue, spannende Einsichten in die Wirkungsweise der Inhaltsstoffe von Hanfpflanzen. Deutschland ist zwar weder dabei noch auf dem Weg zu entsprechend großangelegten Studien und so konnten sich auch die Experten vom Medizinportal „Gelbe Liste“ bei einem neulich vorgestellten Bericht zum Thema Cannabinoide in der Onkologie primär mit auf Arbeiten aus zweiter Hand beschäftigen.
Der Überblick soll behandelnden Ärzten und Apothekern als Behandlungsempfehlung dienen, wenn Patienten um Grasblüten gegen Tumorschmerzen bitten. In der Summe fällt das Resümee gegenüber Cannabis sehr kritisch aus. Worauf sollten Patienten achten und wer steckt eigentlich hinter der gelben Liste als privatem Anbieter von Informationen im Gesundheitsbereich?
Heilmittel Hanf: nur ein Trend?
Bevor die als „Cannabis in der Krebsschmerztherapie: Ein Review zur aktuellen Evidenz“ präsentierte Übersicht konkret auf spezielle Risiken und Besonderheiten eingeht, gibt es für die Ärzteschaft auf Weiterbildung eine Zusammenfassung. Die liest sich in Teilen zwar wie eine Anti-Hanfbroschüre aus den finstersten Verbotszeiten, aber das seit vielen Jahren verbindliche, offizielle THC Narrativ von Konsum, anfänglicher Euphorie bei Usern und Nebenwirkungen bis zum neurotoxischen Effekt dürfte sich erst im Laufe der Zeit durch die anstehende Legalisierung für Cannabinoide ändern.
Heute spricht auch kein Fachmediziner etwa bei Opiaten über den „Stein der Unsterblichkeit“ wie im Mittelalter der berühmte Arzt Paracelsus als Erfinder von Laudanum über seine morphiumhaltige Tinktur. Cannabinoide bei Krebs bezeichnet die „Gelbe Liste“ gut 500 Jahre später als „Trend“ und beschreibt den sich häufenden, therapeutischen Einsatz von Hanföl, Grasblüten und Konzentraten gegen eine Vielzahl von Beschwerden.
Auch in Deutschland ist Cannabis auf Rezept legal, das im Bericht eingeklemmt in Anführungszeichen geschrieben wird – als handle es sich bei diesen Verschreibungen um ein zweifelhaftes Konzept an sich! Immerhin 18 % der Krebspatienten probieren Hanf als Heilmittel mittlerweile aus, so die Macher vom Review, wobei es bekanntlich nicht um Kurieren geht, sondern um das Lindern von Begleiterscheinungen von Krebserkrankungen wie Übelkeit und Erbrechen.
Expertengremium sichtet Cannabis Krebsforschung
Der Überblick beim gelb kolorierten Medizinportal im Internet nimmt Bezug auf einen in Fachzeitschriften publizierten Artikel zum Thema „Supportive Care in Cancer“, also der begleitenden, nicht direkt heilenden Versorgung von Krebspatienten. Erstellt wurde der Fachartikel wiederum durch die „Multinational Association of Supportive Care in Cancer“ (MASCC). Ob die Überschrift vom Text für Doktoren nur zufällig die gleiche ist wie Bezeichnung jener Vereinigung, die sich gegen neue Begleitmaßnahmen durch Cannabis bei Tumorerkrankungen ausspricht?
Multinational vernetzt und seit Jahrzehnten aktiv, handelt es sich fachlich gesehen auf jeden Fall um medizinische Fachleute. Deren Frage lautet: Besteht für Cannabinoide bei Krebsschmerzen eine echte Evidenz zur Wirksamkeit, die sich real evaluieren, sprich: bestätigen lässt? Ausdrücklich keine Rolle spielen jene in hunderten Studien erforschten, potenziell das Wachstum von Tumoren hemmenden Effekte durch Hanfprodukte. Wahrscheinlich hätte eine Berücksichtigung solcher Analysen die negative Gesamtbewertung beeinflusst und das wollte man vielleicht weder bei der MASCC noch bei der gelben Liste.
34 Studien über Cannabisprodukte als Grundlagen: Dünnes Eis?
Krebspatienten haben ein schweres Los und verdienen die bestmögliche Betreuung durch das Gesundheitswesen. Die nun formulierte Ablehnung von Cannabis in der Onkologie bereichert den medizinischen Diskurs ohne Zweifel, bedient sich aber im Bericht komischerweise genau jener Methoden, wie das bei den angeblich unseriösen Studien der Fall sein soll. Von denen schaute sich das Komitee der MASCC auch nur 34 Stück an, verreißt von Form bis Inhalt jede Analyse bis ins Mark und beurteilt Hanf-Präparate in der Summe als ungeeignetes Mittel für die Krebsschmerztherapie.
Mag sein, dass tausende Untersuchungen nur noch die Künstliche Intelligenz in kurzer Zeit erfassen kann – jede Studie einer geringen Auswahl als „fragwürdig“ abzutun, ist entweder auf bis dato international unbekannte, vollkommen gegenteilige Erkenntnisse zum Cannabis zurückzuführen oder auf eine gezielte Zusammenstellung der verwendeten Analysen. So würde unter anderem die Forschung eine kausale Wirksamkeit der Cannabinoide lediglich annehmen, wo nach Sicht der MASCC nur eine Korrelation vorliegt. Eigene Studien hat man aber keine vorzuweisen und die betont geringe Anzahl stellt Teile der Kritik auf ziemlich dünnes Eis.
Cannabinoide im Fadenkreuz und Gesundheitsdienstleister aus Fernost
Ob am Ende etwa Lobbyismus dahintersteckt, wenn Hanfkonsum mal wieder als „Mechanismus mit hohem Suchtpotenzial“ beschrieben ist? Kranke Menschen rutschten bei der Diagnose Krebs schnell in eine THC Abhängigkeit und seien schließlich für die Chemotherapie zu schwach, meinen die Experten. Ohne weitere Prüfung wird Cannabis als Substitut für Opiate genauso mies beurteilt wie extreme Nebenwirkungen als garantiert beschrieben sind und dann verklärt die „Gelbe Liste“ noch als neue Einsicht, was rundum potenziell immunsuppressive Effekte durch Cannabinoide lange bekannt ist.
Krebspatienten wie auch Leute, die Medikamente gegen hohen Blutdruck einnehmen, müssen Wechselwirkungen mit Hanf ausschließen, aber dazu kann der Arzt auch ohne pauschale Verdammung von Cannabis solide aufklären. Fachlich korrekt ist der Warnhinweis zu Cannabis bei Krebstherapien mit Checkpoint-Inhibitoren, drastisch wie ignorant hingegen klingt es, wenn sich die MASCC „klar gegen den Einsatz von Cannabinoiden als ergänzendes Schmerzmittel“ ausspricht und mehr Studien fordert. Die gibt es bereits in großer Zahl und die sind keineswegs alle so durchsichtig tendenziös wie der Tenor im Bericht durch die gelbe Liste.
Eigentümer vom Infoportal ist übrigens ein Unternehmen in Frankreich, das im Bereich Gesundheitsdienstleistungen wiederum zu einem an der Börse notierten Konzern in Japan gehört – beides Länder mit einer in der westlichen Welt nur selten so hart durchgedrückten Strafverfolgung gegen THC Konsumenten. In Fernost fokussiert man sich laut Wikipedia besonders auf die Werbung für Arzneimittel. Bundesdeutsche Mediziner sollten bei Krebsbehandlungen also am besten noch etwas genauer hinsehen, als ausgerechnet jener Branche zu vertrauen, die seit Ewigkeiten zu den stärksten Gegnern einer fairen Cannabisgesetzgebung gehört.