Ein seit vielen Jahren sehr kontrovers diskutiertes Thema ist die Schädlichkeit von Cannabis. Aufgrund seiner Stigmatisierung werden vielfach die Nebenwirkungen in ihrem Ausmaß völlig überschätzt, auch wenn grundsätzlich festgehalten werden kann, dass die Konsumform des Rauchens prinzipiell nicht gesund ist.
Eine Frage, die sich besonders stellt, ist, wie sich das Rauchen von Cannabis auf das Lungenvolumen auswirkt, da die Lunge jenes Organ ist, welches unmittelbar mit dem Rauch in Kontakt kommt. Je nach Körpergröße hat ein erwachsener Mensch etwa 2–3 Liter Lungenvolumen, auch Vitalkapazität genannt. Gemessen wird das Lungenvolumen mit einem Spirometer, ein Messgerät, welches die maximal ausgeatmete Menge an Luft misst und somit das Volumen feststellt.
Das Lungenvolumen ist maßgeblich beteiligt an der körperlichen Leistungsfähigkeit und Ausdauer, sowie ein eindeutiger Indikator und auch Begleitsymptom zahlreicher Atemwegserkrankungen. Im Alter von etwa 20 Jahren hat der Mensch das größte Lungenvolumen. Danach beginnt es in kleinen Schritten zu sinken, wobei toxische Umwelteinflüsse oder aber auch Entzündungen und Infektionen eine maßgebliche Rolle bei seiner Rückbildung spielen.
Cannabisrauch weniger schädlich als angenommen
Grundsätzlich gibt es bei Untersuchungen, welche die Auswirkungen von gerauchtem Cannabis auf die Lungen feststellen möchten, immer eine gewisse Ungenauigkeit infolge einiger methodischer Unschärfen. Es lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen, ob und womit das Cannabisprodukt gestreckt war und mit welcher Rauchgrundlage, wie Knaster, es unter Umständen gemischt wurde. Weitgehend ausgeschlossen wurde bei den Studien die Beimengung von Tabak, da bei Tabak bekannt ist, dass dieser die Lungenfunktion beeinträchtigt und das Ergebnis stark verfälscht wird. Des Weiteren kann bei vielen Teilnehmern solcher Untersuchungen die Rauchtechnik oftmals nicht exakt verifiziert werden. Es ist ein Unterschied in der Belastung der Lunge, ob etwa ein Joint oder eine Bong geraucht wird.
Unter Berücksichtigung all dieser Einflussfaktoren kam die größte medizinische Studiendatenbank, nämlich Pubmed, zu dem Schluss, dass moderater Cannabiskonsum die Lungenfunktion nicht beeinträchtigt. Als moderater Konsum wurde hier 1 Konsumeinheit pro Tag angenommen. Es gab zwischen 1968 und 2015 insgesamt 19 Langzeitstudien, die alle oben genannten möglichen Parameter, die ein Ergebnis verfälschen würden, so gut wie möglich berücksichtigt haben. Messungen des Lungenvolumens an den Teilnehmern der Langzeitstudien, über Zeiträume von bis zu 20 Jahren, kamen zu dem Schluss, dass das reine Rauchen von Cannabis das Lungenvolumen nicht oder nur in einem medizinisch nicht relevanten Ausmaß verringert.
Eine deutliche Abnahme des Lungenvolumens zeigte sich aber bei jener Gruppe, die angab, Cannabis zusammen mit Tabak zu rauchen. Unabhängig davon veröffentlichte im Jahr 2012 die CARDIA-Studie aus den USA Ergebnisse, die zum gleichen Schluss kamen. CARDIA steht für Cornorary Artery Risks in young Adults. Diese Studie, mit 5000 Teilnehmern, beobachtete über einen Zeitraum von 20 Jahren sowohl Cannabis- als auch Tabakraucher. Dabei zeigte sich, dass der alleinige Konsum von Cannabis das Lungenvolumen nicht eindeutig verringert, solange von einem moderaten Konsum von einer Konsumeinheit pro Tag ausgegangen wird. Tabak hingegen führte immer zu einem reduzierten Lungenvolumen.
Entzündungshemmende Wirkung von Cannabis hebt Schädlichkeit teilweise auf
Obwohl der Rauch von Cannabis ebenfalls Schadstoffe enthält, die für die Lunge prinzipiell schädlich sind und chronische Erkrankungen auslösen können, welche mit einem verringertem Lungenvolumen einhergehen, zeigt sich eindeutig, dass Cannabis in diesem Zusammenhang deutlich weniger gefährlich ist, als oftmals angenommen. Einer der Leiter der CARDIA-Studie, Dr. Stefan Kertesz von der University of Alabama, führt dies primär auf den entzündungshemmenden Effekt von THC zurück. Dieser Effekt kann das Entstehen zahlreicher entzündlicher Prozesse deutlich reduzieren, sodass dadurch die Schädlichkeit eines moderaten Konsums praktisch wieder aufgehoben werden kann. Ein weiterer Faktor ist sehr wahrscheinlich die Wirkung von Hanf auf die Bronchien. Während THC die Bronchien erweitert, verengt Tabak diese eher, aufgrund der gefäßverengenden Wirkung von Nikotin.
Geringer Konsum erhöht das Lungenvolumen leicht
Die oben angeführte CARDIA-Studie kam außerdem zum Schluss, dass ein nicht täglicher Konsum von Cannabis, das Lungenvolumen leicht erhöht. Dieser Effekt konnte bei Personen festgestellt werden, die angaben, dauerhaft weniger als 20 Joints pro Monat zu konsumieren. Jedoch betrug die Erhöhung des Lungenvolumens im Durchschnitt nur 50 Milliliter. Ob dies direkt am Cannabis selbst und dessen entzündungshemmenden und gefäßerweiternden Wirkung allein liegt, oder ob unter Umständen der Faktor mitspielt, dass Cannabisraucher deutlich tiefer inhalieren als Zigarettenraucher und somit ihre Lunge zu einem gewissen Grad trainieren, konnte aus dieser Studie nicht zweifelsfrei abgeleitet werden.