Myrcen ist ein weiteres sehr interessantes Terpen im Hanf. Neben dem Hanf kommt Myrcen auch in weiteren Pflanzen vor und ist ein Bestandteil vieler ätherischer Öle. Zu beachten bei der Handhabung von reinem Myrcen ist, dass dieses entzündlich ist. Myrcen ist in Wasser fast unlöslich. Für eine Lösungsmittelextraktion eigenen sich am besten Alkohol, Chloroform oder Äther.
In der Industrie dient Myrcen als Geruchs- und Geschmacksstoff sowie als Ausgangsmaterial für die Synthese weiterer Aromastoffe. Von Myrcen sind 2 verschiedene Isomere bekannt, das Alpha-Myrcen und das Beta-Myrcen. Wenn von Myrcen die Rede ist, ist üblicherweise Beta-Myrcen gemeint, da Alpha-Myrcen bislang nicht in der Natur nachgewiesen wurde und nur als Zwischenprodukt bei bestimmten Synthesen anfällt. Beta-Myrcen zählt zu den häufigsten im Hanf vorkommenden Terpenen. Je nach Sorte kann sein Anteil im gesamten Terpenspektrum 30–60 Prozent betragen.
Myrcen ist auch im Hopfen enthalten und verleiht Bier einen wesentlichen Anteil von seinem Aroma. Hanf ist mit Hopfen genetisch eng verwandt. Beide zählen zur selben Pflanzenfamilie. Während jedoch Hopfen und Bier, mehr oder weniger als Grundnahrungsmittel akzeptiert werden, wird Hanf aus rein ideologischen Gründen seit mittlerweile 100 Jahren als Teufelskraut geächtet. Neben seiner wichtigen Bedeutung als Aromastoff, weist Myrcen auch einige interessante medizinische Eigenschaften auf.
Indirekte schmerzstillende Wirkung
Aus Beobachtungen an Mäusen ist bekannt, dass Myrcen, sozusagen über Umwege, eine schmerzstillende Wirkung aufweist. Myrcen kann Schmerzen stillen, indem es über eine Wirkung am Alpha-2-Adrenozeptor körpereigene Opiate, sogenannte Endorphine, ausschüttet. Die Wirkung kann über Naloxon, einem Antagonisten am µ-Opioidrezeptor, wieder aufgehoben werden. Auf diese Weise konnte der Nachweis erbracht werden, dass Myrcen indirekt den Körper dazu bringt, körpereigene Opiate auszuschütten. Die Eigenschaft, über Umwege körpereigene Opiate auszuschütten, wurde bereits bei mehreren Inhaltsstoffen von Hanf nachgewiesen.
Dies könnte auch der Grund dafür sein, warum Cannabis häufig zur Linderung der körperlichen Entzugserscheinungen bei einer Opiat-Abhängigkeit empfohlen wird. Gegen die derzeit in den USA grassierende Opiat-Krise wurde mehrfach Cannabis empfohlen. Forscher vermuten außerdem, dass Myrcen die Wirkung und somit die schmerzstillenden Effekte klassischer Cannabinoide, wie THC, verstärken kann.
Myrcen sorgt offenbar dafür, dass Cannabinoide die Blut-Hirn-Schranke effektiver überwinden können. Dies führt zu einem schnelleren und stärkeren Einsetzen der Wirkung. Chronische Schmerzen sind ein enormes Problem in der öffentlichen Gesundheit. Wirkungsmechanismen wie jene von Myrcen, könnten zukünftig dabei helfen, effektivere Wirkungsmechanismen gegen chronische Schmerzen zur Verfügung zu haben.
Entzündungshemmende Wirkung
Sowohl durch Experimente an Zellkulturen, als auch durch Beobachtungen an Ratten ist bekannt, dass Myrcen eine entzündungshemmende Wirkung hat. Die entzündungshemmende Wirkung scheint hier primär auf die Gelenke fokussiert zu sein. Dies könnte Myrcen zu einem neuen Behandlungsansatz für Arthritis und Arthrose machen. Arthose ist ein weitverbreitetes Problem in der westlichen Welt, das bislang nur bedingt behandelbar ist. Forschung an den zugrundeliegenden molekularbiologischen Prozessen, um daraus neue Therapien ableiten zu können, ist von großer Bedeutung. Möglicherweise könnte der Wirkungsmechanismus von Myrcen hier einen neuen Ansatz bieten. Bereits 2015 konnte ein portugiesisches Forscherteam an einem Zellmodell nachweisen, dass Myrcen den Verlauf von Arthrose verlangsamen kann.
Die Forscher legten eine Zellkultur aus menschlichen Chondrozyten an. Dies sind spezialisierte Knorpelzellen, die für die Regeneration des Knorpels in Gelenken zuständig sind. Anschließend simulierten sie im Zellmodell Stoffwechselprozesse, die typischerweise bei Arthrose auftreten und untersuchen, welchen Einfluss Terpene auf diesen Prozess haben. Es zeigte sich, dass Myrcen in der Lage war, die entscheidenden destruktiven intrazellulären Prozesse in den Chondrozyten um 26 % zu reduzieren. Die Forscher schlossen daraus, dass Myrcen in neuer Ansatz sein könnte, Arthrose zu stoppen oder zumindest zu verlangsamen. In einer weiteren Studie, die an Ratten durchgeführt wurde, konnte gezeigt werden, dass Myrcen Arthritis lindern kann. Arthritis ist eine Gelenkentzündung, die in der Regel als Vorstufe zu Arthrose, oder auch parallel zu dieser Erkrankung auftritt.
Es konnte gezeigt werden, dass Myrcen jene entzündungsauslösenden Zytokine hemmt, die eine zentrale Rolle beim entzündlichen Prozess der Arthritis spielen. Die entzündungshemmende Wirkung von Myrcen kommt wahrscheinlich über eine Wirkung am CB2-Rezeptor zustande, obwohl Myrcen selbst jedoch kein klassisches Cannabinoid ist. Interessanterweise zeigte in diesem Modell Myrcen keine synergetische Wirkung mit CBD, wenn dieses parallel dazu verabreicht wurde. Dieser sehr spezielle Wirkungsmechanismus von Myrcen ist bis jetzt nicht restlos verstanden und muss näher untersucht werden. Die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass Myrcen in Zukunft eine Rolle bei der Behandlung von Arthritis und Arthrose spielen könnte.