In den vergangenen Jahren wurde der Wissenschaft immer mehr bewusst, welche zentrale Rolle das Endocannabinoidsystem in unserem Körper bei der Regulierung unzähliger biochemischer Prozesse spielt. Einer dieser Prozesse ist auch der Aufbau und der Umbau von Knochenmasse. Obwohl Knochen beim Erwachsenen wie ein starres Konstrukt wirken, handelt es sich hierbei um ein komplexes biologisches System, welches sich in einem stetigen Wandel befindet.
Die Erhaltung der Knochenmasse bis ins hohe Alter ist eine mikrobiologische Meisterleistung unseres Körpers. Eine der Volkskrankheiten, die in diesem Zusammenhang häufig auftritt, ist Osteoporose. Hierbei handelt es sich um eine Erkrankung des Knochenstoffwechsels, die primär bei älteren Personen auftritt und durch poröse, leicht brechende Knochen gekennzeichnet ist. Der aktuelle Stand der Forschung legt nahe, dass an der Beschaffenheit der Knochen und am Entstehen von Osteoporose das Endocannabinoidsystem ebenfalls eine zentrale Rolle spielt.
Knochenzellen haben Cannabinoidrezeptoren
Obwohl ein Knochen scheinbar statisch aussieht, läuft in seinem Inneren ein ständiges Wechselspiel aus Knochenaufbau und Knochenabbau ab. Dieser fortwährende Prozess der Erneuerung ist wichtig, um den Knochen bis ins hohe Alter flexibel und belastbar zu halten. Mikrotraumas oder auch Knochenbrüche, können nur deshalb heilen, weil ein ausgeklügeltes System neue Zellen aufbaut und auf diese Weise Gewebedefekte heilen kann.
Im Wesentlichen gibt es im Knochen 2 Typen von Zellen, die am genannten Prozess beteiligt sind. Die Osteoblasten und die Osteoklasten. Einfach ausgedrückt bauen Osteoblasten neue Knochenzellen auf, während die Osteoklasten alte Zellen abbauen. Durch diese ständige Erneuerung auf Zellebene ist sichergestellt, dass der Knochen vital bleibt. Genau hier kommt das Endocannabinoidsystem ins Spiel. Sowohl die Osteoblasten, als auch die Osteoklasten, haben Cannabinoidrezeptoren. Der aktuelle Stand der Forschung geht davon aus, dass an dieser Stelle das Endocannabinoidsystem eine zentrale Rolle bei der Erneuerung von Knochenmasse spielt. Die Cannabinoidrezeptoren die sich auf diesen Zellen befinden, werden über körpereigene Cannabinoide gesteuert und sorgen im Idealfall für ein Gleichgewicht zwischen dem Knochenaufbau und dem Knochenabbau.
Genau dieses Gleichgewicht ist bei Osteoporose gestört. Bei Patienten mit Osteoporose weisen Osteoklasten eine zu geringe Anzahl an CB2-Rezeptoren und gleichzeitig eine zu hohe Anzahl an CB1-Rezeptoren auf, was dazu führt, dass letztlich der Knochenabbau überwiegt. Man geht aktuell davon aus, dass genau dieses Ungleichgewicht an Cannabinoidrezeptoren, maßgeblich an der Entwicklung von Osteoporose beteiligt ist. Wie aus Gewebeproben bekannt ist, sind besonders Frauen nach den Wechseljahren vermehrt anfällig für das angesprochene Ungleichgewicht zwischen CB1- und CB2-Rezeptoren in den Knochenzellen.
Daraus resultierende neue Therapieansätze
Wenn das Endocannabinoidsystem an Osteoporose beteiligt ist und der Erhalt der Knochen maßgeblich über den CB2-Rezeptor reguliert wird, liegt die Vermutung nahe, dass Cannabinoide die am CB2-Rezeptor wirken, neue Therapieansätze bei Osteoporose darstellen könnten. Genau diese These war bereits Gegenstand mehrerer Studien und konnte letztlich durch diese bestätigt werden. Eine britische Studie aus dem Jahr 2011 erstellte zunächst eine Zellkultur aus Osteoklasten, also Zellen, die Knochenmasse abbauen.
Diese Kultur wurde dann verschiedenen körpereigenen und auch synthetischen Cannabinoiden ausgesetzt. Dabei bestätigte sich genau die Vermutung, die man zuvor bereits aus Gewebeproben abgeleitet hatte. Je nachdem ob ein Cannabinoid am CB2-Rezeptor, eine agonistische oder antagonistische Wirkung hat, wird die Aktivität der Osteoklastenzelle gesteigert oder gehemmt. Über die Steuerung dieses Prozesses mittels Cannabinoiden, kann indirekt auch auf eine Hemmung oder Verstärkung von Osteoporose im menschlichen Körper geschlossen werden. Genau dieser Prozess, der hiermit verstanden wurde, könnte die Grundlage für neue Therapieansätze bei Osteoporose sein.
CBD möglicherweise wirksam
Zwar gibt es trotz dieser Erkenntnisse bis heute noch keine klinische Studie am Menschen, die diesen Therapieansatz weiter verfolgt, jedoch lassen Beobachtungen an Ratten im Labor auf ein hohes Potenzial von CBD schließen. Eine Studie aus dem Jahr 2015, die an der Hebräischen Universität durchgeführt wurde, zeigte, dass bei Ratten die CBD über einen Zeitraum von 8 Wochen verabreicht bekamen, die Osteoblasten dadurch eine deutlich erhöhte Aktivität zeigten. Es ist davon auszugehen, dass die erhöhte Aktivität von Osteoblasten auch eine ausgleichende Wirkung auf das Missverhältnis von Knochenabbau und Knochenaufbau hat.
Auf diese Weise ließe sich möglicherweise auch Osteoporose beim Menschen wirksam behandeln. Eine interessante Feststellung in dieser Studie war außerdem, dass THC die genannte Wirkung von CBD verstärkt. Die bisherige Behandlung von Osteoporose in der Schulmedizin, konzentriert sich vorwiegend prophylaktisch auf eine Gabe von Vitamin D und Kalzium. Zwar sind diese beiden Spurenelemente ebenfalls relevant im Knochenstoffwechsel, jedoch sind diese nicht so nahe am entscheidenden Prozess beteiligt wie Cannabinoide. Osteoporose könnte eine weitere Erkrankung sein, bei welcher in Zukunft Cannabinoide eine entscheidende Rolle in der Therapie spielen werden.