Während die Apotheken Deutschlands auf ein Angebot von mehr als 150 medizinischen Cannabisblütenprodukte zugreifen können, sind lediglich zwei cannabinoidbasierte Fertigarzneimittel zugelassen und für Patienten erhältlich. Die Deutsche Apotheker Zeitung DAZ titelt daher einen aktuellen Beitrag mit den Worten „Der Wunsch nach Cannabis-Fertigarzneimitteln wird lauter“. Bei vielen Cannabispatienten, die medizinische Blütenprodukte verordnet bekommen, stößt der Satz vermutlich sofort auf Ablehnung. Bei näherer Betrachtung jedoch scheint es so, als ob Medizinalcannabisblüten und Fertigarzneimittel kein Widerspruch sein müssen.
Cannabisblüten als Rezepturarzneimittel sind nur Zwischenlösung
Sobald das Cannabis als Medizin Gesetz in Deutschland im März 2017 in Kraft getreten ist, haben sich die unverarbeiteten Blüten der Pflanze schnell als beliebtes Medikament etabliert. Entgegen unserer Gewohnheit, dass es für jede Erkrankung eine Fertigarznei gibt, sei es als Tablette, Kapsel, Flüssigkeit, Spray oder in welcher Form auch immer, haben sich in der Cannabistherapie naturbelassene Blüten durchsetzen können. In Kreisen theoretischer Experten war die Blütentherapie von Anfang an nur als Übergangslösung akzeptabel. Konservative Publikationen brachten schnell den Begriff „Steinzeitmedizin“ mit der Behandlung von Patienten mit Cannabisblüten in Zusammenhang, doch in der Praxis spielen Cannabis Fertigarzneimittel kaum eine Rolle.
Therapie mit Cannabisblüten setzt sich durch
Manche Hersteller sind im Begriff, auch Zulassungen für Cannabis Fertigarzneimittel zu erhalten. Vor allem im Bereich der Kostenübernahme durch die Krankenkassen könnte das Vorteile haben. Bisher ist das Beantragen einer Kostenübernahme für eine Cannabistherapie ein aufwendiger Prozess für Patienten und Ärzte, ein Prozess mit ungewissen Erfolgsaussichten. Die Verordnung von Cannabis als Rezepturarzneimittel mit der optionalen Kostenübernahme durch einen Antrag sollte gemäß den Vorstellungen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Zwischenlösung sein, doch diese dauert bereits mehr als fünf Jahre an.
Den Worten des Abschlussberichts zur Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln zufolge, sollte diese Übergangslösung „sowohl die Versorgungssicherheit herstellen als auch Anreize für die Erforschung von Cannabisarzneimitteln bieten, um mittelfristig die arzneimittelrechtliche Zulassung von Fertigarzneimitteln zu erreichen.“
Nach bald sechs Jahren Cannabismedizinischer Praxis sind jedoch die einzigen THC-basierten in Deutschland als Fertigarzneimittel zugelassenen Produkte:
- Oromucosalspray Sativex, das hauptsächlich zur Linderung von Spastiken bei Multipler Sklerose (MS) zum Einsatz kommt.
- Canemes mit dem synthetischen Cannabinoid Nabilon, welches eine Zulassung als Antiemetikum erhalten hat und dementsprechend bei chemotherapiebedingter Übelkeit und Erbrechen verwendet wird.
Lediglich ein mit dem Wirkstoff CBD ausgestattetes Medikament wurde seither noch als Fertigarznei zugelassen:
- Epidyolex, das sich als Medikament gegen die Krampfanfälle bei diversen schweren Formen der Epilepsie bewährt hat.
Warum viele Patienten Blüten bevorzugen
Viele assoziieren mit der Zulassung von Cannabis Fertigarzneimitteln Gedanken an synthetische Medikamente, wie wir sie seit Langem gewohnt sind. Doch auch eine Cannabisblüte kann als Fertigarznei zugelassen werden. Vielen Patienten wäre das am liebsten, denn die Vorteile dieser Darreichungsform liegen auf der Hand. Die Inhalation mittels Vaporizer ist um ein Vielfaches schneller und auch effektiver als die orale Einnahme. Das beste Argument für den Erhalt der Cannabistherapie durch Verabreichung von Blüten ist aber die unglaubliche Vielfalt an Wirkstoffkombinationen, die sie liefern. Längst hat sich herausgestellt, dass verschiedene Terpenprofile und Zusammensetzungen bei manchen Erkrankungen besser wirken als andere. Auch ist die Wirksamkeit einer bestimmten Cannabissorte nicht bei allen Patienten gleich, und schließlich wurden bei den Fertigarzneien auch mehr Nebenwirkungen beobachtet.
Cannabisblüten könnten Fertigarzneimittel werden
Werden Cannabisblüten als Fertigarznei zugelassen, wäre die Kostenübernahme der Therapie durch die gesetzlichen Krankenkassen garantiert, was für viele Patienten eine enorme Verbesserung der Lebensumstände, nicht zuletzt eine Erleichterung der finanziellen Situation, zur Folge hätte. Auch die Stigmatisierung würde sicher nachlassen, wenn Cannabis in der Apotheke genauso behandelt werden könnte wie andere Medikamente. Die Hersteller haben sich bisher mit dem Schritt der Zulassung zurückgehalten, da diese mit großem finanziellem Aufwand verbunden sind. Sollten die Cannabisunternehmen diese Hürde jedoch nehmen können und Cannabisblüten könnten als Fertigarznei verordnet werden, so hätten wir die „Steinzeitmedizin“ erfolgreich in die Gegenwart geholt und ihr vermutlich auch eine Zukunft gesichert.