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Cannabis macht high, das wissen die meisten. Cannabis heilt aber auch Wunden. Neben dem psychoaktiven Stoff THC enthält die Cannabispflanze über 400 Wirkstoffe, mehr als 60 davon sind Cannabinoide. Viele der Verbindungen und deren Wirkungen sind bisher nicht erforscht. Fest steht jedoch bereits seit Jahrtausenden, dass Cannabis sich in vielen Fällen positiv auf die Gesundheit auswirkt – speziell auch auf die Wundheilung.
Cannabis wirkt auf das menschliche Endocannabinoidsystem
Seit den 1970er-Jahren ist bekannt, dass es im menschlichen Körper ein Endocannabinoidsystem gibt. Es erstreckt sich über den gesamten Körper, um diesen auf natürliche Weise mit Endocannabinoiden (körpereigenen Cannabinoiden) zu versorgen. Die Endocannabinoid-Moleküle binden sich primär an das Eiweiß zweier verschiedener Rezeptoren, nämlich CB1 und CB2. CB steht für „Cannabinoid Binding Receptor“, zu Deutsch: Cannabinoid-Bindungs-Rezeptor. Ferner finden auch Verbindungen von Cannabinoiden mit dem Protein TRPV1 statt, welches sich hauptsächlich in der Haut befindet. Wissenschaftler schlussfolgerten daraus, dass Cannabinoide eine wichtige Rolle bei einer Reihe von physiologischen Prozessen zum Erhalt und zur Regulierung der Gesundheit spielen.
CB1-Rezeptoren befinden sich vorwiegend im peripheren und im zentralen Nervensystem. CB2-Rezeptoren dagegen haben mit den Nerven eher weniger zu tun, sondern sind vornehmlich in Gewebe- und Immunzellen zu finden. Produziert der Körper aufgrund von Verletzung, Krankheit, Stress oder anderen Umständen zu wenig Cannabinoide, kann dies offenbar durch die Gabe von außen, sprich: durch die Einnahme von Cannabisprodukten, ausgeglichen werden.
Das Endocannabinoidsystem: wichtiger Faktor bei der Wundheilung
Verletzt sich ein Mensch, richtet es der Körper so ein, dass es sofort zur Schmerzlinderung kommt. Dort, wo sich die Wunde befindet, steigt der Anandamidgehalt sofort an. Anandamid gehört zu den Endocannabinoiden. Die Anandamid-Moleküle docken an TRPV1 und den CB1-Rezeptor an. Dadurch werden die Schmerzen umgehend vermindert. Anandamid wirkt ähnlich wie THC, ist aber vier- bis zwanzigmal schwächer als THC.
Verschiedene Studien, die sich mithilfe von Tierversuchen durchgeführt wurden, beschäftigten sich bereits mit der Rolle des Endocannabinoidsystems bei Verletzungen. Eine davon wurde an der China Medical University im Jahr 2010 durchgeführt. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Mäuse, denen Schnittverletzungen zugefügt wurden, innerhalb der ersten sechs Stunden, nachdem sie geschnitten worden waren, eine erhöhte Anzahl von Zellen mit CB1-Rezeptoren ausbildeten. Nach fünf Tagen war die Zahl der CB1-Rezeptoren um die Verletzung herum am höchsten. Zwei Wochen nach dem Schnitt war die Anzahl wieder auf den ursprünglichen Wert gesunken.
Die neuen CB1-Zellen bestanden am Anfang zunächst aus roten Blutkörperchen sowie spezialisierten Immunzellen. Je mehr Zeit vergangen war, desto mehr nahm jedoch die Anzahl der fibroblastischen Zellen, welche für die Heilung der Wunde und für den Narbenbildungsprozess von großer Bedeutung sind, zu. Im selben Jahr wurde an der University of California – ebenfalls an Mäusen, zusätzlich auch an Ratten – herausgefunden, dass ein höherer Anandamidgehalt für eine Abnahme von Schmerzen verantwortlich ist.
Noch gibt es nicht viele wissenschaftliche Erkenntnisse zum Beitrag von Cannabinoiden bei der Wundheilung, aber anscheinend kommt es dabei unter anderem auf Anandamid und die CB1-Rezeptoren an. Demzufolge dürften auch die Cannabinoide aus der Cannabispflanze positive Auswirkungen auf den Heilungsprozess haben.
Cannabis unterstützt die Heilung innerer Organe
Der menschliche Körper ist eigentlich ziemlich robust und weiß sich gegen Verletzungen und Erkrankungen zu wehren. Aber unbezwingbar ist keiner von uns. Deshalb konzentriert sich ein Teil der Forschung auf die Heilungsprozesse innerhalb des Körpers. Die inneren Organe werden von einer glatten Zellschicht, dem Epithel, umgeben. Bei Erkrankungen wie Entzündungen im Darm vermehrt sich die Anzahl der CB2-Rezeptoren, sodass diese gegenüber den CB1-Rezeptoren überwiegen. Wie bei Hautverletzungen auch, sind CB1-Rezeptoren für eine zügige Wundheilung nötig. CB2-Rezeptoren helfen dabei, dass die Narbenbildung im Rahmen bleibt und somit keine überaus großen Narben entstehen. Gerade im Darm ist das wichtig, da ein zu stark vernarbtes, hartes Gewebe zu verschiedenen Problemen wie einem Darmverschluss führen kann.
Bei Verletzungen an der Augenhornhaut kommt es zu ähnlichen Vorgängen. Sowohl die Cannabinoid- als auch die Vanilloid-Rezeptoren werden aktiviert und tragen zur Wundheilung des verletzten Gewebes bei. Im Mundraum von Patienten, die am Zahnfleisch operiert wurden, beobachteten Wissenschaftler eine Zunahme der Anandamidkonzentration. Zudem spricht vieles dafür, dass durch die Gabe von Agonisten der CB-Rezeptoren, also von Cannabinoiden, die Wundheilung beschleunigt wird, da so die Fibroblasten länger überleben.
Bei der Leberzirrhose, die häufig auf Alkoholmissbrauch oder eine Hepatitiserkrankung zurückzuführen ist, handelt es sich um Entzündungen in der Leber, die das dortige Gewebe schädigen. Aufgrund der Entzündungen sendet der Körper Fibroblasten in die Leber, welche dort Narben verursachen. Diese schränken die Funktionsweise der Leber ein. Eine erhöhte Anandamidkonzentration wäre in diesem Fall kontraproduktiv, da diese zu noch stärkerer Narbenbildung führen könnte. Da Anandamid ein Agonist, gewissermaßen der handelnde Spieler, des CB-Rezeptors ist, wäre also ein entsprechender Antagonist, ein Gegenspieler, nötig, um die Wundheilung zu hemmen. Ein solcher Antagonist ist das Cannabidiol (kurz: CBD). In einer Studie, die 2006 in Nature Medicine publiziert wurde, experimentierten die Forscher mit Mäusen.
Sie gaben ihnen einen künstlich hergestellten CB1-Rezeptorantagonisten, wodurch sie die Wundheilung, die infolge einer Leberverletzung einsetzte, hemmen konnten. Bei CBD handelt es sich um einen natürlichen Antagonisten. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass CBD ebenfalls einen hemmenden Effekt auf die Wundheilung bei Leberzirrhose aufweist. Ebenso könnte es sich bei oben genannten Darmentzündungen verhalten, bei denen eine möglichst geringe Narbenbildung begrüßenswert ist.
Eine weitere Studie an Mäusen aus dem Jahr 2007 zeigte, dass die CB2-Rezeptoren auch eine große Rolle bei der Narbenbildung spielen. Sind nämlich keine oder nur ganz wenige solcher Rezeptoren vorhanden, steigt die Anzahl der Fibroblasten stark an und es kommt zu starker Vernarbung. CB2-Rezeptoren werden also benötigt, um das Narbenwachstum in Schach zu halten. Das wiederum bedeutet, dass das Endocannabinoidsystem hier einmal mehr beteiligt ist. Aber auch hier fehlen noch eindeutige Forschungsergebnisse bezüglich des Einsatzes von Cannabinoiden.
Wundheilung durch Hanfsamen und CBD
Bei äußerlichen Verletzungen wie Schürf- und Schnittwunden sowie Verbrennungen kann Hanfsamenöl bei der Behandlung helfen. Zwar enthält Hanfsamenöl allein keine Cannabinoide, dafür aber Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren, die bei der Genesung von Nutzen sind. Auch Schleimhautverletzungen an den Augen, in der Nase und im Hals können nachweislich durch Hanfsamenöl geheilt werden.
CBD in Form von Öl oder Salben haben auch eine positive Wirkung auf die Wundheilung. Andere cannabinoidhaltige Produkte, die etwa Cannabichromen (CBC), Cannabigerol (CBG) oder Cannabinol (CBN) enthalten, weisen ebenfalls einen heilenden Effekt auf, wenn sie auf äußere Verletzungen aufgetragen werden.
Anzunehmen ist zudem, dass sich Cannabispräparate zur Heilung von Verletzungen der inneren Organe verwenden lassen. Da jedoch noch zu wenige Forschungsergebnisse hierzu vorliegen und bisher nicht klar ist, wann welche Cannabinoide zum Einsatz kommen und einige von ihnen in speziellen Fällen sogar kontraproduktiv wirken können, sollte man keinesfalls auf gut Glück mit entsprechenden Produkten experimentieren, sondern mit fachkundigen Medizinern Rücksprache halten, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, sofern diese grünes Licht für die Einnahme von Cannabinoiden geben.
Wundheilung durch Cannabis in der Vergangenheit
Bereits im alten China beriefen sich Heiler auf die schmerzlindernde Wirkung sowie die Eigenschaften der Cannabispflanze zur Behandlung von Wunden. Auch die alten Ägypter wussten um den Nutzen von Cannabis. Auf Papyrus berichteten sie von antiseptischen Präparaten. Forscher gehen davon aus, dass es sich dabei um Cannabis handelte, das mit Fett vermischt auf die Haut aufgetragen wurde.
Im ersten Jahrhundert vor Christus schrieben die alten Griechen nieder, dass Cannabis nicht nur bei Menschen etwa zum Stillen von Nasenbluten angewandt wurde, sondern auch zur Wundbehandlung von Pferden.
Aufzeichnungen aus dem Mittelalter des französischen Kräuterheilers Ruellius im Jahr 1536 konstatieren, dass Cannabis sich eigne, um Geschwüre und Wunden zu versorgen. Auch gegen Verbrennungen und Blutungen wäre das Kraut verwendbar, schrieb der britische Kräuterkundler Nicholas Culpeper 1649. 1751 bestätigte dies ein Brite namens Thomas Short in seinem Werk „Medicina Britannica“.
Modernere Untersuchungen ergaben, dass Cannabisprodukte tatsächlich Schmerzen und Entzündungen bekämpfen können und antiseptisch wirken. Cannabinoide spielen offenbar auch eine Rolle bei der Narbenbildung und der Wundheilung. Das Zusammenspiel des menschlichen Endocannabinoidsystems mit den Wirkstoffen der Cannabispflanze bietet in diesem Zusammenhang noch ein weites Feld für bahnbrechende Forschungsergebnisse, die als Folge einen breiten Einsatz von Cannabispräparaten in der Medizin nach sich ziehen könnten. Es bleibt also spannend rund um die Cannabispflanze.