Etwa 80.000 Cannabis-Patienten gibt es in derzeit in Deutschland, die ihre Krankheiten und Schmerzen mit Cannabisblüten oder Cannabis-Präparaten wie Sativex lindern. Grundsätzlich darf man schon sagen, dass wir einen Schritt weiter gekommen sind in den letzten Jahren, in Bezug auf die Zugänglichkeit und die Qualität des grünen Medikamentes.
Von einer wirklich präzisen Medikation sind wir leider noch immer relativ weit entfernt. Immer wieder kommt es zu Schwankungen beim THC- und/oder CBD-Gehalt und unterschiedlicher Chargen und Präparate sind teilweise stark verdünnt. Nicht selten wird auch während einer Cannabistherapie herausgefunden, dass ein bestimmtes Terpen besonders wirkungsvoll gegen ein spezifisches Leiden ist. Doch durch Lieferengpässe sind einige Cannabissorten in den Apotheken schnell vergriffen und es bleibt nur der Umstieg auf eine Sorte mit ähnlichem Terpenprofil. Da stellt sich die Frage, wie man diese Probleme lösen könnte. Und eine Antwort darauf sind Cannabis-Extrakte.
Was sind Cannabis-Extrakte?
Das simpelste und weltweit bekannteste Cannabis-Extrakt ist Haschisch. Es wurde eine lange Zeit in der Medizin als Beruhigungs- oder Schlafmittel und gegen manch andere Krankheit verschrieben. Wer sich allerdings etwas genauer mit dem Thema Extraktion auseinandergesetzt hat, weiß bereits, dass Haschisch noch einiges an Pflanzenmaterial und Ölen enthält. Die Cannabis-Extrakte, von denen in diesem Artikel die Rede ist, haben in der Regel einen Reinheitsgrad von 70 bis zu unglaublichen 99,9 Prozent puren THC/ CBDs.
Sie werden durch raffinierte Extraktionsmethoden mittels Butangas, Dimethylether oder teilweise sogar mit “superkritischem CO²” hergestellt. Da es sich bei all diesen Dingen um Lösemittel handelt, lösen sie tatsächlich fast ausschließlich die Trichome/Harzkristalle von den Blüten, welche dann als eine ölige, honigähnliche Masse aufgefangen werden. Diese Masse beinhaltet nach dem Extraktionsprozess noch jede Menge Lösemittel, welches durch Weiterverarbeitung aus dem Cannabis-Extrakt entfernt wird. Mit dem Rosin-Press-Verfahren bei dem die Blüten zwischen zwei Heizplatten mit viel Druck “ausgequetscht” werden, ist nicht einmal ein Lösemittel notwendig.
Extrakte gibt es je nach Weiterverarbeitung der “Rohmasse” in unterschiedlicher Reinheit und Viskosität: “Budder/Wax” ist, wie der Name bereits verrät, von einer eher cremigen Konsistenz, wohingegen “Crumble” wie klumpiger Sand und “Shatter” wie zerbrochenes Glas aussieht. Theoretisch kann aus jeder Cannabispflanze jede Extraktform und Reinheit hergestellt werden. Es kommt einzig auf die Art der Herstellung, das Lösemittel und die Vorlieben des Herstellers an.
Um diese Extrakte direkt zu konsumieren, wird spezielles Equipment oder ein geeigneter Vaporizer wie beispielsweise der Mighty+ Medic mit einem sogenannten “Tropfenkissen” benötigt. Das Extrakt wird in der Regel so stark erhitzt, dass es schmilzt und verdampft. Der entstandene Dampf ist sehr potent und kann bei erstmaligem Konsum ein starkes Husten verursachen. In decarboxylierter Form können Extrakte aber auch in Esswaren, Tinkturen, Ölen und Kapseln verwendet werden.
Vorteile von Cannabis-Extrakten
Gleich zu Beginn sollte hier klargestellt sein, dass es sich bei diesen Vorteilen um eine eigene Meinung und keine medizinischen Ratschläge handelt. Bei medizinischen Fragen sollte stets ein Arzt zurate gezogen werden.
Homogenität und Dosierung
Cannabis-Extrakte sind praktisch eine Mischung aus Harzkristallen, Terpenen, Chlorophyll und anderen Bestandteilen, die während der Extraktion herausgelöst wurden. Somit entsteht eine homogene Masse, in der die einzelnen Bestandteile gleichmäßig vermengt sind. Durch diese Homogenität ist die Dosierung deutlich einfacher und präziser zu handhaben, da die Wirkstoffe nicht mehr in Form von intakten Harzkristallen auf einer Blüte verteilt sind. Die Einnahme einer spezifischen Menge THC/CBD oder anderer Cannabinoide ist somit auf wenige Milligramm genau möglich.
Terpenprofil
Terpene sind die Bestandteile, die sowohl Geruch als auch Geschmack der Cannabisblüte ausmachen. Wie zu Beginn bereits erwähnt, gibt es in der medizinischen Cannabis-Forschung eine Menge neuer Erkenntnisse, die einzelnen Terpenen eine Linderung spezifischer Krankheitssymptome zuspricht. Myrcen beispielsweise ist eines dieser Terpene und besitzt eine sedative, muskelentspannende und schmerzlindernde Wirkung, wie man es von Indica dominanten Sorten gewohnt ist. Terpene befinden sich in jeder Cannabispflanze in unterschiedlichen Ausprägungen und sind in zwei “Formen” vorzufinden: frisch und getrocknet, wie die Cannabisblüten selbst.
Allerdings ist für Nutzer von Cannabisblüten nur das letztere Terpenprofil verfügbar, da Blüten nur im getrockneten Zustand verdampft/geraucht werden können. Bei der Extraktion können beide Profile aus der Pflanze gewonnen werden, denn es ist eine gängige Methode, frisch geerntetes Cannabis einzufrieren und anschließend mit dem gefrorenen Material eine Extraktion durchzuführen. Durch den Gefrierprozess bleibt das Terpenprofil der nicht getrockneten Cannabispflanze erhalten und gibt dem Extrakt den charakteristischen Geruch und Geschmack, welchen die Pflanze zum Erntezeitpunkt aufwies.
Hinzu kommt, dass Terpene nicht nur in Cannabispflanzen vorkommen, sondern aus den unterschiedlichsten Lebensmitteln extrahiert und verflüssigt werden können. Diese liquiden Terpene können relativ einfach einem Cannabis-Extrakt beigemischt werden, um es so für bestimmte Therapiezwecke noch zu optimieren, was mit Cannabisblüten schlichtweg unmöglich wäre.
Geringe Mengen
Aufgrund seiner Reinheit ist ein Extrakt verständlicherweise um einiges potenter als Blüten oder Cannabis-Präparate. Es reicht oftmals eine winzige Menge aus, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Bedenken wir noch einmal den oben genannten Wirkstoffgehalt und rechnen mit einem Durchschnitt von 85 % THC. Demzufolge hätte bereits 1g Cannabis-Extrakt einen Wirkstoffgehalt von 850 mg purem THC. Je nach Schweregrad des Leidens, welches durch THC gelindert werden soll, können bereits 0,1 g, also 85 mg THC, für eine Medikation ausreichen. Somit bräuchte man als Patient keine großen Mengen an Blüten mehr zu Hause haben, sondern lediglich einige wenige Gramm Cannabis-Extrakt.
Wirkung und Dauer
Zur Wirkung von Extrakten, insbesondere beim Konsum durch einen Verdampfer oder “Dabbing”-Equipment, ist zu sagen, dass sie zügig und intensiv auftritt. Bereits wenige Sekunden nach dem Inhalieren des Dampfes kommt es zu einer spürbaren Wirkung. Allerdings flacht die Wirkung bei kleineren Dosierungen auch schneller wieder ab. Diese Eigenschaft lässt sich jedoch hervorragend bei akuten Symptomen und Schmerzen nutzen, da die Linderung schnell und stark auftritt. Für Patienten, die Symptome über einen längeren Zeitraum verspüren, kann die Wirkungsdauer durch die orale Einnahme mit Edibles oder Tinkturen verlängert werden.
Ebenfalls oft genutzt sind sogenannte Vape-Sticks/-Cartridges, also Verdampfer oder Geräte ähnlich einer E-Zigarette, welche mit THC/CBD-haltigen E-Liquids befüllt sind. Mit diesen Geräten und Liquids ist es möglich, die Wirkstoffkonzentration im Körper aufrechtzuerhalten und permanente Schmerzen tagesfüllend zu lindern – einfach ein kurzer Zug, wenn die gewünschte Wirkung nicht mehr spürbar ist. Da sie aber auch weitere Zusätze wie Glycerin enthalten, sind sie auf Dauer ungesund und sollten nicht für eine medizinische Therapie genutzt werden.
Vielfältigkeit
Nicht nur die Tatsache, dass Extrakte in einer Vielfalt von Formen, Farben und Intensitäten daher kommen, sie eignen sich zudem auch hervorragend für die Weiterverarbeitung in Edibles (essbare Produkte mit Wirkstoffgehalt), Tinkturen und Kapseln. Die Konsistenz der allermeisten Extrakte kann durch eine leichte Wärmezufuhr zurück in ein flüssiges Öl verändert werden, welches sich mit Leichtigkeit in Speisen oder Naschwerk integrieren lässt. Durch das Vermischen mit Speise-/Kokosöl oder hochprozentigem Trinkalkohol können hochpotente Kapseln und Tropfen hergestellt werden. Da die Extrakte kaum bis gar kein Pflanzenmaterial, sondern lediglich Wirkstoffe und Terpene enthalten, ist der Geschmack solcher Esswaren und Tinkturen meist um ein Vielfaches angenehmer als gleichwertige Produkte, welche mit Haschisch oder Blüten hergestellt wurden.
Mischbarkeit
Die Konsistenz und die Möglichkeit, das Extrakt zu verflüssigen, bringen noch einen weiteren Vorteil. Es ist nämlich möglich, mehrere Extrakte miteinander zu vermischen, um etwa ein Terpenprofil zu ergänzen. Somit entstehen unzählige neue Kombinationen, was mit Cannabisblüten nur schwer bis gar nicht machbar wäre. Zudem ist es möglich, ein Extrakt fast vollständig von Terpenen zu befreien, sodass es nahezu geruchs- und geschmacklos ist. Dieses “neutrale” Extrakt kann dann wiederum mit den oben erwähnten flüssigen Terpenen vermengt werden und somit ein völlig neues Produkt erschaffen. Der Nutzen einer solchen Mischbarkeit ist immens. Stellen Sie sich vor, es gibt eine Cannabissorte, deren Wirkstoffprofil (THC/CBD/CBN/etc.) perfekt für Ihr Leiden geeignet ist, doch es fehlt ein bestimmtes Terpen, welches zusätzliche Linderung verschaffen könnte. Mit Extrakten wäre es ein leichtes, das fehlende Terpen hinzuzufügen und bei Bedarf sogar den Geschmack und Geruch zu verändern.
Nachteile von Cannabis-Extrakten
Natürlich haben auch Extrakte wie alles im Leben eine Kehrseite, die unter keinen Umständen unbeachtet bleiben darf. Insbesondere, da solche Arten von Extrakten noch nicht den Weg in den medizinischen Sektor gefunden haben, ist es im Moment noch nicht ratsam, Extrakte zu Therapiezwecken zu nutzen.
Extrem potent
Was oben als ein Vorteil genannt wurde, kann für den ein oder anderen auch ein Nachteil darstellen. Die extreme Potenz von lösemittelbasierten Extrakten kann leicht unterschätzt oder falsch kalkuliert werden. Als Patient selbst hätte man vermutlich ein Problem 0,1 von 0,3 g zu unterscheiden, wobei Letzteres bei einem 85 % Extrakte satte 255 mg purem THC/CBD anstatt den gewollten 85 mg wären. Schnell kann dann eine Medikation einen starken Rausch erzeugen, was für Patienten sehr unangenehm werden kann.
Verfügbarkeit
THC-Extrakte in der oben beschriebenen Form gibt es natürlich auf dem deutschen Markt nirgends zu finden. Doch auch Apotheken führen ausschließlich Blüten und Präparate. Für medizinische Zwecke sollten selbstverständlich auch niemals Produkte aus dem Ausland oder dem Schwarzmarkt verwendet werden, da viele nicht ordentlich gereinigt wurden und somit noch giftige Lösemittelreste enthalten können. Nur CBD-Extrakte in den oben beschriebenen Formen gibt es in manchen CBD-Shops zu kaufen, allerdings sind diese auch nicht gerade billig.
Gefährliche Eigenherstellung
Man sollte grundsätzlich von der Eigenherstellung von Extrakten absehen, insbesondere zu medizinischen Zwecken. Die lösemittelbasierten Herstellungsverfahren haben alle ein hohes Risiko für Verletzung oder andere gesundheitliche Schäden. Als der Trend der Herstellung von BHO (Butan-Honey/Hash Oil) in den USA hochkam, gab es viele Berichte von schweren Unfällen durch falsche Extraktion oder Unachtsamkeit. Butan, welches ein hochentzündliches Gas ist, wird im flüssigen Zustand durch eine mit Cannabis gefüllte Stahl- oder Glasröhre geführt und entweicht aus dem Ende des Extraktors sowie des Auffangbehältnisses.
Dass man in der Nähe also nicht rauchen darf, sollte jedem vernünftigen Menschen klar sein. Doch oft reicht auch ein kleiner Funke, um das Gas zur Explosion zu bringen, was einige Amerikaner Hauswände und Gliedmaßen gekostet hat. Auch heute wird noch mit solchen Methoden gearbeitet, doch man ist klug genug, dies nur an gut belüfteten Orten und fern jeglicher Feuerquellen zu tun. Allerdings gibt es danach noch das Problem, das Lösemittel aus dem Extrakt zu bekommen. Man kann das Gas durch Zufuhr von Wärme zwar entweichen lassen, doch ein Teil wird bei laienhafter Arbeit immer im Produkt zurückbleiben, was wiederum gesundheitsschädlich ist.
Im professionellen Bereich gibt es bereits deutlich sicherere Extraktionsanlagen mit einem geschlossenen Kreislauf, bei dem das Butan aufgefangen und wiederverwertet wird. Für einen Patienten ist eine solche Anlage aber nicht praktikabel: Sie sind oftmals mehrere Quadratmeter Platz füllend, fangen bei 2000 € aufwärts an und benötigen professionelle Bedienung. Nur das Rosin-Press-Verfahren ist für einen Patienten noch denkbar. Doch auch diese Extraktionsmethode benötigt eine Heizpresse, eine Menge Blüten und einiges an Know-how. Wer sich nicht auskennt, wird auch mit dieser Methode eine Menge Medizin verschwenden.
Fazit
Alles in allem kann man wohl sagen, dass die Vorteile von professionell hergestellten Cannabis-Extrakten den Nachteilen überwiegen. Jedoch ist das Thema der Verfügbarkeit eben auch der ausschlaggebende Punkt, der zumindest aktuell diesen Ideengang ausbremst. Wenn man sich nun vorstellt, man würde Cannabis noch mehr Beachtung in der Medizin schenken und die Herstellung von medizinischen Extrakten erlauben, könnte es sein, dass sich eine unglaubliche Vielzahl neuer Therapie-Möglichkeiten und medizinischer Produkte verwirklichen lassen könnten.
Anstatt über den Tag verteilt einige oder mehrere Gramm Blüten verdampfen zu müssen, könnte man mit einem Bruchteil der Menge an Extrakt bereits das gleiche Ziel erreichen. Patienten mit zeitweise stark auftretenden Symptomen könnten sich mittels einer vorportionierten Dosis eine schnelle und wirkungsvolle Linderung verschaffen. In meinen Augen könnten diese Arten von Extrakten, insbesondere lösemittelfreie wie das Rosin-Extrakt, ein echter Gamechanger in der medizinischen Forschung werden, jedoch bleibt es abzuwarten, was uns die nächsten Jahre zum Thema Legalisierung noch erwartet.