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Jährlich sterben deutschlandweit mindestens 74.000 Menschen allein an den Folgen von Alkoholkonsum oder dem kombinierten Konsum von Alkohol und Tabak. In diese lange Liste an Toten fließen allerdings nur die Fälle ein, die zu 100 Prozent auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind. Die Dunkelziffer an alkoholbedingten Todesfällen oder solchen, die durch diese Sucht noch zusätzlich gefördert wurden, dürfte noch deutlich höher ausfallen. Neue Studien zeigen nicht nur, dass Cannabis alkoholbedingte Leberschäden mindern und vor diesen schützen kann, sondern auch, dass es ein hervorragendes Mittel zur Substitution von Alkohol (und auch anderen Drogen) ist – also gezielt zur Bekämpfung einer Alkoholsucht eingesetzt werden kann. Dies bietet Ansatzpunkte für z. B. die Suchtmedizin.
Trotz der gravierenden Unterschiede zwischen den beiden Substanzen werden Alkohol und Cannabis gerne und häufig gemeinsam konsumiert. Der offensichtlichste Unterschied dürfte dabei in der Legalität des Einen und der Illegalität des Anderen liegen. Während Alkohol in vielen Kreisen auf allgemeine Akzeptanz trifft, läuten bei dem Wort „Cannabis“ in den meisten Fällen auf Anhieb die Alarmglocken. Betrachtet man sich jedoch Wirkung und mögliche Folgen beider Stoffe auf den menschlichen Organismus, so ist diese Tatsache mehr als unverständlich.
Vergleicht man das Suchtpotenzial von Cannabis und Alkohol, so zeigt sich, dass Alkohol zu einer starken körperlichen und psychischen Abhängigkeit führen kann, die bei Entzug zu schwerwiegenden Reaktionen des Körpers führt. Cannabis hingegen weist kein körperliches Abhängigkeitspotential auf. Eine psychische Abhängigkeit kann entstehen, jedoch tritt diese normalerweise nicht stärker auf, als es bei z. B. Kaffee und Schokolade der Fall ist. Außerdem kann eine Überdosis Alkohol tödlich wirken, während mit Cannabis eine letale Überdosierung fast unmöglich ist. Diese Unterschiede bzgl. der potenziellen Risiken bestätigt auch eine Studie von deutschen und kanadischen Wissenschaftlern, die Marihuana als 114 Mal weniger schädlich als Alkohol beschreibt.
Eine neue Studie, durchgeführt vom Institut national de la rechereche scientifique der Universität Québec, behandelt das Zusammenspiel von Cannabis und Alkohol. Dabei zeigte sich, dass der Konsum von Cannabis die negativen Folgen von Alkohol mindern kann, was zu einer Abnahme der Prävalenz von Lebererkrankungen bei Alkoholikern führen kann. Untersucht wurden mehr als 300.000 Patienten, alle mit einer langjährigen Alkoholmissbrauchs-Vorgeschichte. Unter den Untersuchten hatten ca. 10 % parallel zu ihrem Alkoholmissbrauch auch Cannabis konsumiert.
In ihrem Fazit schrieben die Autoren, dass diese Patienten deutlich weniger sowie geringere Anzeichen für Lebererkrankungen zeigten. Dieser Effekt war bei regelmäßigem Konsum sogar noch ausgeprägter als bei gelegentlichem. Daraus schlossen die Wissenschaftler, dass der Cannabiskonsum von Alkoholikern zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit einer Lebererkrankung führen kann. Dabei verwiesen sie auf die entzündungshemmende Wirkung von Cannabis. Übermäßiger Alkoholkonsum führt zu einer Übersättigung und zu einer Schwellung der Leber, was ihre Erkrankung und ihren Zerfall zur Folge haben kann. Diesen krankhaften Veränderungen kann der Einsatz von Cannabis entgegenwirken.
Aber auch als Substitutionsmittel für Abhängige von Alkohol oder anderen Stoffen wie Opioiden zeigt Cannabis großes Potenzial, wie mehrere Studien nahelegen. Der Grund dafür ist, dass Cannabinoide antidepressive Eigenschaften besitzen sowie gegen den „Suchtdruck“ wirken können. Außerdem können die Wirkstoffe der Hanfpflanze stark abhängigen Menschen gegen Entzugserscheinungen wie Zittern, Schlaflosigkeit, Nervosität und Übelkeit helfen. Dazu kann langjähriger exzessiver Alkoholmissbrauch zu kognitiver Degeneration sowie Persönlichkeits- und Verhaltensveränderungen führen. Auch hier kann die Gabe von Cannabinoiden hilfreich sein, um diese krankhaften Veränderungen zu stoppen und ihnen entgegenzuwirken. Cannabidiol (CBD) z. B. fungiert als Neuroprotektor und neuronaler Regenerator und kann so die entstandenen Schäden wieder ausgleichen.
Angesichts der immer umfassenderen wissenschaftlichen Beweise setzen mehr und mehr Ärzte und andere Experten auf Cannabis zur Suchtbehandlung. Denn einerseits ist das Suchtpotenzial bei Marihuana deutlich geringer als bei anderen Medikamenten und Drogen, und zum anderen beeinträchtigt es die Patienten und sonstigen Nutzer deutlich weniger als z. B. verschriebene Opiate. So ist es diesen Menschen effektiver möglich, ihren täglichen Aufgaben nachzukommen. Zudem sind auch die Nebenwirkungen von Cannabis viel geringer und weniger unangenehm als die solcher und auch anderer Arzneimittel – selbst bei einer Dauerbehandlung.
Auch wenn eine Vielzahl von Studien das große Potenzial der Hanfpflanze als Mittel zur Substitution bei der Sucht nach Alkohol, Tabak und anderen Substanzen aufzeigt, müssen an dieser Stelle jedoch noch weitere Untersuchungen angestellt werden. Dies ist der beste Weg, um einerseits die bestmögliche Behandlung für betroffene Menschen sicherzustellen, und andererseits weiter aufzuzeigen, welchen großen medizinischen und therapeutischen Nutzen diese Pflanze innehat.