Seit 2017 darf in Deutschland unter den passenden Umständen auf Kosten der Krankenkassen Cannabis an Patienten verschrieben werden. Eine Bedingung der Gesetzesänderung bestand darin, dass behandelnde Ärzte anonymisierte Daten übermitteln, die für eine Begleiterhebung genutzt werden sollten, um die Wirksamkeit des natürlichen Arzneimittels zu überprüfen.
Nach fünf Jahren ist nun ein Datensatz von rund 21.000 eingegangenen Behandlungen analysiert und der Abschlussbericht seitens des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlicht worden. Laut diesem Bericht soll Cannabis als Medizin bei nahezu 70 Prozent der erfassten Fälle für eine Verbesserung der Lebensqualität gesorgt haben können.
In erster Linie gegen Schmerz
Wie in einer kürzlich aus Kanada stammenden Untersuchung aufgezeigt wurde, nutzen auch gewöhnliche Cannabiskonsumenten die Kraft der Pflanze gegen verschiedenste Krankheitssymptome. Depressionen, Schlafprobleme, Angst und Schmerzen waren hier die am häufigsten genannten Gründe. In der Pressemitteilung des BfArM bezüglich des Abschlussberichtes zur Begleiterhebung betreffend Cannabis in der Medizin, heißt es, dass deutsche Patienten in erster Linie Cannabisprodukte gegen chronische Schmerzen einsetzten.
Mehr als 75 Prozent der rund 21.000 anonymisierten Nutzer von Cannabisblüten und -extrakten sowie Dronabinol, Nabilon und Sativex behandelten in der Vergangenheit ihre Schmerzen mit den Wirkstoffen aus der Hanfpflanze. Nur 9,6 Prozent griffen aufgrund von Spastiken auf die natürlich gewonnene Arznei zurück. 5,1 Prozent wirkten damit einer Anorexie und Wasting entgegen. Viele Behandlungen stünden insgesamt im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen.
Arzneimittel und Blüten
Einen eindeutigen Unterschied soll es zwischen dem Einsatz der genannten Arzneimittel und den natürlichen Blüten gegeben haben. So würden Frauen im Durchschnittsalter von 57 Jahren in der Mehrzahl auf die Präparate zurückgreifen, während Männer im Durchschnittsalter von 45,5 Jahren zwei Drittel der Patienten ausmachten, die Cannabisblüten aus der Apotheke gegen ihre Leiden nutzten. Diese Gruppe wurde auch mit vielfach höheren THC-Gehalten behandelt und berichteten dreimal häufiger von euphorisierender Wirkung.
Demzufolge fügte das Bundesinstitut hierzu an, dass „die Gefahr von Missbrauch und Abhängigkeit bei der Therapieplanung mit Cannabisblüten“ von behandelnden Ärzten stets beachtet werden müsse. Die Abbruchrate der Cannabistherapie soll trotz häufiger Nebenwirkungen niedrig geblieben sein, woraus sich schlussfolgern ließe, dass unerwünschten Effekte vergleichsweise gering gewesen waren. Brachen Patienten die Behandlung mit Cannabis ab, soll dies in erster Linie auf eine fehlende oder zu geringfügige Wirksamkeit zurückzuführen gewesen sein.
Wenig Aussagekraft – aber hilfreich
Über das Ergebnis der Analyse der Begleiterhebung sagt das BfArM, dass es sich um keine klinische Studie handle, die zur Prüfung der Wirksamkeit und Sicherheit von Cannabis in der Medizin genutzt werden könnte. Es handle „sich vielmehr um anonymisierte Behandlungsdaten, die Hinweise auf mögliche Anwendungsgebiete, Nebenwirkungen und auch Begrenzungen einer Therapie mit Cannabisarzneimitteln“ liefere. Die Berichte von 70 Prozent der Behandelten, die über eine Verbesserung der Lebensqualität sprachen, würden von vielen Faktoren abhängen und ließen sich insgesamt relativ schlecht vergleichen. Klinische Studien nach internationalen Standards würden deshalb durchgeführt werden müssen.
Dennoch wäre die Begleiterhebung sinnvoll gewesen, um an Hinweise zu Cannabis-Arzneimitteln zu gelangen, die über deren Anwendungsgebiete und Nebenwirkungen in der Therapie Auskunft geben. Die Ergebnisse würden nun dafür genutzt, dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Grundlage zu bieten, um über weitere Regelungen zur Versorgung der Patienten mit Cannabisarzneimitteln zu entscheiden. Auch bezüglich der Erstattungsfähigkeit seitens der gesetzlichen Krankenversicherungen dienten die Ergebnisse in Zukunft.