Es beginnt bei Cannabis und endet mit der Nadel im Arm. So oder so ähnlich ist bis heute bei vielen Menschen die gängige Meinung zu diesem Thema. Besonders in konservativen Gegenden wie Bayern oder Österreich wird Cannabis bis heute als Einstiegsdroge bezeichnet.
Interessanterweise wird gerade in den konservativen Reihen oder in den Mainstream-Medien nie erwähnt, dass bei genauerer Betrachtung Cannabis viel mehr eine Ausstiegsdroge sein kann. Die Fakten sprechen klar dafür, dass Cannabis beim Ausstieg aus wirklich suchterzeugenden Drogen helfen kann. Zu denen zählt im Übrigen auch die Volksdroge Alkohol.
Dies sind auch keineswegs neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Das ist ein Fakt, der seit vielen Jahren bekannt und durch Studien belegt ist. Selbst in den 1970er Jahren, zu einer Zeit der härtesten Prohibition, gab es erste Suchtmediziner, die Cannabis als Ausstiegsdroge erkannten.
Cannabis kann Opiatentzug lindern
Besonders problematisch ist der Entzug von Opiaten. Obwohl die Entzugssymptome selbst gar nicht lebensgefährlich sind, sind diese so extrem ekelhaft, dass es beinahe unerträglich ist. Nur die wenigsten langjährigen Konsumenten schaffen es, davon vollständig loszukommen. Viele rutschen unwissentlich in eine Opiatsucht hinein, wenn diese längere Zeit als Schmerzmittel eingenommen werden. Das sind unter Umständen sogar konservative Personen, die gegen Cannabis sind.
Die Einstiegsdroge war hier nicht der Joint, sondern die Pille vom Arzt. In den USA spricht man mittlerweile von einer Opioid-Epidemie, die vorrangig durch das Medikament Oxycodon ausgelöst wurde. Eine vom Amazon Mechanical Turk durchgeführte Studie konnte zeigen, dass Cannabis einige Symptome, die bei einem Entzug von Opiaten auftreten, deutlich lindern kann. Bei Amazon Mechanical Turk handelt es sich um eine Plattform, die Personen zu verschiedenen Studien und Befragungen rekrutiert.
Diese Studie basiert auf Umfrageergebnissen von Konsumenten, die Erfahrung mit dem Entzug von Opiaten hatten. Von insgesamt 200 Studienteilnehmern gaben 63 % an, selbst bereits Cannabis benutzt zu haben, um den Entzug und den Ausstieg aus Opiaten zu erleichtern. Davon gaben 72 % an, dass Cannabis bei ihnen eine signifikante Erleichterung der Entzugssymptome brachte. Insbesondere Zittern, Angstzustände und Schlaflosigkeit konnten deutlich reduziert werden.
Eine weitere Studie, die bereits im Jahr 2015 an der Columbia University durchgeführt wurde, kam unabhängig davon ebenfalls zu dem Schluss, dass THC den Opiatentzug erheblich lindert. Dort wurden Patienten, die einen achtwöchigen stationären Entzug von Opiaten machten, zusätzlich THC in Form von Dronabinol verabreicht. Es zeigte sich auch hier, dass THC die Entzugssymptome deutlich erträglicher macht.
Zum Ausschleichen von Benzodiazepinen wirksam
Neben Opiaten sind Benzodiazepine eine der stärksten suchterzeugenden Substanzen. Diese werden primär gegen Angsterkrankungen und Schlafstörungen verschrieben. Viele Benzodiazepine können bereits nach kurzem Dauergebrauch körperlich abhängig machen. Im Gegensatz zu einem Opiatentzug kann ein Entzug von Benzodiazepinen sogar infolge schwerer Krampfanfälle tödlich enden, weshalb ein solcher ausschließlich unter klinischer Überwachung stattfinden sollte. Wichtig zu wissen ist an dieser Stelle, dass Benzodiazepine häufig gegen Angsterkrankungen konsumiert werden.
Bei einigen Personen jedoch kann THC Angstzustände fördern, weshalb bei diesen Patienten medizinisches Marihuana kontraindiziert ist. Jedoch werden Benzodiazepine vielfach gegen Schlaflosigkeit benutzt, wogegen auch Cannabis ein hervorragendes Mittel ist. Es liegt nun die Vermutung nahe, dass medizinisches Cannabis dabei helfen könnte, auf diese Weise ein stark suchterzeugendes Arzneimittel allmählich auszuschleichen. Genau diese These untersuchte eine kanadische Studie im Jahr 2019.
Es wurde an 147 Teilnehmern beobachtet, wie sich der Gebrauch von Benzodiazepinen verändert, wenn parallel dazu medizinisches Marihuana konsumiert wird. Nach bereits 2 Monaten hatten 30 % der Studienteilnehmer mit dem Konsum von Benzodiazepinen aufgehört. Am Ende der Beobachtungszeit von insgesamt 6 Monaten hatten immerhin 45,2 % der Studienteilnehmer die Einnahme von Benzodiazepinen eingestellt.
Bereits vor Jahrzehnten zum Alkoholentzug empfohlen
Die Volksdroge Alkohol zählt zu den schädlichsten Drogen überhaupt. Die Dunkelziffer an problematischen Konsummustern ist enorm hoch, doch dies wird weitgehend hingenommen, da diese Droge mit einer wirtschaftlichen Lobby im Hintergrund ein fester Bestandteil unserer Kultur ist. Bereits im Jahr 1970, in einer Zeit, in der Hanf absolut geächtet und die Einstiegsdroge schlechthin war, schlug der US-Arzt Tod H. Mikuriya vor, Cannabis als Hilfsmittel zum Alkoholentzug zu verwenden.
Mikuriya war einer der Vorreiter der medizinischen Cannabisbewegung in den USA und gleichzeitig in der Suchtmedizin tätig. Von 1966 bis 1967 leitete er das Behandlungszentrum für Drogenabhängigkeit in New Jersey. Seine Arbeit gewährte ihm Einblick in die tatsächlichen Fakten im Zusammenhang mit Suchterkrankungen. Er erkannte schnell, dass das Verbot und die Ächtung von Hanf nicht auf wissenschaftlichen Fakten basierten. 1967 arbeitete er im National Institute of Mental Health an der Erforschung des medizinischen Nutzens von Marihuana. Dieses verließ er jedoch rasch wieder, da bereits damals infolge der Prohibition eine Finanzierung seiner Forschungen nicht möglich war.
In den vergangenen Jahren und sogar Jahrzehnten gab es immer wieder Studien, die klar belegen konnten, dass sowohl THC als auch CBD das Verlangen nach Alkohol drastisch verringern können. In medizinischen Archiven finden sich Schilderungen von Ärzten, die mit Alkoholkranken arbeiteten, welche bis in das Jahr 1996 zurückreichen. 1996 wurde in Kalifornien medizinisches Cannabis legalisiert. Bereits damals stellte man fest, dass der Großteil der Alkoholabhängigen den Konsum von Alkohol drastisch reduziert, sobald sie Cannabis erhalten. Dennoch hält sich der Mythos der Einstiegsdroge bis heute hartnäckig und es wird mit dem Bierkrug in der Hand Cannabis verteufelt.