Cannabinoide gehören zu den wichtigsten Stoffgruppen in der Natur. Während in einer engstirnigen Denkweise der Prohibition, Hanf jahrzehntelang dämonisiert wurde, begriff man in den vergangenen Jahren, dass es neben Hanf noch zahlreiche weitere Pflanzen gibt, die ebenfalls Cannabinoide produzieren.
Abseits vom Menschen findet sich auch in fast allen Tiergattungen ein Endocannabinoidsystem, also ein körpereigenes System, an welchem Cannabinoide wirken können. Dabei reagiert dieses System sowohl auf körpereigen produzierte Cannabinoide, als auch auf extern zugeführte, wie aus Hanf. Eine Frage, die sich an dieser Stelle aufwirft, ist, inwiefern Mikroorganismen Cannabinoide produzieren. Mikroorganismen stellen in der Mikrobiologie eine wichtige Funktion dar, beispielsweise wenn es um Verarbeitungsprozesse in der Lebensmittelindustrie geht. Produkte wie Joghurt oder Käse wäre ohne diese unscheinbaren Einzeller undenkbar.
THC-reichen Hanf anzubauen und für medizinische Zwecke zu nutzen, ist in vielen Gegenden der Welt heute noch juristisch undenkbar. Auch hier scheinen Mikroorganismen eine elegante und preiswerte Alternative zu sein, um verschiedene Cannabinoide wie THC herstellen zu können, ohne auf Hanfanbau, oder kostspielige Synthesen angewiesen zu sein. Doch auch die Natur hält bereits Mikroorganismen bereit, die Cannabinoide produzieren.
Mehrere Flechten produzieren Cannabinoide
Flechten stellen eine Sonderform der einzelligen Lebensformen dar. Genaugenommen handelt es sich hierbei um symbiotische Strukturen aus Algen und Pilzen. Es sind bislang mehrere Flechten bekannt, die Cannabinoide produzieren. Besonders zu erwähnen ist an dieser Stelle die Gattung Hypogymnia physodes, auch als Blasenflechte bekannt. Diese Flechte ist auch in Mitteleuropa weitverbreitet und enthält das Cannabinoid Olivetol. Dabei handelt es sich um eine Vorstufe von THC, welche auch in der Hanfpflanze als Ausgangsstoff für die Synthese von THC dient. Der Gehalt an Olivetol kann in dieser Flechte bis zu 2,6 % betraten. Eine weitere Flechte, die Olivetol produziert, ist Pseudevernia furfuracea. Diese Flechte ist besser bekannt unter ihrem Trivialnamen Blasenflechte und ist ebenfalls in den Wäldern Mitteleuropas, primär in Fichtenwäldern, reichlich anzutreffen.
Modifizierte Bakterien erzeugen THC
Bakterien lassen sich vergleichsweise einfach genetisch modifizieren. In deren Genom lassen sich Teile anderer Lebensformen einbauen, etwa vergleichbar mit einem Stückchen Sourcecode aus einem Computerprogramm, das an die richtige Stelle in einem anderen Programm eingefügt wird und dort seine Arbeit macht. Ein Frankfurter Unternehmen meldete 2019 ein Patent für ein modifiziertes Bakterium an, welches aus Zucker unter anderem THC herstellen kann. Daneben kann es mittels geringfügiger Modifikation auch noch CBD, sowie 180 weitere Cannabinoide herstellen.
Cannabinoide auf diese Weise im Stoffwechsel von Bakterien herstellen zu lassen, ist eine extrem effiziente und kostengünstige Alternative. Cannabinoide zu synthetisieren würde im Gegensatz dazu ein Vielfaches an Kosten verursachen und durch die unzähligen Zwischenschritte, sowie die abschließenden Reinigungsprozesse, erheblich länger dauern. Beispielsweise kann 1 Gramm Bakterienmasse im Zeitraum von etwa 7 Wochen bis zu 4,5 Kilogramm reines THC produzieren.
Beim verwendeten Bakterium handelt es sich um Zymomonas mobilis. Dieses Bakterium wird unter anderem zur Produktion von Tequila benötigt. In sein Genom wurde eine Sequenz eingebaut, die mittels eines Stoffwechselprozesses aus Traubenzucker beispielsweise THC herstellt. Die Kosten betragen in diesem Fall nur ein Tausendstel der Kosten, die anfallen würden, wenn THC auf eine herkömmliche Weise synthetisiert werden würde. Das einzige Ausgangsprodukt, welches hier benötigt wird, ist Traubenzucker.
Amöben erzeugen THC-Vorstufe
An dem Ziel, Mikroorganismen in Mini-Labore zur Cannabinoidproduktion zu verwandeln, arbeitet derzeit auch ein Forschungsteam aus Leibniz. Das Team forscht ebenfalls an der Möglichkeit, mithilfe von Mikroorganismen beispielsweise THC kostengünstig in großen Mengen herstellen zu können. Das Ziel dabei ist es, ein noch deutlich effizienteres Verfahren zu entwickeln, als die Extraktion von THC aus Hanf. Dabei scheint die Amöbe der Gattung Dictyostelium discoideum ein äußerst aussichtsreicher Kandidat zu sein.
Mittels genetischer Modifikation ist es mittlerweile gelungen, dass diese Amöbe Olivetolsäure herstellt, ähnlich wie die Eingangs erwähnten Flechten aus der Natur dies auch tun. Von der Olivetolsäure ausgehend, kann schließlich mit überschaubarem Aufwand THC hergestellt werden. Das Ziel ist es derzeit, den gesamten Produktionsprozess von THC, von der Amöbe selbst durchführen zu lassen.
Auch wenn es das oberste Ziel sein sollte, endlich Hanf in vollem Umfang zu legalisieren, so stellen Mikroorganismen in drogenpolitisch konservativ orientierten Ländern, dennoch eine interessante Option dar. Wenn es darum geht Cannabinoide in großen Mengen und in Reinform absolut kostengünstig zu produzieren, sind Mikroorganismen eine echte Alternative zu konventionellen Syntheseverfahren.