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THC ist in der gesamten westlichen Welt illegal. Wirklich? THC gibt es als Medikament. Seit gut 30 Jahren in den USA, seit etwa 20 Jahren auch in Deutschland, auf BTM-Rezept, aber verschreibungsfähig und damit auch erstattungsfähig, ohne besondere Anträge.
Das Mittel heißt Dronabinol, dabei handelt es sich um THC als Reinstoff, genauer: Trans-Δ9-Tetrahydrocannabinol, dasjenige Isomer von THC, das als das wirkungsstärkste gilt und welches in Hanfpflanzen in der Regel in der höchsten Konzentration aller THC-Isomere vorkommt. Dronabinol aus der Apotheke ist meist synthetisch, völlig ohne Beteiligung einer Pflanze oder halb synthetisch, aus anderen pflanzlichen Cannabinoiden, hergestellt.
Zugelassen ist Dronabinol gegen Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei AIDS bzw. HIV-Infektion und zur Bekämpfung der Übelkeit bei Chemotherapien. In Deutschland wird es auch gegen Leiden im Zusammenhang mit Multipler Sklerose eingesetzt. Als Nebenwirkung werden genannt: Benommenheit, Euphorie, ein Trockener Mund und Herzrasen so wie bei hohen Dosen Lethargie, eingeschränkte Koordinationsfähigkeit, Sprachschwierigkeiten und Blutdruckabfall.
Dronabinol ist der sogenannte INN-Name für THC, der Freiname-Englisch: International Nonproprietary Name – eine international gültige Bezeichnung für die Wirkstoffe von Medikamenten, um diese eindeutig zu identifizieren und ohne rechtlich geschützte und oft in verschiedenen Ländern unterschiedliche Produktnamen bestimmter Firmen benutzen zu müssen. Der Handel und die Apotheken wiederum benutzen gern die Hersteller-Namen, reine Dronabinol-Präparate werden unter anderem als Marinol oder Syndros vertrieben, das THC in dem bekannteren Mundspray Sativex der britischen Firma GW Pharmaceuticals ist offiziell also auch Dronabinol.
In Deutschland wird Dronabinol als sogenannte Rezeptursubstanz von Herstellern und Händlern an die Apotheken vertrieben. Die Apotheke erhält hoch konzentrierten Reinstoff, ein hellgelbes bis farbloses Harz. Dieses muss in der Apotheke von fachkundigem Personal zum fertigen Präparat gemischt werden.
Was kostet Dronabinol?
Ein Viertelgramm, also 250 Milligramm günstigeres, teilsynthetisches Dronabinol kostet in Deutschland beim Hersteller etwa 100 Euro. Apotheker dürfen und müssen sogar laut § 5 der Arzneimittelpreisverordnung über Apothekenzuschläge für Zubereitung aus Stoffen [1] einen Aufschlag von 90 % auf den Einkaufspreis erheben. Mit Mehrwertsteuer und zusätzlichen Gebühren zahlen Patienten dafür dann gut 250 Euro, welche in der Regel von den Krankenkassen erstattet werden. Das Präparat ist sehr stark, aus dieser Menge können dann 50 Kapseln der kleinsten Dosis von 5 Milligramm hergestellt werden, das sehr stark wirksame Dronabinol kann in dieser geringen Menge schon Wirkung erzielen.
Die Identitätsprüfung
Bei Zulassung von Dronabinol als Medikament im Jahre 1986 durch die FDA, die US-amerikanische Behörde für Lebensmittel- und Medikamentensicherheit, ist ausdrücklich nur von einer Lösung in Sesamöl in Gelatinekapseln zur oralen Einnahme die Rede. In Deutschland werden von den Apotheken Fettkapseln, aber auch Tropfen aus flüssigem Öl und alkoholische Lösungen hergestellt.
Vor der Zubereitung einer Rezeptur müssen die Apotheken eine Identitätsprüfung vornehmen. Dazu liefern die Hersteller von Dronabinol einen Teststreifen mit.
Die Identitätsprüfung ist übrigens einer der Gründe, weshalb Apotheken generell lieber fertige Arzneien und oft nur sehr ungern Cannabis-Blüten bereitstellen. Für Cannabis-Blüten gibt es solche einfachen Schnelltests nämlich nicht, trotzdem müssen Apotheker auch Blüten mit einer relativ teuren Referenzsubstanz abgleichen. Das ist sehr umständlich und führt zu den sehr hohen Preisen, die den Patienten nur schwer zu vermitteln sind. Der Reinstoff Dronabinol ist da deutlich unkomplizierter.
Ein Medikament wird angemischt
Nach bestandener Identitätsprüfung kann in der Apotheke das Medikament hergestellt werden. Dafür sollte das in einer Spritze gelieferte Dronabinol erst auf 60 bis 80° Celsius erhitzt werden. Dann wird das zähe Harz nämlich flüssig ohne Fäden zu ziehen und kann gut dosiert werden.
Zur Herstellung von Kapseln wird das flüssige Dronabinol dann in einer genau abgewogenen Menge Öl oder Fett aufgelöst und verrührt. Die fettige Trägersubstanz ist dabei ebenfalls erhitzt, das verbessert die Löslichkeit. Anschließend wird die Mischung in Kapseln gefüllt, welche dann bei korrekter Befüllung exakt den gleichen Wirkstoffanteil enthalten.
Die Hersteller empfehlen als Trägerstoff Neutralfett, in Apotheken als Softisan gebräuchlich, dieses ist bei Raumtemperatur fest. Für Flüssiges Öl wird Neutralöl verwendet, das besteht aus mittelkettigen Triglyceriden [2], als Mygliol 812 im Handel. Die Fette werden aus Ölpalmen oder anderen geschmacksneutralen Ölpflanzen gewonnen. Sie sind gut für Salben und Kapseln geeignet, denn sie diffundieren passiv durch jedes Gewebe in die Blutbahn und können auch etwa bei Absorptionsstörungen zuverlässig Wirkstoffe transportieren.
Eine weitere Zubereitung von Dronabinol ist die alkoholische Lösung für Tropfen oder zum Inhalieren im Vulcano-Vaporizer. Dazu wird der Wirkstoff in 96%igem Ethanol gelöst und dabei so abgewogen, dass die Lösung tropfenweise Dosiert werden kann.
Welche Bedeutung hat Dronabinol?
Dronabinol als Medikament ist eher ein Nischenprodukt, laut apotheken-umschau.de vom 20.01.2017 [3] wurden in Deutschland zu diesem Zeitpunkt etwa 4500 Menschen mit Medikamenten behandelt, die Dronabinol enthalten. Das steht im krassen Gegensatz zu den geschätzt mehreren Zehntausend Patienten, die heute in Deutschland Cannabis-Blüten und andere Präparate benutzen.
Das liegt, rein technisch gesehen, daran, dass reines THC nicht so gut wirkt, wie Mischungen aus mehreren Cannabinoiden oder Vollextrakte mit allen Inhaltsstoffen der Pflanze. Es ist aber auch dem besonderen, kontroversen rechtlichen und gesellschaftlichen Ansehen von Cannabis und seinem Hauptwirkstoff THC geschuldet.
Cannabis ist immer politisch
Mit Dronabinol ist THC also ein ganz normales Medikament, solange es als Dronabinol fachgerecht zubereitet wird. Andere THC-haltige Cannabisprodukte sind aber eine gefährliche Droge. Dronabinol wurde schon 1986 von der FDA umdeklariert, von Schedule I für die gefährlichsten Drogen in Schedule II, später dann in die kaum regulierte Schedule III heruntergestuft. Damit war es ein verschreibungsfähiges Medikament mit sehr geringem Suchtpotenzial und im Vergleich dazu großem medizinischem Nutzen. 1991 folgte die UN und deklarierte Dronabinol in der Liste des Übereinkommens über psychotrope Substanzen von 1971 zu einem harmlosen Medikament um. Das wirft viele Fragen auf, über die nicht gern geredet wird. Aus der Fabrik gereinigtes THC in Kapseln ist also ein nützliches Medikament, das zuverlässig wirkt, kein Suchtverhalten erzeugt, Ärzte-Hopping und Rezept-Erschleichung kommen damit nicht vor. Alle anderen THC-haltigen Pflanzenteile und Produkte wurden jedoch weiterhin als hochgefährliche Rauschgifte ohne jeden medizinischen Nutzen geführt.
Dronabinol verhindert Legalisierung?
Tatsächlich war die „Freigabe“ von Dronabinol ein ziemlich unverblümter Versuch von Gesetzgeber und Pharmaindustrie, weiteres Vordringen der Hanfpflanze auf dem Gesundheitsmarkt zu verhindern. In den 1970ern stellten immer mehr unwiderlegbare Forschungsergebnisse den Nutzen von Cannabis heraus. Kämpfer für die Legalisierung waren nicht mehr nur friedensbewegte Systemkritiker, sondern zunehmend auch Patientengruppen mit schweren und unheilbaren Leiden. Die Krebsbehandlung steckte noch in den Kinderschuhen, hoch dosierte Chemotherapie beeinträchtigte Patienten enorm und konnte nur geringe Erfolge vorweisen. Dazu kam in den 1980er die AIDS-Epidemie in den USA, eine Infektion war damals noch ein sicheres Todesurteil. Hier Linderung zu verweigern, war politisch kaum mehr haltbar. Zu diesem Zeitpunkt kam dann Dronabinol als standardisiertes Medikament, ausschließlich für allerschwerste Leiden zugelassen.
Tatsächlich wirkt Dronabinol anders, als andere Cannabisprodukte, reines THC lässt nicht wirklich als Freizeitdroge gebrauchen. Die Wirkung wird, auch in kleinsten Dosen, oft als unangenehm beschrieben. Die Einnahme macht keinen Spaß und es besteht keinerlei Gefahr, dass Dronabinol in den Schwarzmarkt einsickert. Zumal die betroffenen Patienten meist ganz andere Sorgen haben und in der Regel nicht in gesellschaftspolitische Streitigkeiten einbezogen werden möchten.
Reines THC ist nicht die Lösung
Mittlerweile ist aber ebenfalls bekannt, dass Cannabinoide in Kombination nicht nur besser vertragen werden, sondern auch besser wirken. Unter den standardisierten Produkten mit Cannabis gilt Nabiximols [4], unter dem Handelsnamen Sativex bekannt, als das bessere. Es besteht zu etwa gleichen Teilen aus THC und CBD, sodass sich die beiden Wirkstoffe unterstützen. Der Hersteller von Sativex, GW Pharmaceutics, ist nun seinerseits wieder ein Verfechter des rein pharmazeutischen Ansatzes, auch die Existenz von Sativex behindert die weitere Freigabe pflanzlicher Cannabis-Produkte.
Ist hier also der Unheil bringende Einfluss der Pharmaindustrie am Werk?
So einfach ist das auch wieder nicht. Eine schlichte Einteilung in Gut-Böse wäre nicht zielführend. Als Beispiel für die Komplexität kann der erste Hersteller von Dronabinol in Deutschland stehen, die Firma THC Pharm aus Frankfurt a.M. Diese Firma hat nicht nur das sogenannte halb synthetische Verfahren zur kostengünstigen Gewinnung von THC aus Cannabinoiden des legalen Faserhanfs entwickelt. THC Pharm schreibt es sich auf die Fahne, den Kampf für die Zulassung von Dronabinol [5] aufgenommen und letztlich gewonnen zu haben. Entstanden ist die Firma aus einer Patienteninitiative, einer der Gründer, der Biologe Joachim Hartinger ist selbst betroffener, der seit einem Unfall querschnittsgelähmt ist. Er bekam – inoffiziell – den Rat, die typischen Spasmen mit Cannabis zu behandeln. Der Einstieg in die Medikamentproduktion erfolgte in erster Linie aus dem Bedürfnis heraus, ein zuverlässiges Medikament zu entwickeln, das Erreichen des legalen Medikamenten-Status war ihm eher ein positiver Nebeneffekt.
Die Entwicklung zeigt letztlich, Cannabis kann sich durch konkrete Forschungsergebnisse wieder aus dem gesellschaftlichen Abseits zurückkämpfen. Ein wichtiges Forschungsfeld wäre hier etwa der Entourage-Effekt, [6] wonach die ganze Pflanze oder ein Vollextrakt, besser wirkt, als der reine Wirkstoff aufgrund der begleitenden Terpene. In gewissem Sinne ist auch dieser Schritt schon Geschichte, seit nun in Deutschland Hanfblüten ebenfalls erstattungsfähiges Medikament sind. Und zwar nicht nur als Schmerzmittel in der Palliativersorgung unheilbarer Leiden, sondern für jeden Einsatz, den Ärzte für sinnvoll halten und dem die Krankenkasse zustimmt. Es bleibt dann aber auch für uns Deutsche der Widerspruch, dass Cannabis aus staatlich kontrolliertem Anbau in Anlage III [7] des Betäubungsmittelgesetzes steht, in der nützliche und nur wenig gefährliche Medikamente aufgeführt sind. Alle anderen Cannabis-Pflanzen, aber in Anlage I [8] unter den nicht verkehrsfähigen, gefährlichen Substanzen stehen. Sicher, die internationalen Verträge zur Drogenbekämpfung schreiben das so vor. Die Geschichte von Dronabinol zeigt aber, auch diese Verträge können geändert werden, fragt sich nur, ob das dann zum Nutzen der Pharmaindustrie oder zum Wohl aller Bürger geschieht.
Quellen und Studien:
- [1] https://www.gesetze-im-internet.de/ampreisv/__5.html
- [3] https://www.apotheken-umschau.de/Schmerz/Cannabis-als-Medikament-moeglich-515371.html
- [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Nabiximols
- [5] http://www.thc-pharm.de/geschichte-2/
- [6] https://en.wikipedia.org/wiki/Entourage_effect
- [7] http://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/anlage_iii.html
- [8] http://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/anlage_i.html